OGH 12Os90/06m

OGH12Os90/06m19.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2006 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Denk als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hans Werner S***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 31. Mai 2006, GZ 407 Hv 2/06p-46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Hans Werner S***** des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 26. Dezember 2005 in Wien versucht, Eva R***** zu töten, indem er unter der Androhung, er werde sie umbringen, mit einem Küchenmesser von ca 15 cm Länge auf ihren Hals und Körper einstach, wodurch das Opfer eine ca 1,5 cm lange und 3,5 cm tiefe Schnittwunde auf der linken Halsseite über dem Kopfwendermuskel sowie eine 5 mm lange Schnittwunde am linken Daumen und kleinere Schnittwunden im Bauch- und Genitalbereich erlitt.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform gestellte Hauptfrage A (fortlaufende Zahl 1 des Fragenschemas) nach versuchtem Mord gemäß §§ 15, 75 StGB bejaht. Die Zusatzfrage 1 (fortlaufende Zahl 4), ob der Angeklagte zur Zeit der Verübung der in der Hauptfrage A bezeichneten Tat wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung oder einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, nämlich wegen voller Berauschung, unfähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder dieser Einsicht nach zu handeln, verneinten sie. Eventualfragen nach jeweils versuchtem Totschlag, absichtlich schwerer Körperverletzung und schwerer Körperverletzung, diesbezügliche Zusatzfragen in Richtung Zurechnungsunfähigkeit gemäß § 11 StGB sowie weitere Eventualfragen nach der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung hinsichtlich aller Tötungs- und Verletzungsvarianten blieben folgerichtig unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 345 Abs 1 Z 6, 8, 9, 12 und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) behauptet der Beschwerdeführer, weil bei Formulierung der Hauptfrage seiner eine wissentliche bzw absichtliche Tötung in Abrede stellenden Verantwortung nicht Rechnung getragen und den Geschworenen nicht die Möglichkeit eingeräumt worden sei, das Vorliegen des Tatvorsatzes zu verneinen.

Angesichts der von ihm selbst zitierten Bestimmung des § 7 Abs 1 StGB - wonach, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, nur vorsätzliches Handeln strafbar ist - legt er nicht juristisch methodengerecht abgeleitet dar, aus welchem Grund das legal subintellegierte Vorsatzmerkmal entgegen § 312 Abs 1 StPO, der vorschreibt, dass Hauptfragen alle (objektiven und subjektiven) gesetzlichen Merkmale der Tat enthalten müssen, im vorliegenden Fall in die Frage aufgenommen oder gar dazu eine gesonderte Frage gestellt hätte werden müssen. Darüber hinaus begründet er nicht, warum die - im Übrigen hiezu richtig belehrten (vgl Blatt 2 ff, 9 ff der keine durchlaufende Seitenbezeichnung aufweisenden Rechtsbelehrung) - Geschworenen nicht die Möglichkeit gehabt hätten, die Hauptfrage A zu verneinen, wenn sie der Ansicht gewesen wären, der Angeklagte hätte nicht vorsätzlich gehandelt.

Soweit der Rechtsmittelwerber moniert, es sei „keine Zusatzfrage in Richtung des § 8 StGB iVm § 3 Abs 2 StGB per analogiam (Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt im Zusammenhang mit Notwehrexzess)" gestellt worden, weil nicht auszuschließen sei, dass er aufgrund seiner durch Alkohol- und Tablettenkonsum beeinträchtigten Zurechnungsfähigkeit und eingeengten Wahrnehmungsfähigkeit irrtümlich von einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff der Eva R***** auf sein Leben bzw auf seine Freiheit ausgegangen wäre, gegen den er sich zur Wehr setzte, unterlässt er es - zumal bloß abstrakt denkbare Varianten und Mutmaßungen keine Grundlage für Zusatz- oder Eventualfragen bieten - im Beweisverfahren hervorgekommene Umstände, welche seiner Ansicht nach die Annahme derartiger Tatsachen in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken, konkret zu bezeichnen.

Im Übrigen schloss er selbst das Vorliegen einer Notwehrsituation ausdrücklich aus (ON 39) und bestätigte, sich nicht bedroht gefühlt zu haben (S 375/I).

Der die Eventualfrage nach Totschlag (fortlaufende Zahl 1a) betreffende Vorwurf einer unzureichenden Rechtsbelehrung (Z 8) orientiert sich nicht an deren Gesamtheit (12 Os 70/05v), weil er den ausdrücklichen Hinweis auf die - bei einer längere Zeit andauernden Gemütsbewegung gegebene - Möglichkeit des zeitlichen Auseinanderklaffens von Entschluss und Ausführung der Tat auf Blatt 17 der schriftlichen Rechtsbelehrung außer Acht lässt.

Der Einwand, diese nehme auf die fallbezogen zu beurteilende Frage, „inwieweit die subjektive Tatseite des Angeklagten die Tathandlung tatsächlich umfasst hat", nicht Bezug, übergeht den Umstand, dass es nach dem Gesetz nicht Aufgabe der schriftlichen Rechtsbelehrung, sondern der vom Vorsitzenden mit den Geschworenen gemäß § 323 Abs 2 StPO abzuhaltenden, einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogenen Besprechung ist, bei Erörterung der einzelnen Fragen die darin aufgenommenen Gesetzesmerkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt zurückzuführen, die für die Beantwortung der Fragen entscheidenden Tatsachen hervorzuheben und insoweit auch auf die Ergebnisse der Hauptverhandlung hinzuweisen.

Da die schriftliche Instruktion nur insoweit angefochten werden kann, als sie Fragen betrifft, die den Geschworenen tatsächlich gestellt wurden (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 63; jüngst 13 Os 20/06z, EvBl 2006/116, 610), entzieht sich auch der Einwand der Beschwerde, es fehle eine Belehrung zum Vorliegen eines Putativnotwehrexzesses, meritorischer Erwiderung.

Die Behauptung, aus der Rechtsbelehrung werde das Zusammenspiel der vom Schwurgerichtshof gestellten Fragen nicht hinlänglich deutlich, blieb völlig unsubstanziiert und bezeichnet daher den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund weder deutlich noch bestimmt. Im Übrigen finden sich auf Blatt 36 der schriftlichen Instruktion entsprechende Ausführungen.

Die aus Z 9 aufgestellte Behauptung, die Geschworenen hätten die Hauptfrage nach versuchtem Mord bejaht und die Eventualfrage nach versuchtem Totschlag verneint, vernachlässigt, dass die nach letzterem Verbrechen gerichtete Eventualfrage 1a nach Bejahung der Hauptfrage zutreffend gar nicht beantwortet wurde.

Im Übrigen verkennt der Beschwerdeführer, dass dieser Nichtigkeitsgrund (Z 9) ausschließlich aus dem - hier aber vollkommen eindeutigen - Wahrspruch selbst und nicht aus anderen Umständen oder hypothetischen Erwägungen, wie vorliegend zu einem Putativnotwehrexzess, abgeleitet werden kann.

Die eine Unterstellung der versuchten Tötung der Eva R***** unter § 76 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 12) geht nicht von der im Wahrspruch getroffenen Konstatierung einer vorsätzlichen Tötung aus, zu der sich der Beschwerdeführer nicht in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hat hinreißen lassen.

Die Strafzumessungsrüge (Z 13) ist bloß ein Berufungsvorbringen, weil sie sich gegen die Bewertung der Alkoholisierung des Angeklagten als Erschwerungsgrund wendet und das Vorliegen unberücksichtigt gebliebener Milderungsgründe behauptet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufungen der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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