OGH 3Ob78/07b

OGH3Ob78/07b25.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P***** AG, *****, vertreten durch Dr. Robert Brande, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Dr. Robert B*****, wider die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger und Dr. Josef W. Aichlreiter, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 178.423,37 EUR s.A. und Räumung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2007, GZ 40 R 187/06f-12, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 15. Mai 2006, GZ 56 C 181/05s-8, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die beklagte österr. GmbH betreibt im Mietobjekt ihr Unternehmen. Die klagenden Vermieter stützten ihr Begehren auf Bezahlung eines Mietzinsrückstands auf eine Mietzinsanhebung infolge eines Wechsels der Gesellschafter in der Mietergesellschaft (§ 12a Abs 3 MRG) und begehrten ferner die Räumung des Mietobjekts.

Die Vorinstanzen wiesen die Klagebegehren ab.

Das Erstgericht stellte folgenden vom Berufungsgericht übernommenen

Sachverhalt fest:

Seit Abschluss des Mietvertrags am 11. 10. 1993 (./1), änderten sich die Gesellschafterverhältnisse an der beklagten Partei in folgender

Weise:

Ab der am 2. 7. 1993 erfolgten Eintragung der beklagten Partei in das Firmenbuch hielt die T***** Company, *****, USA, zunächst die überwiegende Mehrheit der Stammeinlage, und war vom 22. 12. 1993 bis zum 30. 12. 2004 alleinige Gesellschafterin der beklagten Partei. Alleinige Gesellschafterin der beklagten Partei war vom 30. bis 31. 12. 2004 die T***** Company, vom 31. 12. 2004 bis 1. 4. 2005 die T***** (Gibraltar) ***** Limited und seit dem 1. 4. 2004 ist es die T***** Luxemburg ***** Europe S.ár.L. (offenes Firmenbuch). Bei der T***** Company handelt es sich um eine US-Kapitalgesellschaft im US-Bundesstaat Delaware. Die Anteile dieser Gesellschaft werden öffentlich an der New Yorker Börse gehandelt. Die Gesellschaft besteht seit dem 20. 12. 1978 (./7 und ./8). Die T***** Luxemburg ***** S.ár.L. ist eine am 3. 9. 2004 eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren alleinige Gesellschafterin die T***** Luxembourg ***** S.ár.L. ist. Bei der T***** Luxembourg S.ár.L. handelt es sich um eine am 13. 7. 2004 eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren alleinige Gesellschafterin die T***** (Gibraltar) ***** Limited ist. Die am 11. 6. 2004 eingetragene T***** (Gibraltar) ***** Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung; das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 4.000 US-Dollar, welche in 4.000 Stammanteile zu je 1 US-Dollar geteilt ist. Die R***** Company ist Alleingesellschafterin der T***** (Gibraltar) ***** Limited. Bei der T***** Company handelt es sich um eine am 17. 10. 1981 eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Mehrheitseigentümer der (sic.) T***** Company ist (./7). Die oben dargestellte Unternehmensstruktur wurde im Zuge der Umstrukturierung des T***** Konzerns in den Jahren 2004 und 2005 geschaffen. Zu diesem Zweck wurden auch neue Gesellschaften gegründet.

Die Erstrichterin verneinte ein Mietzinsanhebungsrecht mangels Vorliegens eines „Machtwechsels" im Konzern der ursprünglichen Alleingesellschafterin der beklagten Partei. Diese Gesellschafterin habe über ihre Beteiligungen (zu 100 % bzw. Mehrheitsbeteiligungen) nach wie vor entscheidenden Einfluss auf die beklagte Mietergesellschaft.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der Klagebegehren aus den Gründen der sogenannten Machtwechseltheorie, die in der Rsp ganz überwiegend vertreten werde, insbesondere in der jüngst zu Umschichtungen in einem Konzern ergangenen Entscheidung 6 Ob 88/06v. Es läge keine Änderung der wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten vor, wenn sich bei jenen Personen nichts ändere, die auf der obersten Ebene Einfluss ausübten. Der bloße Gesellschafterwechsel in der Mietergesellschaft reiche für eine Mietzinsanhebung nicht aus, es müssten sich auch die wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten verschoben haben.

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien ist mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig, auch wenn für den Standpunkt der Revisionswerber einige Entscheidungen des 5. Senats des Obersten Gerichtshofs ins Treffen geführt werden können. Eine Divergenz in der oberstgerichtlichen Rsp, die jedenfalls zur Bejahung einer erheblichen Rechtsfrage, allenfalls sogar zur Befassung eines verstärkten Senats führen müsste, liegt allerdings nicht mehr vor:

Rechtliche Beurteilung

I. Das Recht auf Mietzinsanhebung steht gemäß § 12a Abs 3 MRG nur bei Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Mietergesellschaft zu. Diese Voraussetzungen müssen iSd auch in der oberstgerichtlichen Rsp seit der Entscheidung 1 Ob 226/98m = SZ 71/157 ganz überwiegend vertretenen „Machtwechseltheorie" kumulativ vorliegen. Die davon abweichenden Entscheidungen 5 Ob 161/04v und 5 Ob 262/02v wurden nicht nur im Schrifttum kritisiert (dazu ausführlich u.a. Schauer, Neues zu § 12a Abs 3 MRG, in ecolex 2005, 26 und Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht, § 12a Rz 42 mit ausführlicher Darstellung der Judikatur der einzelnen Senate des Obersten Gerichtshofs), sie wurden mit eingehender Begründung auch in der zitierten Entscheidung 6 Ob 88/06v (= wobl 2007/12 mit zustimmender Anm. Vonkilchs; immolex 2007/3 mit zustimmender Anm. Pfiehls) mit dem Hinweis abgelehnt, dass der 5. Senat in anderen Entscheidungen (5 Ob 21/04f, 5 Ob 267/05h) wieder zur „Machtwechseltheorie" zurückgekehrt sei, also zur Auffassung, dass der Gesellschafterwechsel allein ohne wirtschaftlichen Machtwechsel eine Mietzinsanhebung nicht rechtfertige. Im Hinblick darauf, dass der 5. Senat in einer weiteren Folgeentscheidung in einem vergleichbaren Fall der Umschichtung im Rahmen eines Konzerns der Mietergesellschaft ein Zinsanhebungsrecht mangels „Änderung der Einflussmöglichkeiten innerhalb der Mietergesellschaft iSd § 12a Abs 3 MRG" verneinte (5 Ob 170/05v) kann nunmehr von einer gefestigten und wohl einheitlichen jüngeren oberstgerichtlichen Rsp gesprochen werden. Insoweit sich die Revisionswerber daher auf Argumente aus den zitierten, jetzt überholten Entscheidungen des 5. Senats stützen, bedarf es dazu keiner eingehenden Erörterung.

II. Entgegen dem Revisionsvorbringen ist das Berufungsgericht auch nicht von den E 5 Ob 239/99d = SZ 73/91 (zum Thema des dem Vermieter fehlenden Einblicks in die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Mietergesellschaft) und 6 Ob 88/06v (zum Erfordernis der Prüfung der konkreten Auswirkungen einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse in der Mietergesellschaft) abgegangen:

Eine Änderung der Gesellschafterverhältnisse (Kippen des Mehrheitsverhältnisses) in der Mietergesellschaft indiziert auch eine Änderung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse. Für beide Voraussetzungen ist zunächst der Vermieter behauptungs- und beweispflichtig (6 Ob 88/06v u.v.a). Den fehlenden Einblick des Vermieters trägt die Anzeigepflicht des Mieters und die Beweislastregel über die Umgehungsabsicht iSd § 12a Abs 3 zweiter und dritter Satz MRG Rechnung. Nur darauf beziehen sich die Ausführungen in der E 5 Ob 239/99d. Daraus ist aber für die Revisionswerber nichts abzuleiten, wenn sie im Verfahren erster Instanz sich ausschließlich auf eine Änderung der Gesellschafterverhältnisse beriefen und eine Änderung der Machtverhältnisse auch nicht nach dem Vorbringen der beklagten Partei über den nach wie vor bestehenden wirtschaftlichen Einfluss der Konzernmutter behaupteten und auch keinen Sachverhalt in Richtung Umgehungsabsicht vorbrachten. Nach dem nachgewiesenen (und festgestellten) Sachverhalt der Umschichtung im (Mutter-)Konzern der beklagten Partei war das aufgrund des Gesellschafterwechsels zunächst gegebene Indiz, dass sich auch die wirtschaftlichen Machtverhältnisse geändert hätten, entkräftet, sodass die klagenden Parteien verhalten waren, zur Stützung ihres Standpunkts einen ergänzenden Sachverhalt vorzutragen.

III. Als Verfahrensmangel rügen die Revisionswerber den Umstand, dass bei den Tochter- und Enkelgesellschaften der Konzernmutter (der amerikanischen Company) eine jeweils 100 % Beteiligung festgestellt wurde, obwohl nach der von der beklagten Partei vorgelegten Urkunde (Beilage ./13) bei der Gesellschaft mit dem Sitz in Gibraltar nur eine Beteiligung der Gesellschaft mit dem Sitz auf den Cayman Inseln von bloß 5 % hervorgehe. Mit diesem Thema hat sich jedoch das Berufungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung auseinandergesetzt, sodass die nunmehrige Mängelrüge in Wahrheit eine unzulässige Anfechtung der Beweiswürdigung bedeutet. Selbst eine mangelhafte Beweiswürdigung ist im Revisionsverfahren nicht anfechtbar (RIS-Justiz RS0043371). Ebensowenig kann von einer unzulässigen Überraschungsentscheidung die Rede sein, die ja nur vorliegt, wenn neue und entscheidungswesentliche rechtliche Aspekte mit den Parteien nicht erörtert wurden.

IV. Mit den weiteren Revisionsausführungen relevieren die klagenden Parteien, dass 1. zur Beurteilung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse das ausländische Recht nach dem Sitz der einzelnen Konzerngesellschaften erhoben hätte werden müssen (deshalb sei die zum ÖBB-Konzern ergangene E 6 Ob 88/06v nicht vergleichbar); 2. das wirtschaftliche Prinzip der Trennung der Sphäre der Gesellschaft von jener ihrer Mitglieder iSd E 5 Ob 267/98w = SZ 73/66 „ernst zu nehmen" und deshalb die an der beklagten Partei beteiligte Kapitalgesellschaft selbständig und 3. diese Selbständigkeit auch aufgrund der alleinigen Vertretungsmacht des Geschäftsführers der GmbH gegeben sei.

Mit den Ausführungen zur Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften stehen die Revisionswerber im Gegensatz zu der unter 1. referierten Rechtslage im Lichte der erläuterten Judikatur. Insoweit sie das Vorliegen eines Konzerns und die wirtschaftliche Einflussmöglichkeit der Konzernmutter bestreiten und dazu die amtswegige Ermittlung ausländischen Rechts einfordern, sind sie auf ihre schon erwähnte Behauptungslast zu verweisen, unter die auch fiel, entscheidungswesentliches Sachverhaltsvorbringen dahin zu erstatten, dass die Konzernspitze aus faktischen und eben auch aus rechtlichen Gründen keinen wirtschaftlichen Einfluss auf die Tochter- oder Enkelgesellschaften ausüben könne. Im Übrigen ist der Schluss des Berufungsgerichts, dass auch nach ausländischem Gesellschaftsrecht ein 100 %- Gesellschafter das „wirtschaftliche Sagen" hat, völlig unbedenklich. Gegenteiliges führen die Revisionswerber konkret auch nicht ins Treffen und es ist ihnen nur neuerlich vorzuhalten, dass sie im Verfahren erster Instanz ihr Begehren ausschließlich auf die Änderung der Gesellschafterverhältnisse in der beklagten Mietergesellschaft gestützt haben. Auch wenn hier für die einzelnen Konzerngesellschaften das grundsätzlich nach dem Personalstatut maßgebliche internationale Gesellschaftsrecht entgegen § 3 IPRG nicht erforscht wurde, liegt darin infolge fehlender Bestreitung der von der beklagten Partei behaupteten Einflussmöglichkeiten der Konzernmutter weder ein Verfahrensmangel noch ein Rechtsirrtum. Die Vorinstanzen durften vielmehr wegen des fehlenden Parteivorbringens der Revisionswerber von einem zugestandenen Sachverhalt (§ 267 Abs 1 ZPO) ausgehen, weil es bei der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse iSd § 12a Abs 3 MRG nicht nur auf die rechtlichen, sondern auch auf die faktischen Machtverhältnisse ankommt, also auf dem Beweisverfahren unterliegende Tatsachen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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