OGH 9Ob88/06s

OGH9Ob88/06s27.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hubert P***** sen, ***** , Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Denzel & Dr. Peter Patterer, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei Hubert P***** jun, *****, Unternehmer, *****, vertreten durch Dr. Elmar Ther, Rechtsanwalt in Villach, wegen Aufhebung eines Vertrags (Streitwert EUR 150.000), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. Mai 2006, GZ 5 R 28/06m-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 5. Dezember 2005, GZ 20 Cg 64/05x-16, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen seinen Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 und Abs 2 ZPO mit der Begründung zu, dass eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei der Anfechtung eines Übergabevertrags auf den Todesfall durch einen der beiden Übergeber eine notwendige Streitgenossenschaft auf der Aktivseite bestehe. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an die diesbezügliche Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO). Die Zurückweisung des Rekurses kann sich bei Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

Unstrittig ist, dass der Kläger und seine Ehegattin (= Eltern des Beklagten) dem Beklagten am 17. 3. 1993 zwei ihnen je zur Hälfte gehörige Liegenschaften auf den Todesfall übergaben; weiters übergab der Kläger dem Beklagten ein näher beschriebenes Unternehmen auf den Todesfall. Hierüber wurde zwischen den Genannten ein Notariatsakt mit verschiedenen vom Berufungsgericht näher dargestellten Bedingungen errichtet. Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Aufhebung des Übergabevertrags zwischen ihm und dem Beklagten sowie die Einwilligung des Beklagten in die Einverleibung der Löschung der hinsichtlich beider Liegenschaften zugunsten des Beklagten einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbote; hilfsweise begehrt der Kläger wie im Hauptbegehren, jedoch mit dem Zusatz einer Zug-um-Zug-Zahlung des Betrags von EUR 50.000 an den Beklagten. Der Kläger stützt sich darauf, dass der Beklagte bereits außergerichtlich der Aufhebung des Vertrags zugestimmt habe. Im Übrigen macht er groben Undank des Beklagten als Übernehmer geltend (zB infolge Beschimpfungen und Tätlichkeiten gegen den Kläger). Soweit sich der Kläger auf eine bereits erfolgte einvernehmliche Aufhebung des Übergabevertrags zwischen den Streitteilen beruft, ist das auf gerichtliche Aufhebung des Vertrags gerichtete Gestaltungsbegehren (Pkt 1.) verfehlt, weil ein bereits außergerichtlich aufgehobener Vertrag vom Gericht nicht nochmals aufgehoben werden kann; möglicherweise meint der Kläger aber nur eine entsprechende Feststellung und hat sich bloß in der Formulierung des Urteilsbegehrens vergriffen. Hinsichtlich der begehrten Löschung der Veräußerungs- und Belastungsverbote zugunsten des Beklagten (Pkt 2.), die im Übergabevertrag getrennt hinsichtlich der jeweiligen Liegenschaftshälften eingeräumt wurden, fehlt ein näheres Vorbringen des Klägers. Nach der Formulierung des Urteilsbegehrens ist nicht ganz klar (arg "hinsichtlich des in EZ ... einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbots ..."), ob sich das Begehren nur auf die Liegenschaftshälften des Klägers bezieht, wie nach Pkt 1. des Urteilsbegehrens anzunehmen wäre, oder auch auf die entsprechenden Verbote zugunsten des Beklagten hinsichtlich der Liegenschaftshälften der Ehegattin des Klägers beziehen soll. Dies wird vom Erstgericht mit dem Kläger im fortgesetzten Verfahren zu erörtern sein, kann jedoch vorerst dahingestellt bleiben.

Das Erstgericht wies mit seinem Urteil das Klage- und das Eventualbegehren mit der Begründung ab, dass auf Seite der beiden Übergeber eine notwendige Streitgenossenschaft vorliege. Die Streitgenossen könnten daher nur gemeinsam die Aufhebung des Übergabevertrags begehren. Werde die Klage hingegen wie im vorliegenden Fall nur von einem Übergeber erhoben, dann sei sie abzuweisen. Das Berufungsgericht verneinte dem gegenüber über Berufung des Klägers das Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Bei ideellem Quoteneigentum an einer Liegenschaft könne jeder Liegenschaftsanteil ein anderes rechtliches Schicksal haben. Die erfolgreiche Klage auch nur eines der beiden Übergeber ziehe keine unlösbaren Verwicklungen nach sich. Der Kläger sei daher auch ohne Beteiligung der zweiten Übergeberin zur Klageführung berechtigt. Gemäß § 14 ZPO liegt - als Unterart der Streitgenossenschaft - eine einheitliche Streitpartei dann vor, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstreckt (vgl Fucik in Rechberger, ZPO² § 14 Rz 1 ua). Eine einheitliche Streitpartei ist dann gegeben, wenn die Gemeinschaftlichkeit der rechtserzeugenden Tatsachen zwangsläufig zu einer Einheitlichkeit der Entscheidung führen muss (8 Ob 574/77, SZ 51/4; RIS-Justiz RS0035496 ua). Die einheitliche Streitpartei ist aber nicht immer eine notwendige Streitgenossenschaft (vgl Schubert in Fasching/Konecny² II/1 § 14 Rz 1 ua), die ihrerseits wiederum eine Unterart der einheitlichen Streitpartei darstellt (5 Ob 579/88 ua). Die einheitliche Streitpartei ist dann eine notwendige Streitgenossenschaft, wenn die Klage von oder gegen alle Rechtsgenossen gemeinsam eingebracht werden muss. Dies kann sich aus dem Gesetz ergeben (vgl zB § 110 KO, der ausdrücklich anordnet, dass die Klage gegen alle Bestreitenden zu richten ist) oder dann angenommen werden, wenn bei Nichterfassung aller Teilhaber „die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen" zu besorgen wäre (Schubert aaO § 14 Rz 1 f; Fucik aaO § 14 Rz 1; 8 Ob 574/77, SZ 51/4; 2 Ob 526/95; 2 Ob 390/97k; RIS-Justiz RS0035479 ua). Der erste Anwendungsfall (Anordnung im Gesetz) spielt hier keine Rolle; es bleibt sohin nur der zweite Fall zu prüfen, ob allenfalls die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen besteht. Dies ist nach der Fassung des Urteilsbegehrens zu verneinen, das darauf gerichtet ist, den Übergabevertrag (nur) zwischen dem Kläger und dem Beklagten aufzuheben (bzw dessen außergerichtliche Aufhebung festzustellen). Die Ehegattin des Klägers (bzw Mutter des Beklagten) wird von diesem Urteilsbegehren nicht tangiert. Ob das Klagebegehren berechtigt ist und der zwischen drei Personen abgeschlossene Übergabevertrag teilweise, nämlich zwischen zwei Personen, aufgehoben werden kann, ist eine Frage des materiellen Rechts die im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein wird. Vom Rekurswerber wird nichts ausgeführt, was im Zusammenhang mit der Frage einer notwendigen Streitgenossenschaft eine erhebliche Rechtsfrage ergeben würde. Auf unzulässigerweise erstmals im Rekurs vorgebrachte Überlegungen kann nicht eingegangen werden (§ 504 Abs 2 ZPO).

Fehlendes Vorbringen kann nicht durch eine bloße Urkundenvorlage ersetzt werden (RIS-Justiz RS0017844 ua). Eine bereits vom Berufungsgericht verneinte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz kann im Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963 ua). Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Rekursbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. Die Rekursbeantwortung war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und ist demzufolge auch nicht zu honorieren (RIS-Justiz RS0035979 ua).

Stichworte