OGH 8ObA61/06p

OGH8ObA61/06p21.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Mag. Andrea Komar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der Klägerin Alexandra E*****, vertreten durch Schneider & Schneider Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei A***** GmbH,***** vertreten durch Grießer Gerlach Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 35.894,92 EUR brutto sA (Revisionsinteresse 32.116,45 EUR brutto sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. April 2006, GZ 10 Ra 11/06w-35, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Beklagte bezweifelt in der ao Revision nicht mehr, dass das von der Klägerin am 30. 10. 2003 und neuerlich am 5. 11. 2003 unter detaillierter Aufschlüsselung geforderte Überstundenentgelt für in den Monaten April bis September 2003 geleistete Überstunden bis zur Austrittserklärung der Klägerin am 16. 12. 2003 unberichtigt aushaftete. Trotz einer am 5. 12. 2003 von der Klägerin bis 12. 12. 2003 gesetzten Nachfrist leistete die Beklagte keine Zahlung.

Rechtliche Beurteilung

Der Tatbestand des § 26 Z 2 AngG ist jedenfalls erfüllt, wenn der Arbeitgeber wusste oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, dass seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist (wbl 1993, 325; 8 ObA 74/97h; 9 ObA 169/02x uva).

Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, das Vorenthalten des Überstundenentgeltes habe auf einer unvertretbaren Rechtsauffassung der Beklagten beruht, ist unter Berücksichtigung der immer maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zumindest vertretbar: Im Verfahren berief sich die Beklagte - ebenso wie in ihrer Korrespondenz mit der Klägerin - darauf, dass die Klägerin keine Überstunden geleistet habe, die Beklagte Überstunden weder angeordnet noch genehmigt habe bzw die Überstunden betrieblich nicht erforderlich gewesen und überdies verfallen seien.

Diese Rechtsauffassung wurde vom Berufungsgericht als unhaltbar qualifiziert, weil der Beklagten bekannt gewesen sei, dass die Klägerin Überstunden habe leisten müssen, die Beklagte diese Überstunden angenommen habe und es der ständigen Rechtsprechung entspreche, dass der Arbeitgeber die Bezahlung geduldeter Überstunden nicht mit der Begründung verweigern könne, dass er sie nicht angeordnet habe. Inwiefern in dieser Beurteilung eine unvertretbare Rechtsansicht des Berufungsgerichtes liegen soll, zeigt die Revision nicht konkret auf.

Das Schwergewicht der Revision liegt vielmehr in der Behauptung, eine erhebliche Rechtsfrage liege darin begründet, dass das Berufungsgericht zu Unrecht von einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Klägerin ausgegangen sei: Das Berufungsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass das Dienstverhältnis der Klägerin ohnedies durch Selbstkündigung jedenfalls zum Jahresende (31. 12. 2003) beendet worden wäre, dass die Klägerin ab 16. 9. dienstfrei gestellt wurde, dass sie am Tag des vorzeitigen Austrittes am 16. 12. 2003 keine Arbeitspflicht mehr getroffen habe und dass während des Dienstverhältnisses sonst keine offenen Entgeltforderungen bestanden hätten.

Allerdings entspricht es der ständigen Rechtsprechung zum Entlassungsrecht des Dienstgebers, dass die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung weder von der Dauer der Kündigungsfrist (Arb 10.614; 8 ObA 12/02a) noch davon abhängt, wielange das Dienstverhältnis noch dauert (Arb 10.917).

Dass diese Rechtsprechung bei Beurteilung der Unzumutbarkeit der weiteren Fortsetzung des Dienstverhältnisses für den Arbeitnehmer nicht anzuwenden ist, behauptet die Revision gar nicht. Die Revision meint vielmehr ganz generell, dass dann, wenn das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers - wie hier - nur noch kurz gedauert hätte, eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zu diesem Endtermin bei Vorenthalten von Entgeltbestandteilen nicht gegeben sei. Dieser Auffassung schließt sich der Senat nicht an: Wollte man einer solchen Auffassung beipflichten, dann könnte ein noch so schwerwiegendes Verhalten eines Arbeitgebers einen vorzeitigen Austritt mangels Unzumutbarkeit der weiteren Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen. Ob ein bestimmtes Verhalten die Annahme der Unzumutbarkeit der weiteren Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im konkreten Fall rechtfertigt, ist somit von der Dauer der Kündigungsfrist bzw von der Zeitspanne, die im Einzelfall bis zum Ende der Vertragsdauer noch verstreichen müsste, unabhängig.

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