Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Seyed S***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (B) schuldig erkannt.
Danach hat er am 3. August 2005 in Wien
A. außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich der am 2. Dezember 1995 geborenen Caroline H*****, vorgenommen, indem er sie an der Scheide mit kreisförmigen Bewegungen massierte sowie sie beim Duschen einseifte und sie dabei mit der bloßen Hand an ihrer Scheide massiv berührte;
B. durch die unter A. genannte Tat mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, „um sich geschlechtlich zu erregen", indem er als Tennislehrer an der seiner Ausbildung und Aufsicht unterstellten Caroline H***** die genannten Sexualhandlungen durchführte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert die Abweisung (S 173 ff) der in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge (S 135 iVm ./A zu ON 19). Die Vernehmung der Zeuginnen DI Ljudmila J***** und Zilpa P***** wurde zum Beweis dafür beantragt, dass in ihrer fallweisen Anwesenheit der Angeklagte die minderjährige Caroline H***** weder zur Begrüßung noch bei der Verabschiedung noch bei der Abholung aus der Wohnung ihrer Eltern auf den Mund küsste und dass daher deren Aussage, sie sei vom Angeklagten immer auf den Mund geküsst worden, unrichtig sei.
Für den Schuldspruch stellt dieser Umstand keine entscheidende Tatsache dar. Da die als Zeuginnen namhaft Gemachten das Zusammentreffen zwischen dem Angeklagten und dem Mädchen schon nach dem Antragsvorbringen nur „fallweise" beobachten konnten, ist die zu erweisende Tatsache überdies für die Beweiswürdigung nicht erheblich, weil die angefochtene Entscheidung nicht davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer Caroline H***** bei jedem Zusammentreffen auf den Mund geküsst hat (US 7). Soweit die Rüge mit den diesbezüglichen Ausführungen auf einen Begründungsmangel (Z 5) abzielt, ist ihr zu entgegnen, dass das Erstgericht mit den Regeln logischen Denkens sowie grundlegenden Erfahrungswerten entsprechender (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444) Begründung dargelegt hat, aus welchen Gründen es trotz insoweit von den Urteilsannahmen abweichender Angaben der Zeugin von deren uneingeschränkter Glaubwürdigkeit ausgegangen ist (US 7 f).
Für die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB ist der Umstand, dass der Täter die Tat begeht, um sich geschlechtlich zu erregen, nur dann von Bedeutung, wenn er eine minderjährige Person, die seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht untersteht, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen. Da vorliegend aber der Beschwerdeführer die geschlechtliche Handlung an seinem Opfer ausgeführt hat, ist es nicht wesentlich, ob sein Penis zum Tatzeitpunkt zufolge sexueller Erregung erigiert war. Der Antrag auf Einholung einer medizinischen Expertise zum Beweis dafür, dass der Penis des Angeklagten so klein sei, dass er auch im nicht erregtem Zustand „wegstehe", wurde daher - weil hier keine entscheidende Tatsache betreffend - vom Schöffengericht ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen.
Entgegen der Mängelrüge (Z 5) ließen die Tatrichter ihre Überzeugung von der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen Caroline und Maria H***** nicht unbegründet, sondern stützten diese auf den bei Vorführung der Videoaufzeichnung über die kontradiktorische Vernehmung (Caroline H*****) und in der Hauptverhandlung unmittelbar (Maria H*****) gewonnen persönlichen Eindruck (US 5 zweiter Absatz). Kein Widerspruch besteht zwischen den Begründungselementen, der Minderjährigen sei es schwer gefallen, das Erlebte zu verbalisieren, und der Tatsache, dass bei ihr keine Beeinträchtigung der Aussagefähigkeit und Aussagetüchtigkeit vorliege (US 5). Während nämlich letzteres die objektiven Umstände betrifft, ob sie in der Lage ist, Wahrnehmungen zu machen, sich diese zu merken und sich daran zu erinnern sowie darüber (richtig) zu berichten (vgl Gutachten - S 123), bezieht sich ersteres darauf, wann und unter welchen Bedingungen es für eine betroffene Person möglich ist, ein traumatisches Erlebnis für andere wahrnehmbar auszudrücken. Mit den näheren Umständen des Zustandekommens der Aussage von Caroline H***** vor der Polizei hat sich das Erstgericht ausführlich auseinandergesetzt (US 5). Dass aus den hiezu vorliegenden Beweisergebnissen auch andere Schlüsse möglich wären, betrifft das Beweiswürdigungsermessen des Gerichtes. Ein Begründungsfehler ist daraus nicht ableitbar (Fabrizy StPO9 § 281 Rz 46). Nicht aktenwidrig ist die Begründung, Caroline H***** habe erst nach Befragen durch ihre Mutter über die Berührungen ihrer Scheide reden können; findet sich doch die entsprechende Aussage der Maria H***** - entgegen der Beschwerde - tatsächlich auf S 165 zweiter Absatz. Diesbezüglich haben sich die Tatrichter auch mit einer möglichen Beeinflussung bei der Befragung auseinandergesetzt und aus dem Beweisverfahren Schlüsse gezogen, welche weder den Denkgesetzen noch grundlegenden Erfahrungswerten widersprechen (US 6). Ein Begründungsmangel liegt daher nicht vor.
Auch die Tatsachenrüge (Z 5a) versagt. Sie wiederholt im Wesentlichen die Argumente der Mängelrüge und versucht damit die Glaubwürdigkeit (was an sich schon unbeachtlich ist - Ratz, WK-StPO § 281 Rz 491 5. Anstrich; jüngst 11 Os 91/06a uva) der Caroline H***** in Frage zu stellen. Da sie dabei den inneren Zusammenhang der Beweismittel (vgl § 258 Abs 2 StPO) übergeht, ergeben sich aus diesem Vorbringen auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen. Soweit eine mangelhafte Erörterung des Sachverständigengutachtens und das Unterlassen einer „allfälligen Ergänzung" gerügt wird, stellt die Beschwerde nicht dar, dass der Angeklagte oder sein Verteidiger gehindert waren, entsprechende (weitere) Fragen an die in der Hauptverhandlung vernommene Expertin (S 169 ff) oder entsprechende Anträge zu stellen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bemängelt das Fehlen weiterer Feststellungen zur Berührung der Scheide des Mädchens, weil eine bloß flüchtige Berührung nicht ausgeschlossen werden könne. Sie lässt die Konstatierungen außer Acht, wonach der Nichtigkeitswerber das Mädchen „an der Scheide mit kreisförmigen Bewegungen massierte" (US 2 und 4) und er beim Duschen dessen Scheide mit der Hand „massiv" berührte (US 2).
Zum Schuldspruch B vermisst der Beschwerdeführer Feststellungen über das Ausnützen seiner Stellung als Ausbildungs- und Aufsichtsperson. Er missachtet dabei die - von ihm nur teilweise zitierten - Urteilsannahmen, wonach er seine Autoritätsstellung dem Mädchen gegenüber ausnützen wollte, um geschlechtliche Handlungen an ihr vornehmen zu können (US 4 letzter Absatz).
Da die Rechtsrüge somit nicht vom gesamten festgestellten Sachverhalt ausgeht, entzieht sie sich einer Erledigung gemäß §§ 285c Abs 2, 286 ff StPO.
Die Strafzumessungsrüge (Z 11 zweiter Fall) wendet sich gegen die generalpräventiv ausgerichtete Begründung des Erstgerichtes der Verweigerung gänzlicher bedingter Strafnachsicht mit einer „großen Dunkelziffer bei Sexualdelikten" (US 10). Dass es eine solche gibt, kann aus dem angezogenen Nichtigkeitsgrund jedoch nicht bekämpft werden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 680, 693).
Die Generalprävention ist ein maßgebliches Kriterium bei Beurteilung, ob eine bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht gewährt werden kann, weil nach § 43 Abs 1 StGB ua darauf Bedacht zu nehmen ist, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Das Einbeziehen einer deliktsspezifischen Dunkelziffer im Rahmen der Erwägungen der Tatrichter über die Generalprävention begründet sohin keinen Rechtsfehler in der Strafbemessung.
Ob aber generalpräventiven Aspekten das richtige Gewicht zugemessen wurde, ist als Ermessensfrage im Rahmen der Berufung zu klären. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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