OGH 10Ob71/06y

OGH10Ob71/06y5.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Julian R*****, geboren am 7. Oktober 1996, *****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch, Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs des Vaters Mag. Guido L*****, vertreten durch Dr. Markus Tesar, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. September 2006, GZ 43 R 459/06b-U30, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 19. Juni 2006, GZ 2 P 232/04z-U24, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von EUR 491,-- ab 1. 1. 1995 für seinen am 7. 10. 1996 geborenen Sohn. Es ging von einem monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von EUR 3.132,51 (inklusive Sonderzahlungen) aus und berechnete den „Prozentanspruch" des Sohnes mit rund EUR 564,-- (18 %). In Bezug auf die Heranziehung der Familienbeihilfe zur steuerlichen Entlastung des Unterhaltsschuldners ging es rechnerisch von einem jährlichen Gesamtunterhalt von EUR 6.768,-- (= EUR 564,-- x 12) aus, der zur Gänze aus jenem Einkommensteil des Unterhaltspflichtigen abzudecken sei, der nach der Steuerreform 2005 einem Steuersatz von 43,6 % unterliege. Nach der Judikatur sei die Entlastung nicht mit dem vollen Grenzsteuersatz, sondern mit 80 % desselben, somit mit 34,88 % vorzunehmen. Darüber hinaus genüge es, wenn die Hälfte des Einkommens, mit dem Unterhalt geleistet werden müsse, steuerfrei gestellt werde, hier also mit EUR 3.384,--. 34,88 % davon machten EUR 1.180,33 aus. Von dieser jährlich herbeizuführenden Entlastung sei der Unterhaltsabsetzbetrag (EUR 306,-- pro Jahr) abzuziehen, sodass sich die durch die Familienbeihilfe abzudeckende steuerliche Entlastung mit jährlich EUR 874,33 oder monatlich EUR 72,86 errechne. Ziehe man diesen Betrag von dem nach der Prozentsatzmethode ermittelten Unterhaltsbeitrag (EUR 564,--) ab, so ergebe sich ein Betrag von gerundet EUR 491,-- monatlich, der unter Berücksichtigung sämtlicher Kriterien des § 140 ABGB angemessen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge, und zwar dahin, dass es in den Entscheidungsspruch auch eine Anrechnung der vom Vater im Zeitraum Jänner 2005 bis Ende April 2006 erbrachte Unterhaltsleistung von EUR 6.655,69 aufnahm. Betreffend die Argumentation des Vaters, bei einem errechneten 18 %igen Unterhaltsbeitrag sei noch keine Anrechnung der Familienbeihilfe erfolgt, weshalb der Unterhalt in unrichtiger Weise (zu hoch) ermittelt worden sei, führte das Rekursgericht aus, dass bei dem vom Vater in der Zeit ab 1. 1. 2005 bezogenen steuerpflichtigen Jahreseinkommen von EUR 40.019,33 der Durchschnittssteuersatz rund 30,68 % betrage. Entsprechend der bis 31. 12. 2004 gegebenen Rechtslage sei der Durchschnittssteuersatz linear um 20 % zu kürzen, demnach im vorliegenden Fall auf gerundet 24,54 %, um die steuerliche Reduktion der Einkommensteuerbemessungsgrundlage durch die jeweils zur Anwendung gelangenden Absetzbeträge pauschal zu berücksichtigen und dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Geldunterhaltspflichtiger typischerweise auch - gegenüber dem herangezogenen Steuersatz - steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte beziehe und auch diese begünstigten Einkünfte für die Unterhaltszahlungen verwenden könne.

Der heranzuziehende reduzierte Steuersatz von 24,54 % führe zwar bei Anwendung der Methode, dass der halbe nach den Prozentkomponenten ermittelte Unterhaltsbeitrag mit diesem reduzierten Steuersatz zu multiplizieren, durch 100 zu dividieren und schließlich um den Unterhaltsabsetzbetrag von monatlich EUR 25,50 zu vermindern sei, zu einer Reduktion; diese erreiche allerdings keinen solchen Betrag, dass der vom Erstgericht zugesprochene Unterhaltsbeitrag von monatlich EUR 491,-- nicht darin gedeckt wäre.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil im Hinblick auf die mit 1. 1. 2005 in Kraft getretene Einkommensteuerreformgesetz nach wie vor offen bleibe, ob bzw inwieweit die in Bezug auf Unterhaltsperioden vor dem 1. 1. 2005 regelmäßig vorgenommene Absenkung der Grenzsteuersätze um etwa 20 % weiterhin vorgenommen werden könne, nunmehr bezogen auf die Durchschnittssteuersätze. Die bislang einzige Entscheidung 10 Ob 7/06m habe die aufgezeigte Rechtsfrage nicht gelöst, weil der dort rekurrierende Vater durch die in der angefochtenen Rekursentscheidung nicht vorgenommene Reduktion des Steuersatzes nicht belastet sein habe können.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters aus den Revisionsrekursgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im antragsabweisenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Der Minderjährige beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs des Vaters als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Das maßgebliche Revisionsrekursvorbringen des Vaters lässt sich dahin zusammenfassen, dass nach dem Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes 2005 der konkrete Durchschnittssteuersatz zu ermitteln und dann linear um 20 % zu kürzen sei, um die steuerrechtliche Reduktion der Einkommensteuerbemessungsgrundlage durch die jeweils zur Anwendung gelangenden Absetzbeträge pauschal zu berücksichtigen. Beim Ansatz von 20 % handle es sich um eine Durchschnittsbetrachtung, von der die Praxis im Einzelfall grundsätzlich ausgehen dürfe. Das Rekursgericht habe in seiner Entscheidung zwei unterschiedliche Rechtsmeinungen angeführt, nämlich dass der konkrete Durchschnittssteuersatz zu ermitteln und anschließend die lineare Kürzung durchzuführen sei (Mair, RZ 2006, 166) oder dass eine weitere Absenkung nicht mehr geboten sei (Neuhauser in Schwimann, ABGB3 § 140 Rz 55). Für den Rechtsanwender sei die derzeitige Judikatur kompliziert, da steuerrechtliche Normen im Unterhaltsrecht Eingang gefunden hätten und laufende Novellen im Steuerrecht die Unterhaltsbemessung nicht einfacher machten. Für den betroffenen Unterhaltspflichtigen seien die Berechnungsmethoden und die juristischen Diskussionen nicht nachvollziehbar und schlichtweg unverständlich. Da es das Rekursgericht unterlassen habe, die Höhe der Reduktion festzuhalten und insbesondere einen konkreten Betrag anzuführen, sei die Rekursentscheidung mangelhaft, weil nicht überprüfbar. Im Übrigen wird im Revisionsrekurs die vom Erstgericht mit EUR 3.132,51 angenommene Unterhaltsbemessungsgrundlage bekämpft. Mit anderen Worten geht der Vater davon aus, dass die (ihn belastende) Reduktion des maßgeblichen Durchschnittssteuersatzes um 20 %, wie sie die Vorinstanzen vorgenommen haben, richtig ist. Er macht also gar nicht die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage (zu seinem Nachteil) geltend, wie von § 62 Abs 1 AußStrG und von § 502 Abs 1 ZPO gefordert (vgl 6 Ob 251/98z = EvBl 1999/131), sondern verweist auf die schwere Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethoden. Da der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, theoretisch zu einer Rechtsfrage, deren Lösung durch die zweite Instanz vom Rechtsmittelwerber gar nicht bestritten wird, Stellung zu nehmen, ist auf diese Frage nicht weiter einzugehen. Daran hat auch die Reform des Außerstreitverfahrens durch das AußStrG BGBl I 2003/111 nichts geändert (10 Ob 48/06s = RIS-Justiz RS0102059 [T8]; Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 502 ZPO Rz 12).

Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, der Vater habe in seiner im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Äußerung die im Antrag mit EUR 3.132,51 monatlich angegebene Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht bestritten, weshalb seine im Rekurs enthaltenen Einwendungen zu diesem Punkt präkludiert seien (§ 17 AußStrG), liegt im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (9 Ob 36/06v; RIS-Justiz RS0006897 [T5] und [T6]).

Soweit nicht eine mündliche Verhandlung zwingend vorgeschrieben ist (was in Kindesunterhaltssachen nicht der Fall ist), stellt es § 18 AußStrG dem Gericht frei, eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung anzuordnen. Die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren erster Instanz wäre vom Rekurgericht nur über entsprechende Rüge aufzugreifen gewesen; eine solche ist im Rekurs des Vaters aber nicht enthalten. Die ständige Rechtsprechung, dass angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen die zweite Instanz verneinte, nicht mehr erfolgreich mit Revisionsrekurs geltend gemacht werden können (3 Ob 208/06v; RIS-Justiz RS0050037), gilt umso mehr für den Fall, dass - wie hier - ein behaupteter Mangel des Verfahrens erster Instanz im Rekurs gar nicht gerügt wurde (10 Ob 223/00t zu § 15 Z 2 AußStrG aF; RIS-Justiz RS0030748 [T3]).

Der Revisionsrekurs des Vaters ist demnach mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen

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