Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei die mit je EUR 366,43 (darin enthalten jeweils EUR 61,07 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagten sind Mit- und Wohnungseigentümer eines Hauses, in dem diverse Gebäudeteile durch einen in der Nacht vom 1. auf den 2. 6. 2002 aufgetretenen Leitungswasserschaden beschädigt wurden. In der Wohnung der beklagten Wohnungseigentümer waren im Vorraum der Fertigparkettboden sowie die Deckenmalerei und im Bad/WC die Paneeldecken betroffen. Der gesamte Sanierungsaufwand (Bodenlege-, Tischler-, Maler-, Innenausbau-, Sofortsanierungs- und Reinigungsarbeiten) beträgt EUR 3.954,97 brutto. Trocknungsarbeiten sind ebenso wenig erforderlich wie die Verbringung der Möbel in ein Zwischenlager. Die Erneuerung des Fußbodens im Vorraum wäre mit der Anbringung einer - bei geschlossener Türe weitgehend nicht sichtbaren - Abdeckleiste zur Küche verbunden; eine optische Beeinträchtigung durch eine derartige Leiste steht nicht fest.
Die Nebenintervenientin leistete aufgrund dieses Schadensfalles EUR 4.000 an die klagende Eigentümergemeinschaft, welche den Betrag mit den Betriebskosten - Akontozahlungen (der Beklagten) - gegenverrechnete.
Es steht nicht fest, dass bei Bildung der Rücklage unter dem Titel „Reparaturfonds" überhöhte Beträge eingehoben wurden. Die klagende Eigentümergemeinschaft begehrt Betriebskosten-Akontovorschreibungen von insgesamt EUR 4.339,25.
Die Beklagten wenden folgende Forderungen kompensando ein:
1. Den veranschlagten restlichen Sanierungsaufwand nach Abzug der Versicherungsleistung.
2. Eine Überzahlung von EUR 2.304,30 aufgrund der Einhebung überhöhter (anteiliger) Beiträge zum Reparaturfonds. Zu Punkt 1. verwiesen sie darauf, dass die Versicherungsleistung nicht den gesamten Schaden abdecke. Der aus optischen und praktischen Gründen in Vorraum und Küche durchgehend verlegte Parkettboden müsse zur Gänze erneuert werden, was die Demontage auch der Küchenmöbel einschließlich Auslagerung sämtlicher Möbel sowie Tapeten- und Malerarbeiten auch in der Küche erfordere. Die professionelle Reinigung der gesamten Wohnung nach der Schadensbehebung würde EUR
1.620 kosten; bei Beauftragung eines Unternehmens mit der Durchführung von Sofortmaßnahmen in der Schadensnacht wären Kosten von EUR 720 bis EUR 840 entstanden. Die festgesetzten Beträge von EUR 115 (Sofortsanierungsarbeiten) und EUR 110 (Reinigungsarbeiten) seien bei weitem zu gering.
Das Erstgericht stellte ausgehend von dem eingangs zusammengefasst dargestellten Sachverhalt die Klagsforderung als zu Recht, die Gegenforderungen hingegen als nicht zu Recht bestehend fest, gab dem Klagebegehren statt und verwies in der rechtlichen Beurteilung insbesondere auf die Versicherungsleistung, welche die berechtigte Schadenersatzforderung zur Gänze gedeckt hätte.
Das von den Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Jeder Wohnungseigentümer sei ungeachtet einer fehlenden Aufschlüsselung der Vorschreibung oder der Anwendung eines unrichtigen Aufteilungsschlüssels verpflichtet, die im Rahmen der Liegenschaftsverwaltung vorgeschriebenen Akonto-Zahlungen zu leisten. Der Zweck des Wohnungseigentumsvertrages verlange einen schlüssigen Verzicht der Wohnungseigentümer, mit eigenen, sich unmittelbar aus der nicht ordnungsgemäßen Rechnungslegung ergebenden und daher konnexen Forderungen gegen die Akontovorschreibungen aufzurechnen. Das Argument eines Vorranges der Gemeinschaftsinteressen versage aber, wenn ein Wohnungseigentümer eigene, versehentlich geleistete Überzahlungen in den Rücklagenfonds mit zukünftigen Beitragsforderungen der Gemeinschaft zur Rücklage verrechnen wolle. In einem solchen Fall gehe es nicht um die Vermeidung von Liquiditätsproblemen der Gemeinschaft, sondern um die gesetzlich geforderte, gleiche Belastung der Wohnungseigentümer (5 Ob 135/04w). Im vorliegenden Fall sei aber von einem schlüssigen Aufrechnungsverzicht auszugehen, weil die Rückforderung im Zusammenhang mit der Abrechnung der Verwaltung stehe. Der schlüssige Aufrechnungsverzicht gelte genauso für die Aufrechnung mit den fiktiven Sanierungskosten im Zusammenhang mit dem Wasserschaden. Den beklagten Wohnungseigentümer stehe lediglich frei, ihren Anspruch auf Behebung ernster Schäden des Hauses gemäß § 30 Abs 1 Z 1 WEG durchzusetzen.
Aufgrund dieser Rechtsansicht behandelte das Berufungsgericht die Mängel/Beweisrüge, die sich mit der Höhe des angemessenen Sanierungsaufwandes befasste, nicht. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung zulässig sei. Den Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht mit fehlender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage, ob ein schlüssiger Verzicht der Wohnungseigentümer hinsichtlich dieser fiktiven Aufwendungen anzunehmen sei.
Die Beklagten beantragen in ihrer Revision die Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die klagende Partei und die Nebenintervenientin beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision nicht Folge zu geben; die klagende Partei beantragt zusätzlich die Zurückweisung der Revision als unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
I: Zur Gegenforderung wegen überhöhter Beitragsleistungen zum Reparaturfonds:
Die ständige Judikatur nimmt in Übereinstimmung mit der Lehre einen schlüssigen Verzicht der Wohnungseigentümer auf Aufrechnung mit eigenen - sich unmittelbar aus der nicht ordnungsgemäßen Rechnungslegung ergebenden, konnexen Forderungen gegen Akontovorschreibungen zur Abdeckung der in § 20 Abs 2 WEG genannten Ausgaben an (RIS-Justiz RS0083521 [T 1]; RS0109647; wobl 1999, 135/62 [zust Call]; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht § 32 WEG Rz 62; vgl Würth/Zingher/Kovanyi Mietrecht21 § 32 WEG Rz 17). Begründet wird dies mit zu befürchtenden Liquiditätsengpässen der Wohnungseigentümergemeinschaft, wenn man derartige Aufrechnungen mit in der Regel nicht unstrittigen und daher oft erst in einem Prozess zu klärenden Forderungen zuließe. Dieses Argument eines Vorranges der Gemeinschaftinteressen sah der Oberste Gerichtshof in der bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 5 Ob 135/04w = RIS-Justiz RS0119211 als auf die Rücklagenbildung nicht ohne weiteres übertragbar. Bei der Rücklagenbildung stehe die Herstellung der vom Gesetz geforderten gleichen (anteiligen) Belastung der Wohnungseigentümer bei der finanziellen Vorsorge zur Deckung des Instandhaltungsaufwandes im Vordergrund. Einem Wohnungseigentümer, der überproportionale und damit dem Gleichbehandlungsgrundsatz wiedersprechende Beitragsleistungen zur Rücklage behaupte, könne eine Aufrechnung mit dem Argument eines schlüssigen Aufrechnungsverzichtes nicht generell versagt werden; eine so weitreichende Verzichtserklärung sei nämlich nicht zu unterstellen.
Anders als in dem eben zitierten Fall berufen sich die beklagten Wohnungseigentümer nicht auf eine ungleiche Behandlung im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern durch überhöhte Beiträge ausschließlich zu ihren Lasten; sie behaupten vielmehr generell die Vorschreibung überhöhter Beträge an sämtliche Miet- und Wohnungseigentümer und leiten daraus ihren anteiligen Rückzahlungsanspruch ab. Bei einer dem Gleichheitsgebot entsprechenden und daher anteiligen Belastung der Wohnungseigentümer mit Beiträgen zur Rücklage (mögen diese auch von einzelnen Wohnungseigentümern als unangemessen hoch empfunden werden) greift aber wieder das Argument eines schlüssigen Verzichtes.
II: Zur Gegenforderung wegen des restlichen Sanierungsaufwandes:
Jeder Mit- und Wohnungseigentümer hat iSd §§ 28 Abs 1 Z 1, 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 grundsätzlich einen Anspruch auf die Behebung ernster Schäden des Hauses in seinem Wohnungseigentumsobjekt. Die Behebung derartiger Schäden gilt als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung und ist demnach letztlich von der Gemeinschaft zu tragen und zu finanzieren. Im Sinn einer funktionalen Abgrenzung ist die Schwere des Schadens maßgeblich und nicht der Ort des Schadenseintrittes (H. Löcker in Hausmann/Vonkilch aaO § 28 Rz 29f; wobl 1999, 317/149 [Call]; vgl T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch aaO § 3 MRG Rz 1 und 4).
Schwere Feuchtigkeitsschäden als Folge ausgetretenen Leitungswassers
stellen einen ernsten Schaden des Hauses dar. Werden im Zuge der
Behebung solcher Schäden Arbeiten in den einzelnen
Wohnungseigentumsobjekten notwendig, so gehören auch diese Maßnahmen
zur Behebung eines ernsten Schadens; die damit verbundenen Kosten
sind von der Gemeinschaft zu tragen (5 Ob 65/88 = MietSlg 41.468; 5
Ob 219/98m; 5 Ob 289/03s = immolex 2004/160; 5 Ob 83/06a = immolex
2006/106 [Prader]; H. Löcker aaO; vgl Würth in Rummel ABGB³ § 3 MRG Rz 3).
Den beklagten Wohnungseigentümern steht daher grundsätzlich ein im außerstreitigen Verfahren gegen die übrigen Miteigentümer durchzusetzender Anspruch zu, dass die zur Beseitigung der im Wohnungseigentumsobjekt aufgetretenen Schäden notwendigen Arbeiten binnen einer angemessenen Frist durchgeführt werden (§ 30 Abs 1 Z 1 iVm § 52 Abs 1 Z 3 WEG 2002). Dabei handelt es sich jedenfalls nicht um einen Zahlungsanspruch. Auf einen solchen, aus den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 1035 f ABGB) oder aus § 1042 ABGB abzuleitenden Zahlungsanspruch können sich die Beklagten deshalb nicht berufen, weil sie ausschließlich einen fiktiven Sanierungsaufwand geltend machen, wie sich aus den Ausführungen der Berufung (ON 34), insbesondere dem Hinweis auf die eingeholten Angebote und Kostenvoranschläge, eindeutig ergibt. Eine Zahlungsverpflichtung der Eigentümergemeinschaft zur Bevorschussung der vom Wohnungseigentümer geplanten Sanierungsmaßnahmen findet im Gesetz aber keine Deckung.
Der in der Revision ausschließlich aus § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 abgeleitete Anspruch der Beklagten auf Behebung ernster Schäden im Wohnungseigentumsobjekt kann schon mangels Gleichartigkeit iSd § 1440 ABGB nicht Gegenstand einer Aufrechnung gegen Forderungen der Eigentümergemeinschaft aus Akonto-Vorschreibungen sein. Befürchtungen, die Interessen des einzelnen Mit- und Wohnungseigentümers auf möglichst rasche Behebung der in seinem Objekt eingetretenen ernsten Schäden würden bei diesem Ergebnis nicht ausreichend gewahrt, ist mit folgenden Argumenten zu entgegen:
§ 30 Abs 3 Satz 2 WEG 2002 gewährt dem einzelnen Wohnungseigentümer das Recht, bei Gefahr im Verzug auch ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer oder des Verwalters auf Kosten der Gemeinschaft die zur Abwehr bzw Vermeidung der Vergrößerung von Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen. Damit wird dem Einzelnen unabhängig von einer Entscheidung über einen Antrag nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 eine unmittelbare Durchsetzung seines Individualrechtes gewährt (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch aaO § 30 WEG Rz 57 f). Lässt der Wohnungseigentümer in dringenden Fällen (wie etwa der Unbrauchbarkeit seines Wohnungseigentumsobjektes als Folge von Feuchtigkeitsschäden) eine Sanierung durchführen, steht ihm gegenüber der Gemeinschaft ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen zu. Ob dieser Ersatzanspruch als solcher nach § 837 Satz 3 ABGB zu qualifizieren ist (Vonkilch aaO Rz 59; Feistenberger/Barta/Call § 15 WEG 1975 RN 26) und demnach dem handelnden Wohnungseigentümer Aufwandersatz nach § 1014 ABGB einräumt (Gamerith in Rummel ABGB³ § 837 Rz 13) oder seine Grundlage in den §§ 1036, 1037 ABGB findet (Palten, Wohnungseigentumsrecht² Rz 116; Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht21 § 30 WEG Rz 15), wäre für die Frage der Aufrechenbarkeit grundsätzlich irrelevant. Das Problem der Aufrechenbarkeit mit einem Aufwandersatzanspruch stellt sich aber hier nicht, weil den Forderungen der beklagten Wohnungseigentümern eben nur fiktive Sanierungskosten zugrunde liegen.
Die Kostenentscheidung des Revisionsverfahrens gründet sich auf die § 41, 50 Abs 1 ZPO.
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