OGH 11Os22/86

OGH11Os22/8630.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.September 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Hörburger und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinhauer als Schriftführers, in der Strafsache gegen Hermann K*** wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht als Beteiligter nach den §§ 12, 288 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengerichts vom 12.Dezember 1985, GZ 6 Vr 704/84-50, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Gehart als Vertreters der Generalprokuratur, des Angeklagten Hermann K*** und des Verteidigers Dr. Philipp zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Zusatzfreiheitsstrafe auf 8 (acht) Monate und 10 (zehn) Tage herabgesetzt wird. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10.Juni 1949 geborene Hermann K*** des Vergehens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 StGB, des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht als Beteiligter nach den §§ 12 (2. Fall), 288 Abs 1 StGB und des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht als Beteiligter nach den §§ 12 (2. Fall), 288 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Darnach setzte er in Braunau am Inn (I.) am 17.Oktober 1983 den Rudolf K*** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aus, daß er ihn (vor dem Bezirksgericht Braunau am Inn) einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des unbefugten Besitzes einer Sprühdose mit Tränengas, sohin einer verbotenen Waffe (§§ 11 Abs 1 Z 4, 36 Abs 1 lit b WaffG), falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war. Er bestimmte ferner (II.) um den 17.Oktober 1983 am selben Ort den Rudolf K*** und den Walter K*** dazu, vor dem Bezirksgericht Braunau am Inn in der an diesem Tag im Verfahren zu AZ U 371/83 durchgeführten Hauptverhandlung als Zeugen bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen, nicht er (Hermann K***), sondern Rudolf K*** habe (am 5.August 1983 in der Diskothek B*** in Braunau am Inn) mit Tränengas gesprüht, und (III.) um den 12. Dezember 1983 den Rudolf K*** dazu, vor dem Bezirksgericht Braunau am Inn in derselben Strafsache (am 12.Dezember 1983) als Zeuge unter Eid falsche Angaben über seinen Aufenthalt im zuvor genannten Lokal zu machen.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Hermann K*** mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Verfehlt ist zunächst der Vorwurf einer Nichtigkeit des gesamten Strafurteils nach dem § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO wegen Verbrauchs des Anklagerechts, den der Beschwerdeführer aus einem von der Staatsanwaltschaft ohne die Voraussetzungen des § 227 Abs 2 StPO nach Beginn (und Vertagung) der Hauptverhandlung vorgenommenen "Austausch der Anklageschrift" ableiten will. Die Staatsanwaltschaft zog nämlich ihre Anklageschrift vom 17.Oktober 1984 (ON 16), worin sie irrtümlich die Durchführung einer Hauptverhandlung "vor dem Einzelrichter des Kreisgerichtes Ried i.I." beantragt hatte (S 128), nachdem die Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht am 20. Dezember 1984 wegen Ausbleibens des Angeklagten vertagt worden war (S 133), am 15.Jänner 1985 unter gleichzeitiger Einbringung einer bis auf den nunmehr richtig formulierten Antrag auf Anordnung einer Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht wörtlich gleichlautenden "neuen" Anklageschrift (ON 24) zurück (S 136). Durch diesen formalen Austausch der Anklageschrift beseitigte aber die Anklagebehörde - was unabhängig von den in § 227 Abs 2 StPO für einen (echten) Austausch der Anklageschrift bestimmten Voraussetzungen geschehen konnte - bloß ein offenkundiges Formgebrechen der "alten" Anklageschrift, wahrte ihr Verfolgungsrecht als solches jedoch unverändert, sodaß von einem Rücktritt von der Anklage (§§ 227 Abs 1, 259 Z 2 StPO) oder sonst von einem Verbrauch des Anklagerechts keine Rede sein kann (vgl. EvBl 1959/256; RZ 1960, 179).

Mit der Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) wendet sich der Angeklagte gegen die Abweisung des Antrags seines Verteidigers auf Vernehmung der Zeugen Sergio Peter C***, Walter H*** und Siegfried M*** zum Beweis dafür, daß Rudolf K*** sich (vor seiner ersten Zeugenaussage vor dem Bezirksgericht Braunau am Inn) selbst zu dem in Rede stehenden Tränengasangriff vom 5.August 1983 bekannt habe (S 327). Wegen ihrer dahin lautenden Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung zu dieser Strafsache vom 21.Mai 1985 (ON 42) wurden indes vom Kreisgericht Ried im Innkreis Sergio Peter C*** mit Urteil vom 6.August 1985, GZ 6 E Vr 562/85-6, Siegfried M*** mit Urteil vom 13.August 1985, GZ 11 E Vr 469/85-15, und Walter H*** mit Urteil vom 11.September 1985, GZ 11 E Vr 561/85-6, - die beiden Letztgenannten nach Ablegung von

Geständnissen - rechtskräftig des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Unter diesen Umständen hätte im Beweisantrag angegeben werden müssen, aus welchen Gründen zu erwarten sei, daß die (neuerliche) Vernehmung der drei genannten Zeugen das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben solle und aus welchen Gründen diesem Ergebnis entsprechende Beweiskraft zukommen würde. Da in dieser Richtung nichts vorgebracht wurde, erging das den Beweisantrag ablehnende Zwischenerkenntnis zu Recht. Mit der Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) bekämpft der Beschwerdeführer die zum Urteilsfaktum III getroffene Feststellung, daß er den Rudolf K*** (auch) zur falschen Zeugenaussage (unter Eid) am 12.Dezember 1983 angestiftet habe, wofür im Urteil nur eine Scheinbegründung gegeben werde. Die Folgerung des Urteils, aus der Tatsache, daß K*** im Rahmen dieser Aussage konkrete, auf die damalige Verantwortung des Angeklagten abgestimmte Angaben über seine Position im Lokal während seines angeblichen Tränengasgebrauchs machte, könne auf die Tat (des Angeklagten) geschlossen werden, entspricht indes den Denkgesetzen; daß diese Schlußfolgerung auch zwingend ist, war nicht erforderlich. Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO behauptet der Angeklagte einen Feststellungsmangel darüber, ob sein als Verleumdung (Punkt I des Urteilssatzes) beurteiltes Vorbringen vor dem Bezirksgericht Braunau am Inn den dadurch falsch verdächtigten Rudolf K*** tatsächlich der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt habe; dies sei deshalb fraglich, weil sich doch in derselben Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht anschließend K*** selbst (als Zeuge) des Besitzes (und Gebrauchs) der Tränengassprühdose bezichtigte.

Rechtliche Beurteilung

Nach den Urteilsfeststellungen kann jedoch nicht bezweifelt werden, daß die vor Gericht vorgebrachte Verdächtigung des Rudolf K*** eine (vom bedingten Vorsatz des Beschwerdeführers umfaßte) behördliche Verfolgung des Verdächtigten in den Bereich naher Wahrscheinlichkeit rückte, war sie doch umsoweniger sofort als unwahr zu erkennen und zu entkräften, als sich Rudolf K*** anschließend auch selbst zu der ihm angedichteten Tat bekannte. Das weitere Beschwerdevorbringen aber, jener habe dies aus eigenem Antrieb getan, weicht - von der Unerheblichkeit dieser Behauptung für den Tatbestand der Verleumdung abgesehen - von dem zu Punkt II des Schuldspruchs festgestellten Sachverhalt ab und bringt somit den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.

Für nichtig gemäß dem § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO hält der Beschwerdeführer - sich auf die oberstgerichtliche Entscheidung 9 Os 90/75 = ÖJZ-LSK 1976/172 (veröffentlicht u.a. in SSt 47/19) berufend - den Schuldspruch wegen Verleumdung (I.) deshalb, weil Rudolf K*** in die falsche Verdächtigung eingewilligt habe. In ausdrücklicher Abkehr von dieser Auffassung steht jedoch die neuere Judikatur auf dem Standpunkt, daß die Einwilligung des falsch Verdächtigten in die Verleumdung weder rechtfertigend noch sonst

strafausschließend wirkt (ÖJZ-LSK 1982/141 = JBl. 1982, 607 =

EvBl 1982/192 = SSt 53/29); auch wer mit Zustimmung des Betroffenen (wissentlich) falsch verdächtigt und ihn solcherart der Gefahr behördlicher Verfolgung aussetzt, haftet nach dem § 297 Abs 1 StGB Daran ändert der Umstand nichts, daß dies hier zur Abwehr einer gegen den Angeklagten K*** gerichteten Strafverfolgung geschah. Denn mit seiner falschen Verdächtigung eines anderen überschritt der Beschwerdeführer jedenfalls rechtswidrig die Grenze der zulässigen Verteidigung (Leukauf-Steininger Komm. 2 § 3 RN 21, § 297 RN 20 und 21). Gegen die Punkte II und III des Schuldspruchs wird in der Beschwerde mit Beziehung auf den § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO eingewendet, es fehle an eindeutigen Feststellungen über einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Angeklagten und der Ablegung falscher Beweisaussagen durch Rudolf K*** (teils unter Eid) und Walter K***. Der erforderliche Kausalzusammenhang kommt jedoch in den Urteilskonstatierungen ohnehin mit Deutlichkeit zum Ausdruck (US 6 und 7 = AS 336, 337). Die vom Beschwerdeführer dagegen unter Hinweis auf "nur im Zuge einer Beweiswürdigung näher zu erörternde Umstände" vorgebrachten Zweifel richten sich schon nach dieser Diktion ausschließlich gegen die im schöffengerichtlichen Verfahren keiner Anfechtung unterliegende Beweiswürdigung der Tatrichter.

Eine Urteilsnichtigkeit gemäß dem § 281 Abs 1 Z 10 StPO erblickt der Beschwerdeführer schließlich in der Annahme echter Realkonkurrenz von Bestimmung zur falschen Beweisaussage nach dem § 288 Abs 1 StGB und nach dem § 288 Abs 2 StGB (Fakten II und III). Abgesehen davon, daß diese Konkurrenz höchstens mit Bezug auf die Bestimmung des Rudolf K*** zur erst unbeeideten, dann beeideten falschen Zeugenaussage in Frage steht, wogegen der Beschwerdeführer die Bestimmung des Walter K*** zur (unbeeideten) falschen Zeugenaussage jedenfalls nach den §§ 12, 288 Abs 1 StGB zu verantworten hätte, übersieht die Beschwerde dabei, daß die ihr vorschwebende dogmatische Einheit zwischen einer unbeeidet abgelegten falschen Beweisaussage und ihrer - im wesentlichen gleichlautenden - Wiederholung unter Eid in einer späteren Vernehmung derart, daß nur ein einziges Delikt, nämlich jenes nach dem § 288 Abs 2 StGB vorliegt (ÖJZ-LSK 1981/27), nur dann in Betracht käme, wenn die bloß scheinbar mehrere selbständige deliktische Handlungen darstellenden einzelnen Aussagen auf einem einheitlichen Willensentschluß beruhen (Leukauf-Steininger Komm. 2 § 288 RN 33). Im vorliegenden Fall handelt es sich aber um die auf einem neuerlichen Willensentschluß fußende Bestimmung des Rudolf K*** durch den Angeklagten zu einer weiteren - auch inhaltlich über die unbeeidete Aussage, zu der er früher angestiftet worden war, hinausgehenden - Aussage (gegebenenfalls) unter Eid, sodaß insoweit zu Recht echte Realkonkurrenz zwischen dem Delikt nach den §§ 12, 288 Abs 1 StGB und jenem nach den §§ 12, 288 Abs 2 StGB bejaht wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 288 Abs 2 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichtes Braunau am Inn vom 27.Februar 1984, AZ 72/84 (§ 36 Abs 1 lit b WaffG, § 83 Abs 1 StGB, 100 Tagessätze zu 2.000 S, im Nichteinbringungsfall 50 Tage Freiheitsstrafe) eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten als Zusatzstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die Tatwiederholung und die einschlägige Vorstrafe als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber keinen Umstand als mildernd.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Verhängung einer Geldstrafe unter Anwendung des § 37 StGB, in eventu eine Herabsetzung der Zusatzstrafe bzw. ein Absehen hievON

Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.

Bei gemeinsamer Aburteilung aller hier zu berücksichtigenden Straftaten (§ 31 StGB) wäre eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von zehn Monaten als angemessen zu verhängen gewesen. Bringt man von diesem Gesamtstrafmaß die in dem vorerwähnten Verfahren des Bezirksgerichtes Braunau am Inn verhängte Strafe in Abzug, dann verbleibt für die auszusprechende Zusatzfreiheitsstrafe ein Restmaß von acht Monaten und zehn Tagen.

Insoweit war daher in Stattgebung der Berufung der erstgerichtliche Strafausspruch zu ermäßigen.

Die begehrte Anwendung des § 37 StGB kam schon im Hinblick auf die sechs Monate übersteigende Strafhöhe nicht in Betracht. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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