OGH 13Os134/06i

OGH13Os134/06i24.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Schwab, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Shah Mohammed N***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 und Abs 5 SMG sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 26. September 2006, GZ 35 Hv 37/06w-183, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Shah Mohammed N***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 und Abs 5 SMG (A./) sowie des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 und Abs 5 SMG als Bestimmungs- bzw Beitragstäter nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB (B./) schuldig erkannt (richtig: das Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 und Abs 5 SMG, § 12 zweiter und dritter Fall StGB sowie das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 und Abs 5 SMG, § 12 erster, zweiter und dritter Fall StGB). Danach hat er zwischen Frühjahr bzw Frühsommer 2004 und Anfang Februar 2005 in Reith im Alpachtal und an anderen Orten A./ den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), nämlich eine ziffernmäßig insgesamt nicht mehr feststellbare, „jedenfalls aber vielfach große Menge an qualitativ äußerst hochwertigem Kokain jedenfalls im Kilogrammbereich", durch gewerbsmäßigen Verkauf an die abgesondert verfolgten Zoran A*****, Sasa A*****, Admir T*****, Miodrag J*****, Leona J*****, Darlington U*****, Predrag S*****, Nikola D***** und weitere namentlich nicht bekannte Personen im Verlaufe von zahlreichen, zeitlich knapp aufeinander folgenden Übergaben in Verkehr gesetzt, wobei er die Taten mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das 25-fache der im § 28 Abs 6 SMG angeführten Menge ausmachte und er in einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher strafbarer Handlungen führend tätig gewesen ist;

B./ zu den Taten nachangeführter Personen, welche den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge aus- und einführten sowie gewerbsmäßig in Verkehr setzten, beigetragen bzw diese dazu bestimmt, wobei er gewerbsmäßig handelte, die Taten mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das 25-fache der im § 28 Abs 6 SMG angeführten Menge ausmachte sowie in einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher strafbarer Handlungen führend tätig war, und zwar:

1./ zur Tat des abgesondert verfolgten Maximilian W*****, welcher um den 15. Oktober 2004 herum den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge, nämlich cirka 400 g qualitativ gutes Kokain, von Heerlan in den Niederlanden aus- und über die BRD auf dem Luftweg nach Malta einführte und dort durch Übergabe an einen namentlich nicht bekannten Abnehmer in Verkehr setzte, dadurch beigetragen bzw diesen dazu bestimmt, dass er ihm einen Bargeldbetrag in Höhe von cirka 35.000 Euro bis 40.000 Euro mit dem Auftrag übergab, damit nach Heerlan zu fahren, das Geld an einen „Youssuf" zu übergeben, das von „Youssuf" dafür übernommene Kokain vorerst nach Deutschland, konkret nach Aachen bzw weiter nach Düsseldorf zu bringen, sodann mit diesem Suchtgift per Flugzeug nach Malta zu fliegen und dort das Suchtgift an einen Unbekannten zu übergeben; 2./ in der zweiten Novemberhälfte 2004 zu den Taten der abgesondert verfolgten Adrian P***** sowie Izabela und Danut C*****, welche im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer übergroßen Menge, nämlich 500 g Heroin, von Istanbul über Rumänien, Ungarn und Slowenien nach Italien schmuggelten und dort an einen bislang noch nicht namentlich identifizierten „Babu" in Verkehr setzten, dadurch, dass er den P***** mit der Übernahme und dem Transport des Suchtgiftes beauftragte, die Übergabe des Suchtgiftes in Istanbul an P***** sowie die Weitergabe des Suchtgiftes an „Babu" in Italien organisierte;

3./ im Dezember 2004 zu den Taten der in Italien abgesondert verfolgten Izabela C***** und Danut C*****, welche den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer übergroßen Menge, nämlich 1 kg Heroin, von Istanbul nach Bukarest und von dort weiter per Flugzeug nach Rom schmuggelten, dadurch, dass er dem ebenfalls abgesondert verfolgten Adrian P***** den Auftrag erteilte, das Suchtgift gemeinsam mit den erwähnten Kurieren von Istanbul nach Bukarest zu schmuggeln, dort Flugtickets für die Kuriere zu besorgen und diese dann samt Suchtgift nach Rom zu schicken, weiters dadurch, dass er ständigen Kontakt zum Heroinlieferanten „Omar" in Istanbul und zum mutmaßlichen Heroinempfänger „Babu" in Rom unterhielt und mit diesen die Übergaben bzw geplanten Übergaben organisierte und absprach;

4./ zur Tat des abgesondert verfolgten Maximilian W*****, welcher um den 11. Jänner 2005 den bestehenden Vorschriften zuwider 180 g hochwertiges Kokain von den Niederlanden aus- und über die BRD nach Österreich einführte, indem er ihm das zum Erwerb des Suchtgiftes erforderliche Bargeld (cirka 4.700 Euro) übergab, ihn aufforderte, damit nach Amsterdam zu fahren, bei einem Schwarzafrikaner namens „John C*****" etwa 36 Kapseln á 5 g Kokain zu übernehmen, diese zu schlucken und dermaßen nach Reith im Alpachtal zu schmuggeln; 5./ zur Tat des abgesondert verfolgten Maximilian W*****, welcher um den 28. Jänner 2005 den bestehenden Vorschriften zuwider 180 g hochwertiges Kokain von den Niederlanden aus- und über die BRD nach Österreich einführte, indem er ihm das zum Erwerb des Suchtgiftes erforderliche Bargeld (wiederum ca 4.700 Euro) übergab, ihn aufforderte, damit nach Amsterdam zu fahren, bei einem Schwarzafrikaner namens „John C*****" etwa 36 Kapseln á 5 g Kokain zu übernehmen, diese zu schlucken und dermaßen nach Reith im Alpachtal zu schmuggeln;

6./ zur Tat des abgesondert verfolgten Maximilian W*****, welcher um den 9. Februar 2005 den bestehenden Vorschriften zuwider 234,2 g hochwertiges Kokain (reine Kokainbase 160 g) von den Niederlanden aus- und über die BRD nach Österreich einführte, indem er ihm das zum Erwerb des Suchtgiftes erforderliche Bargeld (cirka 7.600 Euro) übergab, ihn aufforderte, damit nach Amsterdam zu fahren, bei einem Schwarzafrikaner namens „John C*****" etwa 50 Kapseln á 5 g Kokain zu übernehmen, diese zu schlucken und dermaßen nach Reith im Alpachtal zu schmuggeln.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Verteidiger des Shah Mohammed N*****, gestützt auf § 345 Abs 1 Z 4, 6, 10a und 12 StPO, ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Die bereits vor Urteilszustellung vom Angeklagten selbst eingebrachten, als Rechtsmittelausführungen zu qualifizierenden Schriftsätze waren unbeachtlich, weil das Gesetz nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde vorsieht und bei mehreren Beschwerdeschriften jener des Verteidigers der Vorzug zu geben ist (vgl Ratz, WK-StPO, § 285 Rz 7; RIS-Justiz RS0100175). Unter § 345 Abs 1 Z 4 StPO rügt der Beschwerdeführer eine unzureichende Individualisierung der Taten, weil die Mehrzahl der im Beweisverfahren vernommenen Zeugen eine führende Rolle des Angeklagten bei den inkriminierten Suchtgiften nicht bestätigt habe. Damit wird aber lediglich die Beweiswürdigung bekämpft, ohne einen iSd § 260 Abs 1 Z 1 StPO fehlerhaften Urteilsspruch aufzuzeigen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen sind die Taten selbst ohne namentliche Bezeichnung der Mitglieder der kriminellen Verbindung iSd § 28 Abs 5 SMG gemäß § 260 Abs 1 Z 1 StPO schon mit Blick auf die im Tenor dargestellte Involvierung von jedenfalls zwanzig Personen in die jeweils über den Rechtsmittelwerber laufenden Suchtgiftgeschäfte ausreichend verwechslungsfrei individualisiert, womit eine nochmalige Verfolgung des Angeklagten wegen derselben Taten während der im Spruch angegebenen Zeit ausgeschlossen ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 268; 11 Os 90/05b; 13 Os 126/02).

Der Fragenrüge (Z 6) zuwider stand es den entsprechend instruierten (vgl S 1 und 14 der Rechtsbelehrung in Beilage ./1 zu ON 182 sowie S 33/VII) Geschworenen schon nach § 330 Abs 2 StPO offen, die in den Hauptfragen enthaltene Qualifikation nach § 28 Abs 5 SMG zu streichen. Weshalb durch Unterbleiben von Eventualfragen in Richtung von nicht iSd § 28 Abs 5 SMG qualifizierten Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG eine in §§ 312 - 317 StPO enthaltene Vorschrift verletzt worden sein soll, wird in der Beschwerde nicht dargetan (vgl im Übrigen § 317 Abs 2 StPO).

Die Tatsachenrüge (Z 10a) wendet sich ausschließlich gegen die von den Geschworenen angenommene führende Tätigkeit des Shah Mohammed N***** in einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung der in § 28 Abs 2 SMG genannten strafbaren Handlungen, indem sie die eine solche Führungsposition leugnende Verantwortung des Angeklagten in den Vordergrund rückt, ohne auf die sonstigen Beweisergebnisse (insbesondere die Ergebnisse der Telefonüberwachung und die Belege über umfangreiche Geldtransaktionen des Angeklagten) Bedacht zu nehmen. Warum die jeweilige Zug-um-Zug-Abwicklung der Drogengeschäfte dieser von den Laienrichtern angenommenen führenden Rolle des Nichtigkeitswerbers iSd § 28 Abs 5 SMG entgegenstehen sollte, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Mit der Behauptung, es gebe keine Zeugenaussage, welche eine solche führende Tätigkeit des Beschwerdeführers bestätigen könnte, übergeht die Rüge schon die im Rechtsmittel selbst dargestellten Angaben des Zeugen Maximilian W*****. Weshalb 30.000 Euro in Stückelungen auch von 100 und 200 Euro-Scheinen nicht - wie vom Zeugen W***** geschildert - in Turnschuhen versteckt werden könnten, lässt die bloß eine fehlende Nachvollziehbarkeit postulierende Kritik gleichfalls offen. Solcherart vermag die Tatsachenrüge keine erheblichen Bedenken gegen ihre Richtigkeit der dem Wahrspruch der Geschworenen zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Die Subsumtionsrüge (Z 12) bekämpft die im Wahrspruch 1./ getroffene Tatsachenannahme, dass es sich bei dem von Shah Mohammed N***** in Verkehr gesetzten Kokain um qualitativ äußerst hochwertiges Kokain gehandelt habe. Damit stellt das Rechtsmittel nur die Beweiswürdigung der Geschworenen in Frage, ohne einen Fehler in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes aufzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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