OGH 12Os84/06d

OGH12Os84/06d21.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Denk als Schriftführer, in der Strafsache gegen Maurice R***** und andere wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG iVm § 12 dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Daniela R***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 22. Mai 2006, GZ 12 Hv 68/06b-138, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich Daniela R***** im Schuldspruch A III 3 wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG, somit auch im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruches verwiesen.

Ihr fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch unbekämpfte Verurteilungen Mitangeklagter enthält - wurde Daniela R***** mehrfacher Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG als Beitragstäterin nach § 12 dritter Fall StGB (A II 4) sowie mehrfacher Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (A III 3) schuldig erkannt.

Danach hat sie

...

A.II.4. ab Mitte August 2005 bis 2. Dezember 2005 zu den Taten des Maurice R***** (der im angeführten Zeitraum den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in großen Mengen, nämlich 2.500 Ecstasytabletten und 10 g Kokain sowie 55 g Cannabiskraut [vgl Schuldspruch A.II.1. - US 4, 18, 19] an im Urteil namentlich genannte Personen durch Verkauf in Verkehr setzte) beigetragen, indem sie ihm teilweise das Verpackungsmaterial für das Abpacken des Suchtgiftes in kleinere Portionen kaufte, die Lagerung des Suchtgiftes in der gemeinsamen Ehewohnung ermöglichte, ihn zu mehreren Suchtgifteinkäufen und -verkäufen wie auch Bargeldübergaben chauffierte und insoferne auch einen psychischen Tatbeitrag leistete, als sie von Teilen der Einnahmen aus den Suchtgiftgeschäften des Maurice R***** ihren Lebensunterhalt aufbesserte, wobei Daniela R***** in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

A.III.

...

3. den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen, indem sie im Zeitraum Anfang April 2003 bis Ende September 2003 rund 60 Stück Ecstasytabletten, die sie von Maurice R***** unentgeltlich erhielt, konsumierte.

Die dagegen aus Z 5, 5a, 9 (lit b) und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt sie nämlich in ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit b) zum Schuldspruch A.III.3. auf, dass dem bekämpften Urteil die Feststellung von Umständen fehlt, die zu einer Verlängerung (§ 58 StGB) der an sich Ende September 2004 (vgl US 20) endenden Verjährungsfrist (§ 57 Abs 3 letzter Fall StGB) hätten führen können. Dieser Schuldspruchteil - und somit der gesamte Strafausspruch bei Daniela R***** - waren daher zu kassieren und die erforderliche Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285e StPO).

Sonst war der Nichtigkeitsbeschwerde jedoch der Erfolg zu versagen. Die Mängelrüge (Z 5) behauptet Unvollständigkeit zufolge Nichterörterung bestimmter Aussagen eines sachbearbeitenden Kriminalbeamten - zu Unrecht, weil davon lediglich nichtentscheidende Tatsachen betroffen waren: Der Beitragstäter zum Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG muss weder „sehr glücklich" über den oder „unbedingt einverstanden" mit dem unmittelbaren Täter sein noch diesen „animieren" oder von dessen Straftaten „konkret wissen". Mit den Ergebnissen der Telephonüberwachungen setzte sich das Erstgericht eingehend auseinander (US 27 f), ohne zur Erörterung der Meinung des genannten Zeugen dazu verhalten zu sein. Disloziert in der Beweiswürdigung und vom Rechtsmittelvorbringen (nominell Z 5 erster Fall, der Sache nach Z 10) übergangen ist dem Schöffenurteil (US 30) durch den Hinweis auf bei einem Mitangeklagten sichergestellte (ON 13) und chemisch untersuchte (ON 134) Ecstasytabletten - die zumindest 0,17 g pro Stück wogen und rund 29 % Reinsubstanz MDMA enthielten - gerade noch mit voller Bestimmtheit (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) - und unzweifelhafter Deutlichkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 418, 419) - das mehrfache Überschreiten der Grenzmenge des § 28 Abs 6 SMG (hier 30 g - vgl Anhang IV zur Suchtgiftgrenzmengenverordnung, 15. Substanz, abgedruckt in Foregger/Litzka/Matzka SMG IV D S 370) bei den von den Tathandlungen der Angeklagten umfassten gleichartigen Tabletten zu entnehmen. Solcherart gesehen (WK-StPO § 281 Rz 19) bedarf es auch nicht des von der Generalprokuratur angeregten Vorgehens nach § 290 Abs 1 StPO iVm § 281 Abs 1 Z 10 StPO zugunsten einiger Mitangeklagter. Soweit die Beschwerdeführerin aus Z 5 erster Fall (der Sache nach neuerlich Z 10) die tatrichterlichen Konstatierungen zur gewerbsmäßigen Absicht (US 21) als „vage" kritisiert und in der Subsumtionsrüge (Z 10) Feststellungen zur auf wiederkehrende Tathandlungen des unmittelbaren Täters gerichteten Absicht vermisst, bleibt sie ihrerseits die für die Darstellung eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen notwendige Ausführung schuldig, welche zusätzlichen Aspekte neben den aus dem angefochtenen Urteil ersichtlichen (dass es der Angeklagten nämlich darauf ankam, (auch) sich selbst durch die - wiederkehrende [US 19] - gewinnbringende Inverkehrsetzung von Suchtgiften in jeweils großen Mengen durch ihren Gatten - zu denen sie beitrug - ein fortlaufendes Einkommen zu erwirtschaften) zur Subsumtion noch erforderlich gewesen wären. Die Tatsachenrüge (Z 5a) schlägt fehl, weil sie sich inhaltlich nicht gegen die Feststellung einer entscheidenden Tatsache richtet, sondern unzulässig (WK-StPO § 281 Rz 491 fünfter Anstrich sowie 11 Os 11/05k, 12 Os 31/05h uva) und sohin unbeachtlich den persönlichen Eindruck der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit der Angeklagten (vgl US 25) angreift. Zur Abrundung sei bemerkt, dass in der Bezeichnung „Schauspiel" für das Verteidigerverhalten (US 25, vgl auch US 26 ff) kein Verstoß gegen das Höflichkeitsgebot des § 52 Geo erblickt werden kann. Die Verwertung der Aussagegestion einer Person während des gesamten gegen sie geführten Verfahrens in der Beweiswürdigung (hier US 26 f) ist ebenso wenig zu beanstanden, ergibt sich dies doch zwingend aus der fundamentalen Norm des § 258 Abs 2 StPO. Der Wiederholung des Vorbringens in der Mängelrüge zu bestimmten Aussagen eines sachbearbeitenden Kriminalbeamten genügt als Antwort der Hinweis auf die oben ersichtliche Replik dazu. Das Wesen der Tatsachenrüge verkennt die Beschwerdeführerin schließlich, wenn sie nicht an aktenkundige Beweismittel sondern an die Begründung des erstinstanzlichen Urteiles anzuknüpfen sucht (WK-StPO § 281 Rz 487; 11 Os 119/05t uva).

Im nicht berechtigten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher nach nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruches zu verweisen.

Die Kostentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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