OGH 2Ob88/05p

OGH2Ob88/05p8.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. Nowotny und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef M*****, vertreten durch Dr. Stephan Messner, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Hosp, Hegen Rechtsanwaltspartnerschaft in Salzburg, wegen EUR 11.870,44 (Revisionsinteresse EUR 11.637,66 sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2005, GZ 3 R 241/04p-13, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 6. Oktober 2004, GZ 31 Cg 73/03f-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen vierzehn Tagen die mit EUR 749,70 (darin enthalten EUR 124,95 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte transportierte über Auftrag des Klägers 200 auf Euro-Paletten verpackte Nachtkästchen vom Betrieb des Klägers nach Klosterneuburg. Beim Eintreffen der Ware wurden an dieser zahlreiche sichtbare Beschädigungen festgestellt.

Der Kläger begehrt von der Beklagten als Frachtführerin Schadenersatz im Betrag von (zuletzt) EUR 11.870,44 sA.

Die Beklagte bestritt und wandte insbesondere ein, dass nicht die Verladung, sondern die unsachgemäße Verpackung durch den Kläger schadensursächlich gewesen sei. Die Beklagte sei daher gemäß Art 17 Abs 4 lit b CMR von der Haftung befreit. Für den Fall eines Verladefehlers oder einer Verletzung der Aufklärungspflicht werde vorsichtshalber eine Schadensteilung nach Art 17 Abs 5 CMR eingewendet. Ferner wendete die Beklagte Frachtkosten von EUR 397,84 aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge und erkannte die eingewandte Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend. Nach Art 17 Abs 1 CMR hafte die Beklagte für die Beschädigung der Nachtkästchen. Sie seien vom Fahrer nicht ordnungsgemäß verladen worden und schließlich sei ohne Wissen des Klägers eine Umladung erfolgt, wodurch die Ware in der Folge beschädigt beim Empfänger eingetroffen sei. Von einem die Beklagte gemäß Art 17 Abs 4 lit b CMR von der Haftung befreienden Verpackungsmangel könne nicht gesprochen werden. Bei den vom Kläger verwendeten Euro-Paletten handle es sich um eine äußerst stabile Verpackungsart und die festgestellte Verpackung sei insgesamt als beförderungstauglich zu qualifizieren. Im Übrigen sei der Frachtführer nach Art 8 Abs 1 CMR verpflichtet, bei der Übernahme den äußeren Zustand des Gutes sowie seine Verpackung zu überprüfen. Stelle er dabei fest, dass das Gut mangelhaft verpackt und zu besorgen sei, dass während des Transports eine Gefährdung des Gutes entstehen könne, müsse er den Absender informieren und dort Weisungen einholen. Der Einwand der Schadensteilung nach Art 17 Abs 5 CMR gehe ins Leere, weil es Voraussetzung für die Schadensteilung sei, dass der Frachtführer für einzelne Schadensursachen aufgrund des Art 17 Abs 2 oder 4 CMR nicht hafte. Da der Tatbestand des Art 17 Abs 4 lit b CMR nicht erfüllt sei und von der Beklagten weitere Haftungsausschlussgründe nicht geltend gemacht worden seien, gelange Abs 5 nicht zur Anwendung. Die Gegenforderung für Frachtkosten sei aufgrund der nichtgehörigen Erfüllung des Beförderungsvertrages abzuweisen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab, in dem es die compensando eingewendete Gegenforderung mit dem Teilbetrag von EUR 232,74 als zu Recht bestehend erkannte. Die Haftungsbefreiung nach Art 17 Abs 4 lit c CMR richte sich ausschließlich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Es sei allein maßgeblich, wer die Verlade- und Verstauungsoperationen tatsächlich durchgeführt habe. Hätten Leute des einen und Personal des anderen Teils zusammengewirkt, sei die Operation als von jenem Teil vorgenommen anzusehen, der persönlich oder durch seine Leute die Oberaufsicht innegehabt habe. Nach dem vorliegenden Sachverhalt sei die Verladung der auf Paletten verpackten Nachtkästchen durch den von der Beklagten bestellten Fahrer erfolgt, der jedenfalls unzweifelhaft die Oberaufsicht gehabt habe. Ein Haftungsausschluss zugunsten der Beklagten i.S.d. Art. 17 Abs. 4 lit c CMR scheide daher aus. Was den Haftungsausschlusstatbestand des Art 17 Abs 4 lit b CMR betreffe, so fehle ein konkretes Vorbringen der Beklagten in erster Instanz, worin der geltend gemachte Verpackungsmangel liege. Im Übrigen aber könne sich die Beklagte unter Berücksichtigung des festgestellten Geschehens bei der Verladung ohnehin nicht auf die fraglichen Verpackungsmängel berufen. Der Beklagten sei daher auch die Berufung auf den Haftungsausschlussgrund des Art 17 Abs 4 lit b CMR zu versagen. Der Beklagten gebühre aber gemäß Art 23 Abs 4 CMR der anteilige Frachtkostenanteil für jenen Teil der Ware, der durch den Transport nicht beschädigt worden sei.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vom Berufungsgericht für zulässig erklärte ordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision möge mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen, hilfsweise ihr keine Folge gegeben werden.

Die Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin argumentiert, dass gemäß SZ 50/43 eine Schadensteilung nach Art 17 Abs 5 CMR nur bei Vorsatz des Frachtführers ausgeschlossen sei. Ein solcher Vorsatz des Frachtführers sei im gegenständlichen Verfahren allerdings nicht festgestellt worden. Dennoch habe das Berufungsgericht ausgesprochen, dass Art 17 Abs 5 CMR nicht zur Anwendung gelangen könne. Das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz stehe damit im Hinblick auf die Frage, ob sich der Frachtführer auf die Haftungsausschlussgründe des Art 17 Abs 4 CMR berufen könne und ob es zu einer Schadensteilung nach Art 17 Abs 5 CMR kommen könne, im Widerspruch zur Judikatur des Obersten Gerichtshofes.

Dem ist entgegenzuhalten, dass bei Vorsatz des Frachtführers eine Berufung auf jegliche Haftungsbefreiung schon gemäß Art 29 Z 1 CMR ausscheidet.

Der von der Revisionswerberin herangezogenen Entscheidung ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung weiters zu entnehmen, dass die Beweislastverteilung bei den Ausschlussgründen ergibt, dass dann, wenn der Frachtführer dargelegt hat, dass nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles der Schaden aus der im Art 17 Abs 4 lit c CMR bezeichneten besonderen Gefahr entstehen konnte, nach Art 18 Z 2 CMR vermutet wird, dass er tatsächlich daraus entstanden ist. Für die Kausalität zwischen einem Umstand iSd Art 17 Abs 4 und dem Güterschaden genügt die Darlegung ihrer Möglichkeit. Es ist daher in diesem Fall nicht der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit des Kausalverlaufs erforderlich, auch nicht dass die besondere Gefahr als Schadensursache nicht außer aller Wahrscheinlichkeit liegt, wohl aber ein substantiierter Sachvortrag zur Möglichkeit der Kausalität (Helm, Frachtrecht II, CMR², Art 17 CMR, Rz 109). Nun hat aber bereits das Berufungsgericht - zutreffend - ausgeführt, dass ein konkretes Vorbringen der Beklagten in erster Instanz, worin der geltend gemachte Verpackungsmangel liege, fehle. Es wurde lediglich allgemein behauptet, die Nachtkästchen seien nicht transportgerecht verpackt worden, bzw war die Rede von unsachgemäßer sowie nicht ausreichender Verpackung.

Im vorliegenden Fall fehlt es somit an einer substantiierten Darlegung der Möglichkeit der Kausalität zwischen dem Vorliegen des Haftungsausschlusstatbestandes des Art 17 Abs 4 lit b CMR und dem Schaden.

Die Vermutung gemäß Art 18 Abs 2 CMR, dass der Schaden aus einer der in Art 17 Abs 4 bezeichneten besonderen Gefahren entstehen konnte, bedarf einer substantiierten Darlegung der Möglichkeit der Kausalität (7 Ob 1019/95); dies ist hier nicht geschehen.

Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage der Abgrenzung der Unzulässigkeit einer Berufung auf den Haftungsausschlussgrund des Art 17 Abs 4 lit b CMR zum Einwand nach Art 17 Abs 5 CMR stellt sich daher aufgrund der alleinigen Verantwortlichkeit der Beklagten nicht. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Berufung der Beklagten auf den Haftungsausschlusstatbestand des Art 17 Abs 4 lit b schon wegen der mangelnden Darlegung der Möglichkeit der Kausalität eines angeblichen Verpackungsmangels für den eingetretenen Schaden versagt.

Ob die - vom Berufungsgericht angenommene - Übernahme der Verantwortung für Verpackungsmängel durch die Beklagte vorgelegen ist, kann daher dahinstehen.

Aufgrund des oben aufgezeigten fehlenden substantiierten Sachvortrages der Beklagten im Zusammenhang mit behaupteten Verpackungsmängeln scheidet auch der von der Beklagten in ihrer Revision geltend gemachte sekundäre Feststellungsmangel, wonach es das Berufungsgericht unterlassen habe, sich ausreichend mit der Frage zu beschäftigen und Feststellungen zu treffen, ob ein Verpackungsmangel vorgelegen sei, aus. Ebenso liegt keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat im Ergebnis rechtsrichtig die Berufung des Beklagten auf den Haftungsausschlusstatbestand des Art 17 Abs 4 lit b CMR verneint. Diese Entscheidung stimmt mit der oben dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes überein. Die Abgrenzung zum Einwand nach Art 17 Abs 5 CMR ist (wie ebenfalls oben dargestellt) im vorliegenden Fall nicht relevant.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war daher die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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