OGH 12Os86/06y

OGH12Os86/06y21.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Denk als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ralf L***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 27. März 2006, GZ 40 Hv 15/05x-68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ralf L***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 (A I) und nach § 201 Abs 2 und 3 erster Satz zweiter Fall StGB idF BGBl 1989/242 (A II) sowie der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 3 StGB (B), des Hausfriedenbruches nach § 109 Abs 3 Z 1 StGB (C) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (D) schuldig erkannt.

Danach hat er

A) nachangeführte Personen außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB aF

jeweils mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlung genötigt, und zwar

I. zwischen Ende Juni und Dezember 1991 in St. Margarethen Manuela A*****, indem er

1. sie zu Boden drückte, ihr die Kleidung vom Leibe riss, ihre Arme seitlich neben ihrem Kopf festhielt und mit seinem Glied in ihre Scheide eindrang,

2. im Zuge eines (zunächst) einverständlich durchgeführten Analverkehrs diesen mit Gewalt zu Ende führte, obgleich sie ihn mehrfach aufforderte, er solle damit aufhören, da sie Schmerzen habe, indem er sie im Hüftbereich festhielt und zu sich zog, sodass es ihr nicht gelang, sich dieser Handlung zu entziehen;

II. im April 1995 in Lochau die im achten Monat schwangere Claudia S*****,indem er sie zunächst mit der Aufforderung, sein Glied in den Mund zu nehmen, im Nacken erfasste und sodann ihren Kopf zu seinem Schoß drückte, im Anschluss daran mit ihr einen Analverkehr durchführte, ihr dann einen Besenstiel in ihren After einführte und im Anschluss daran sein kotverschmiertes Glied in ihren Mund steckte, wobei er sie jeweils festhielt, sie auf das Bett drückte und bis zum Samenerguss einen Geschlechtsverkehr vollzog, sodass Claudia S***** durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt und in besonderer Weise erniedrigt wurde;

B) zwischen 1995 und März 2000 in Bregenz und Lochau in mindestens

drei selbständigen Taten ohne begreiflichen Anlass und unter Anwendung erheblicher Gewalt - außer den bereits abgeurteilten Taten - Claudia S***** am Körper verletzt, indem er „wöchentlich" mit der flachen Hand, aber auch mit den Fäusten auf sie einschlug, auf sie eintrat „und/oder" sie würgte;

C) am 11. Oktober 1999 in Bregenz den Eintritt in die Wohnstätte des Thomas D***** mit Gewalt erzwungen, wobei er gegen diesen Gewalt zu üben beabsichtigte, indem er ihn nach Öffnen der Tür in die Wohnung zurückstieß und ihm dort sogleich zahlreiche Faustschläge versetzte und dabei mehrere Hämatome zufügte;

D) durch die zu C geschilderte Tat Thomas D***** vorsätzlich am

Körper verletzt.

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 4, „5a iVm 9 lit b" und „10 iVm 9 lit b" StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Verfahrensrüge (Z 4) die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Beischaffung des Aktes 8 C 415/05a des Bezirksgerichtes Bregenz moniert, scheitert sie bereits daran, dass bei Antragstellung kein Beweisthema angegeben wurde. Die in der Beschwerde angeführten Gründe können keine Berücksichtigung finden, weil bei Überprüfung des Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichtes über diesen auszugehen ist (vgl 12 Os 141/05k ua).

Der Antrag auf Vernehmung der Zeugin Evelyne C***** zum Beweis dafür, dass die Zeugin Claudia S***** bis zum Jahr 2004 (Beginn des Obsorgerechtsstreites) keine Erwähnung von der Vergewaltigung oder Körperverletzung machte, verfiel zurecht der Ablehnung, weil es weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage relevant ist, wann die Zeugin erstmals über die Vorfälle vom April 1995 gesprochen hat. Im Übrigen ist das Erstgericht ohnedies davon ausgegangen, dass Claudia S***** unmittelbar nach der Tat einer in der Nachbarschaft wohnenden Frau (US 33 f) und dann erst einem Beamten der Jugendwohlfahrtsbehörde anlässlich eines Pflegschaftsverfahrens (US 19 f) von den Vorfällen berichtet hat.

Auch die Tatsachenrüge (Z 5a) ist unbegründet.

Das Schöffengericht stützte den Schuldspruch A I auf die Angaben der Zeugin Manuela A*****, den Schuldspruch A II auf die Aussagen der Zeugen Claudia S***** sowie einer weiteren Zeugin, deren Namen über ihr Ersuchen wegen Befürchtung von Drohungen durch den Angeklagten geheimgehalten wurde, sowie auf den in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck der Zeuginnen (US 20). Zur Zeugin A***** verweist die Beschwerde auf mögliche Motive für eine falsche Belastung und darauf, dass sie gegenüber ihrem Psychotherapeuten zwar von gewalttätigen Männern und einer Vergewaltigung im Kindesalter, nicht aber von einer solchen durch den Angeklagten gesprochen habe.

Dieses Vorbringen ist rein spekulativ und nicht geeignet aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu erzeugen. Dasselbe gilt für die Einwände gegen die Würdigung der Aussagen von Claudia S***** und der erwähnten, in der Nachbarschaft wohnenden Zeugin, zu welcher sie nach der Tat nackt, nur mit einer Decke umhüllt geflüchtet war. Mit den Differenzen in deren Angaben bei der Polizei und vor Gericht hat sich der Schöffensenat - entgegen der Beschwerde - ohnedies auseinandergesetzt (US 18 f) und ihnen trotzdem, insbesondere aufgrund des persönlichen Eindrucks, Glauben geschenkt. Dieser kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist durch Nichtigkeitsbeschwerde nicht zu bekämpfen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 491).

Durch das isolierte Herausgreifen einzelner Teile der Aussage der Zeugin S***** versucht der Nichtigkeitswerber deren Angaben als insgesamt unglaubwürdig hinzustellen. Er übergeht dabei nicht nur die zur Überzeugung des Erstgerichtes führenden Gründe (US 17 bis 20), sondern vermag damit neuerlich keine Umstände aus den Akten aufzuzeigen, welche erhebliche Bedenken im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes bewirken könnten.

Die Subsumtionsrüge („Z 10 iVm Z 9 lit b") führt zunächst einige zu § 106 Abs 1 StGB ergangene ältere Entscheidungen an und bestreitet sodann - selbst bei Annahme einer Vergewaltigungshandlung des Angeklagten gegenüber der Zeugin S***** auf Grund des festgestellten Sachverhaltes - die Verwirklichung der Qualifikation des Abs 3 des § 201 StGB. Da sie darüber hinaus jegliche argumentative Auseinandersetzung mit Urteil und Gesetz unterlässt, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Gleiches gilt für die Einwände gegen den Schuldspruch C. Wenn der Beschwerdeführer nämlich behauptet, er habe die Wohnung ohne Widerstand betreten können, übergeht er die gegenteiligen Feststellungen, wonach er dem ihm entgegentretenden Thomas D***** Schläge versetzt und ihn von der Tür weggestoßen hat (US 12 f). Eine erfolgreiche Geltendmachung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert aber ein Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt und dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Recht.

Soweit die Rechtsmittelanträge über die inhaltliche Bekämpfung des Urteils hinausgehen, fehlt es an der deutlichen und bestimmten Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen oder jener Umstände, die solche bilden könnten.

Wenn schließlich beantragt wird, „nach § 288a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten" und damit der Sache nach der Nichtigkeitsgrund des § 281a StPO geltend gemacht wird, fehlt es an einer Darstellung jener Tatsachen, aus denen ableitbar wäre, dass das der Anklage Folge gebende Oberlandesgericht Innsbruck örtlich nicht zuständig gewesen sein sollte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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