OGH 11Os21/06g (11Os71/06k)

OGH11Os21/06g (11Os71/06k)19.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bussek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Julius M***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das (Unzuständigkeits-)Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 22. Dezember 2005, GZ 15 Hv 71/05k-50, sowie über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den in der genannten Strafsache ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 23. November 2005, AZ 10 Bs 408/05h (ON 45), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Weiss, und der Verteidigerin Mag. Pichler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache AZ 15 Hv 71/05k des Landesgerichtes Klagenfurt verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 23. November 2005, AZ 10 Bs 408/05h (ON 45), das Gesetz

1. durch die im Punkt 1 verfügte Zurückweisung der Anklageschrift in den Bestimmungen der §§ 211 bis 214 StPO und

2. in seiner Begründung, wonach ein Anklageaustausch nach Vertagung der Hauptverhandlung nicht zulässig sei, in der Bestimmung des § 227 Abs 2 StPO.

Der genannte Beschluss des Oberlandesgerichtes und das darauf beruhende Unzuständigkeitsurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 22. Dezember 2005, GZ 15 Hv 71/05k-50, werden aufgehoben und es wird dem Oberlandesgericht Graz die neuerliche Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift vom 13. Oktober 2005 aufgetragen. Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Im Verfahren AZ 15 Hv 71/05k (ehemals: 8 Ur 5/05g) des Landesgerichtes Klagenfurt brachte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt am 31. Jänner 2005 nach Vornahme gerichtlicher Vorerhebungen gegen Julius M***** eine Anklageschrift wegen des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und wegen des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB ein, wonach der Genannte in Grafenstein und anderen Orten in der Zeit von etwa 1984 bis Anfang 1991 mit seiner am 8. Dezember 1977 geborenen Nichte Michaela M***** wiederholt den außerehelichen Beischlaf unternommen und sie auch durch eine dieser Tathandlungen an einem nicht mehr feststellbaren Tag unter Ausnutzung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden Minderjährigen zur Unzucht missbraucht habe (ON 7).

Die über diese Anklageschrift am 15. Juli 2005 begonnene Hauptverhandlung wurde zur „Rückleitung des Aktes an den Untersuchungsrichter" zwecks Einholung eines medizinisch-psychiatrischen Gutachtens darüber vertagt, ob das psychische Zustandsbild der Michaela M***** allenfalls (Spät-)Folge der anklagegegenständlichen Missbrauchshandlungen sei (ON 13). Weil der Sachverständige Dr. F***** in seinem Gutachten bei Michaela M***** einen auf mehrmalige Missbrauchshandlungen und auf die Defloration zurückzuführenden psychischen Zustand einer posttraumatischen Erlebnis- und Belastungsstörung, eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung und länger als 24 Tage andauernde schwere körperliche und seelische Schmerzzustände diagnostizierte (ON 33), zog die Staatsanwaltschaft am 13. Oktober 2005 die Anklageschrift (ON 7) gemäß § 227 Abs 2 StPO im Austausch gegen eine gleichzeitig eingebrachte und an das Geschworenengericht beim Landesgericht Klagenfurt gegen Julius M***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (vgl aber 15 Os 26/06x) und wegen des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB gerichtete Anklageschrift zurück (AS 3 g verso iVm ON 35).

Gegen die neue Anklageschrift erhob der Angeklagte Einspruch mit der Begründung, dass die schwere Körperverletzung iSd § 206 Abs 3 StGB durch keine der isoliert zu betrachtenden Tathandlungen eingetreten sei, weshalb „das Oberlandesgericht gemäß § 212 StPO die Strafsache an das Schöffengericht verweisen wollte" (ON 38).

Mit Beschluss vom 23. November 2005, AZ 10 Bs 408/05h, wies das Oberlandesgericht Graz im Punkt 1 die Anklageschrift (vom 13. Oktober 2005) zurück und verwies den Angeklagten mit seinem Einspruch auf diese Entscheidung (ON 45). Nach Ansicht des Gerichtshofes zweiter Instanz sei ein Austausch der Anklageschrift nach Beginn der Hauptverhandlung gemäß § 227 Abs 2 StPO nicht zulässig, weshalb das Schöffengericht über den daher aufrechten Verfolgungsantrag der Staatsanwaltschaft vom 31. Jänner 2005 zu entscheiden hätte. Würde sich in der Hauptverhandlung aufgrund neu hervorgetretener Umstände die Zuständigkeit des Geschworenengerichtes ergeben, wäre zur Vermeidung eines Unzuständigkeitsurteiles nach § 261 Abs 1 StPO die Hauptverhandlung abzubrechen und die Strafsache an den Untersuchungsrichter zur Durchführung einer nach § 91 Abs 1 StPO gebotenen Voruntersuchung (echt) zurückzuleiten. Weiters merkte das Oberlandesgericht an, dass die beeinspruchte Anklageschrift selbst bei Zulässigkeit des Anklageaustausches im Hinblick auf das Fehlen der für das Geschworenenverfahren obligatorischen Voruntersuchung jedenfalls gemäß § 211 Abs 1 StPO vorläufig zurückzuweisen gewesen wäre. Zum Einspruchsvorbringen führte das Oberlandesgericht lediglich „der Vollständigkeit halber" noch aus, dass Kausalität hinsichtlich jedes Umstandes vorliege, der zum Erfolg beigetragen habe (S 301 f). In Entsprechung der Entscheidung des Oberlandesgerichtes führte das Landesgericht Klagenfurt als Schöffengericht am 22. Dezember 2005 eine Hauptverhandlung durch (ON 49), in der die Staatsanwaltschaft Punkt 1 der Anklageschrift vom 31. Jänner 2005 in Richtung § 206 Abs 3 erster Fall StGB modifizierte (AS 318). Mit Urteil vom 22. Dezember 2005 sprach das Landesgericht Klagenfurt als Schöffengericht sodann gemäß § 261 Abs 1 StPO seine Nichtzuständigkeit aus (ON 50). Gegen dieses Unzuständigkeitsurteil erhob Julius M***** eine (als „Berufung wegen Nichtigkeit" bezeichnete) Nichtigkeitsbeschwerde. Darin verweist er unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO darauf, dass die Anklageschrift vom 31. Jänner 2005 vom öffentlichen Ankläger am 13. Oktober 2005 zurückgezogen und die ausgetauschte (neue) Anklageschrift vom 13. Oktober 2005 mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 23. November 2005 zurückgewiesen worden ist. Es sei somit keine rechtskräftige Anklageschrift vorgelegen, weshalb das Erstgericht mit Freispruch hätte vorgehen müssen. Über dieses Rechtsmittel wurde noch nicht entschieden.

Die Zurückweisung der Anklageschrift wegen Unzulässigkeit eines Anklageaustausches nach Vertagung einer Hauptverhandlung wurde vom Oberlandesgericht Graz in seinem Beschluss vom 23. November 2005 wie folgt begründet:

„Nach § 227 Abs 2 StPO hat der Ankläger dann, wenn nach der Versetzung in den Anklagestand noch gerichtliche Erhebungen stattgefunden haben, das Recht, vor Beginn der Hauptverhandlung die von ihm eingebrachte Anklageschrift unter gleichzeitiger Einbringung einer neuen zurückzuziehen. Ohne die Voraussetzungen der zitierten Bestimmung steht es nicht im Ermessen des Staatsanwaltes, die Anklageschrift auszutauschen. Unter den 'gerichtlichen Erhebungen' sind nicht nur gerichtliche Vorerhebungs- oder Untersuchungshandlungen, sondern überhaupt gerichtliche Beweiserhebungen zu verstehen, durch die der Sachverhalt eine Änderung erfahren hat. Dazu gehören auch die Ergebnisse einer Hauptverhandlung, wenn das auf Grund dieser Hauptverhandlung gefällte Urteil vom Obersten Gerichtshof aufgehoben und die Sache an die erste Instanz zurückverwiesen worden ist. Dies auf Grund der Tatsache, dass das Verfahren sodann wieder in den Stand der Vorbereitung der Hauptverhandlung zurücktritt. Dies ergibt sich auch aus dem Zitat des § 227 im § 224 Abs 2 StPO (EvBl 1943/278, ÖR 413, KH 2695). Darüber hinausgehend hat der Oberste Gerichtshof (aus anderem Anlass, vgl EvBl 1964/177 = SSt 34/66) ausgesprochen, dass die Beschränkung der Anwendbarkeit des § 224 StPO auf den Fall, dass eine Hauptverhandlung überhaupt noch nicht stattgefunden hat, dem Sinn dieser Bestimmung im Zusammenhalt mit § 276a StPO widersprechen würde und verwies zur Begründung auf das Recht des Staatsanwaltes, von der Anklage auch vor fortgesetzter Hauptverhandlung zurückzutreten (§ 227 Abs 1 StPO). Der Umstand, dass der Rücktritt des Anklägers auch noch nach Beginn der Hauptverhandlung, aber außerhalb derselben möglich ist, hat seine Ursache nach Auffassung des Einspruchsgerichtes jedoch zum einen in Zweckmäßigkeitsgründen (Vermeidung einer weiteren Hauptverhandlung, in der nach Rücktritt von der Anklage mit Freispruch vorzugehen wäre) und zum anderen in der durch Zurückziehung der Anklage begründeten Faktizität, dass es an einem Verfolgungsantrag eines berechtigten Anklägers mangelt. Die Möglichkeit und Zulässigkeit des Austausches der Anklageschrift nach § 227 Abs 2 StPO kann nach jüngerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch nicht mehr auf die Auffassung gestützt werden, dass mit der Betrauung des Untersuchungsrichters die Strafsache in das Stadium der Ermittlungen, das hinsichtlich der Haftbefristung jenem der Voruntersuchung gleichzuhalten ist, zurückversetzt gilt (vgl SSt 56/65, 62/115), womit die Hauptverhandlung jedenfalls als beendet anzusehen wäre. Nach 15 Os 124/04 bewirkt vielmehr nur eine echte Rückleitung ein Wiederaufleben der Haftfristen der §§ 181 Abs 2 und 194 StPO, nicht aber ein bloßes Ersuchen an den Untersuchungsrichter iSd § 276 StPO, das in der Praxis als „Rückleitung" bezeichnet wird und im gegebenen Fall überdies eine Beweiserhebung betrifft, die problemlos auch durch das Schöffengericht durchgeführt hätte werden können. Es ist somit von der Unzulässigkeit des nach dem Beginn der Hauptverhandlung erfolgten Austausches der Anklageschrift auszugehen, weshalb jene vom 13. Oktober 2005 (ON 35) zurückzuweisen war. Demgemäß ist vom aufrechten Verfolgungsantrag der Staatsanwaltschaft Klagenfurt im Sinne der Anklageschrift vom 31. Jänner 2005 (ON 7) auszugehen, über den zu entscheiden weiterhin das Landesgericht Klagenfurt als Schöffengericht zuständig wäre (§ 219 StPO)."

Rechtliche Beurteilung

Die vom Oberlandesgericht Graz vertretene Rechtsansicht der Unzulässigkeit eines Anklageaustausches nach Vertagung einer Hauptverhandlung und die daraus gezogene Konsequenz der Zurückweisung der neuen Anklageschrift stehen - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde (§ 33 StPO) zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

1. Die Bestimmungen des § 227 StPO über das Recht des Anklägers, vor Beginn der Hauptverhandlung von der Anklage zurückzutreten (Abs 1) oder sie (nach Vornahme gerichtlicher Erhebungen) gegen eine andere auszutauschen (Abs 2) sind zwar im mit dem Titel „Von den Vorbereitungen zur Hauptverhandlung" überschriebenen XVII. Hauptstück der Strafprozessordnung enthalten, welches das Verfahren zwischen der rechtskräftigen Versetzung in den Anklagestand und dem Beginn der Hauptverhandlung regelt. Dennoch ist deren Anwendung nicht auf dieses (von der Praxis als „Zwischenverfahren" bezeichnete) Verfahrensstadium beschränkt. So lässt nicht nur die Judikatur einen Anklagerücktritt (§ 227 Abs 1 StPO) auch vor einer fortgesetzten Hauptverhandlung zu, sondern dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der in § 393a StPO ausdrücklich auch jenem Angeklagten einen Ersatzanspruch zuerkennt, dessen Strafverfahren nach Durchführung einer Hauptverhandlung gemäß § 227 StPO eingestellt worden ist.

Für eine unterschiedliche Auslegung des Bedeutungsgehaltes der (in beiden Absätzen des § 227 StPO enthaltenen) Wortfolge „vor Beginn der Hauptverhandlung" besteht kein Anlass, zumal Zweckmäßigkeitsgründe auch für die Zulässigkeit eines Anklageaustausches nach Vertagung der Hauptverhandlung (iSd § 227 Abs 2 StPO) sprechen, kann doch durch einen derartigen Anklageaustausch die Anberaumung einer Hauptverhandlung bloß zur Erörterung der Ergebnisse (eine Änderung der sachlichen Zuständigkeit zu einem Gericht höherer Ordnung indizierender) zwischenzeitiger gerichtlicher Erhebungen und zur demnach gebotenen Fällung eines (anfechtbaren) Unzuständigkeitsurteils (§§ 261, 488 Z 6 StPO) vermieden werden. Ein Austausch der Anklageschrift außerhalb der (vertagten) Hauptverhandlung kann daher nicht auf die von der Rechtsprechung schon bisher behandelte Verfahrenskonstellation der Zurückweisung einer Strafsache an die erste Instanz nach Urteilsaufhebung beschränkt bleiben (Fabrizy StPO9 § 227 Rz 2), sondern ist in gleicher Weise nach jeder Vertagung bei Vorliegen zwischenzeitiger, die sachliche Zuständigkeit verändernder gerichtlicher Erhebungen vor dem Beginn der nächsten Hauptverhandlung zulässig (in diesem Sinn Danek, WK-StPO § 227 Rz 6; Lohsing-Serini, Österreichisches Strafprozessrecht4, 381 f).

Das (Klammer-)Zitat des § 227 StPO in § 224 Abs 2 StPO steht diesem Ergebnis nicht entgegen, werden hiemit doch nur die in § 227 Abs 1 und Abs 2 StPO bezeichneten Dispositionsbefugnisse des Anklägers als Ausnahme von der Regel genannt, dass die Erörterung der Ergebnisse nachträglicher gerichtlicher Erhebungen der Hauptverhandlung vorbehalten bleibt (vgl S. Mayer, Commentar II § 227 E 7 ff). Eine zeitliche Beschränkung dieser Befugnisse auf das Zwischenverfahren ist daraus ebenso wenig ableitbar wie mangels vergleichbarer Problemstellung aus der vom Oberlandesgericht Graz angesprochenen Judikatur, wonach nur bei einer „echten" Rückleitung durch den Vorsitzenden, nicht aber bei einer bloßen Betrauung des Untersuchungsrichters mit ergänzenden Erhebungen die Strafsache wieder in jenes Stadium der Ermittlungen zurückversetzt gilt, das hinsichtlich der Haftbefristung jenem der Voruntersuchung gleichzuhalten ist (15 Os 124/04 = RZ 2006/4 = EvBl 2005/82).

2. Die vom Oberlandesgericht Graz (auf Grund der irrigen Rechtsansicht über eine zeitliche Beschränkung der Zulässigkeit eines Anklageaustausches) vorgenommene „Zurückweisung der Anklageschrift" ist in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen.

Denn im Falle eines Einspruchs gegen die Anklageschrift kann der Gerichtshof zweiter Instanz diese zur Beseitigung eines Formgebrechens oder zur besseren Sachverhaltsaufklärung bloß vorläufig zurückweisen (§ 211 Abs 1 StPO; dazu näher Mayrhofer, WK-StPO § 211 Rz 9 ff, 14) oder sie bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens nach dem IXa. Hauptstück der StPO an den Untersuchungsrichter zurückverweisen (§ 211a StPO). Weiters kann der Gerichtshof zweiter Instanz die Sache entweder (zugleich mit einer Entscheidung in der Sache selbst) an das zuständige Gericht seines Sprengels oder unter Ausspruch der eigenen Nichtzuständigkeit an den zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz verweisen (§ 212 StPO) oder bei Vorliegen von im Gesetz taxativ aufgezählter Voraussetzungen der Anklage keine Folge geben und das Verfahren einstellen (§ 213 Abs 1 StPO). Tritt keiner der in den §§ 211 bis 213 StPO erwähnten Fälle ein, so ist der Anklage Folge zu geben (§ 214 StPO). Durch die im Gesetz nicht vorgesehene (nicht bloß vorläufige) „Zurückweisung" der Anklageschrift hat das Oberlandesgericht Graz - in Überschreitung seiner Entscheidungskompetenz - in Wahrheit zum Nachteil des Angeklagten über dessen Einspruch gar nicht entschieden (vgl 14 Os 8/02 = EvBl 2002/154 = JBl 2002, 670). Demgemäß mangelt es dem über eine nicht rechtskräftige Anklage absprechenden Unzuständigkeitsurteil an der gesetzlichen Grundlage. Es waren daher die im Spruch bezeichneten Gesetzesverletzungen festzustellen.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO waren der bezeichnete Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz zur Klarstellung zu beseitigen und das darauf beruhende Unzuständigkeitsurteil des Landesgerichtes Klagenfurt aufzuheben. Dem Oberlandesgericht Graz war die neuerliche Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift vom 13. Oktober 2005 aufzutragen.

Mit seiner gegen das Unzuständigkeitsurteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde - zu der anzumerken ist, dass aus dem erfolgten Austausch der Anklageschrift, mit dem die Staatsanwaltschaft unverkennbar gezeigt hat, dass sie auf ihr Verfolgungsrecht als solches nicht verzichtet hat, in Verbindung mit der oben angeführten Entscheidung des Oberlandesgerichtes Graz (das vom aufrechten Bestehen des Verfolgungsantrages der Staatsanwaltschaft vom 31. Jänner 2005 ausgegangen ist) kein Verbrauch der Anklage im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO abzuleiten ist (vgl 11 Os 22/86; 10 Os 179/67; RZ 1959, 119) - war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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