OGH 1Ob68/07t

OGH1Ob68/07t3.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** AG, *****, vertreten durch Simma Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Dr. Franz ***** S*****, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer Rechtsanwalt KEG in Wien, wegen EUR 150.000 sA und Feststellung (Streitwert EUR 10.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Dezember 2006, GZ 13 R 70/06v-32, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin bedeutet es keine unzulässige Umwürdigung der Beweisergebnisse durch das Berufungsgericht, wenn es - ohne Beweisergänzung oder Beweiswiederholung - im Urteil den Wortlaut des von der Klägerin erteilten Treuhandauftrags wiedergegeben und seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat.

Die Revisionswerberin hat sich nämlich zur Begründung ihres Anspruchs selbst auf diesen Treuhandauftrag berufen, die entsprechende Urkunde wurde in der mündlichen Streitverhandlung verlesen und ist ihrem Inhalt nach unstrittig. Hat das Berufungsgericht nun - zu Recht - die Auffassung vertreten, die unpräzisen Feststellungen des Erstgerichts zum Inhalt des Treuhandauftrags seien nicht ausreichend, und hat es diese durch die Wiedergabe des unstrittigen Wortlauts der betreffenden Urkunde ersetzt, ist dies prozessual unbedenklich, weil unstrittiges Parteienvorbringen - und dazu gehört auch der Inhalt einer von beiden Seiten für bedeutsam angesehenen Urkunde - ohne weiteres der Entscheidung zu Grunde zu legen ist (§§ 266 f ZPO).

2. Wenn das Berufungsgericht darüber hinaus zu zwei vom Beklagten bekämpften Feststellungen ausgeführt hat, darauf sei aus rechtlichen Erwägungen „nicht weiter einzugehen" bzw werde eine bestimmte Feststellung vom Berufungsgericht „nicht übernommen", so liegt auch darin keine unzulässige Abänderung erstgerichtlicher Tatsachenfeststellungen, zumal das Berufungsgericht diese ja nicht etwa durch gegenteilige Feststellungen ersetzt hat. Vielmehr hat es klar zum Ausdruck gebracht, dass es diese Feststellungen aus materiell-rechtlichen Erwägungen für unerheblich hält. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung und nicht einer allfälligen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens.

3. An sich zutreffend weist die Revisionswerberin darauf hin, dass ein mehrseitiger Treuhänder die Interessen sämtlicher Treugeber zu wahren hat. Dazu kann auch die vertragliche Nebenpflicht gehören, dem Treugeber für diesen relevante Informationen zukommen zu lassen (RIS-Justiz RS0010453). Ebenso entspricht es der Judikatur, dass der Treuhänder gegebenenfalls die Treuhandschaften niederzulegen hat, wenn sich ein Spannungsverhältnis zwischen der Aufklärungspflicht gegenüber einem Treugeber und der Verschwiegenheitspflicht gegenüber einem anderen ergibt und diese Interessenskollision nicht behoben werden kann (RIS-Justiz RS0023549 - T26).

Welche Interessen der Treuhänder gegenüber einem bestimmten Treugeber zu wahren hat, bestimmt sich in erster Linie nach Inhalt und Zweck des ihm erteilten Treuhandauftrags. Die Auslegung der Bestimmungen eines solchen Treuhandauftrags bezieht sich regelmäßig auf einen konkreten Einzelfall, ohne dass eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten wäre. Eine erhebliche Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste, ist dem Berufungsgericht im vorliegenden Fall nicht unterlaufen.

4. Unstrittig ist, dass Gespräche zwischen den Streitteilen über den Inhalt des Treuhandauftrags und dessen Verständnis nicht geführt wurden, sodass dieser nur nach objektiven Grundsätzen ausgelegt werden kann. Dabei ist zu fragen, welchen (Schutz-)Zweck ein vernünftiger Erklärungsempfänger in der Situation des Beklagten den maßgeblichen Bestimmungen des Treuhandauftrags vernünftigerweise beilegen musste.

Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin erteilte Vorgabe, der Beklagte könne (besser wohl: dürfe) den Kreditbetrag von S 70 Mio zur Abdeckung des Kaufpreises anfordern und verwenden, wenn er die „Haftung" unter anderem dafür übernehme, dass „der Kaufpreis S 100 Mio beträgt und Zug um Zug mit den von uns zur Verfügung gestellten S 70 Mio die restlichen S 30 Mio seitens der Gesellschaft zur Bezahlung des gesamten Kaufpreises Ihnen zur freien Verfügung stehen" dahin ausgelegt, dass damit die widmungsgemäße Verwendung der Kreditvaluta und die vollständige Bezahlung des Kaufpreises an die Verkäuferin einerseits und die (hypothekarische) Sicherstellung der Kreditforderung der Klägerin andererseits bezweckt würden. Dieser Zweck sei erreicht worden, da das Pfandrecht der Klägerin intabuliert worden sei, die Käuferin von ihrer Pflicht zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises vollinhaltlich befreit und die Kreditvaluta zur Anschaffung der Immobilie verwendet worden sei. Es sei hingegen nicht darum gegangen, dass der Verkäuferin der volle Kaufpreis als Erlös aus dem Veräußerungsgeschäft verbleibe, oder gar darum, die Klägerin vom Kreditrisiko zu entlasten. Im Ergebnis hat sich das Berufungsgericht somit der Auffassung der Klägerin nicht angeschlossen, die fragliche Bestimmung im Treuhandauftrag hätte darüber hinaus auch den Zweck gehabt, der Klägerin Sicherheit darüber zu verschaffen, dass der Verkehrswert der Liegenschaft zumindest den zu Gunsten der Klägerin pfandrechtlich sichergestellten Höchstbetrag von S 91 Mio erreicht.

Abgesehen davon, dass die von der Revisionswerberin in erster Instanz aufgestellte Behauptung, der Verkehrswert einer Liegenschaft ergebe sich aus dem dafür (im Einzelfall) gebotenen Kaufpreis, als lebensfremd bezeichnet werden muss, kann dem Berufungsgericht keine bedenkliche Auslegung vorgeworfen werden, wenn es die Auffassung vertreten hat, der Beklagte habe die Klausel nicht in dem Sinn verstehen müssen, die Klägerin habe eine eigene Schätzung des Liegenschaftswerts unterlassen und hätte (nur) dann keine Bedenken gegen die Eignung der Liegenschaft als ausreichende Sicherstellung gehabt, wenn der gesamte Kaufpreis ohne jede Abzüge an die Verkäuferin geflossen wäre. Auch in ihrer Revision beruft sich die Klägerin allein darauf, der Beklagte habe sie über die besonderen Umstände der Abwicklung nicht informiert, was für den Schaden ursächlich gewesen sei, weil sie im Falle einer wahrheitsgemäßen Information von der Kreditgewährung abgesehen hätte. Ist das Berufungsgericht nun in vertretbarer Weise davon ausgegangen, eine (richtige) Einschätzung des Verkehrswerts der Liegenschaft sei vom Schutzzweck der genannten Bestimmung des Treuhandauftrags nicht umfasst gewesen, kommt ein Schadenersatzanspruch der Klägerin schon aus diesem Grund nicht in Betracht. Schließlich begründet die Revisionswerberin auch nicht, warum der Beklagte nur auf Grund von Indizien für das Fehlen von Finanzmitteln bei einem Gesellschafter der Käuferin (objektive) Bedenken gegen die Fähigkeit oder Bereitschaft zur Rückzahlung des Kredits durch die Käuferin hätte haben müssen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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