OGH 6Ob181/06w

OGH6Ob181/06w31.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Brauneis, Klauser & Prändl Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte OEG in Wien, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. Peter H*****, als Masseverwalter der S***** Bau-GmbH (26 S 32/02m des LG Eisenstadt), dieser vertreten durch Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OEG in Eisenstadt, wegen EUR 140.599,87 sA, über die Revision des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 17. Mai 2006, GZ 3 R 195/05a-20, womit das Zwischenurteil des Handelsgerichtes Wien vom 25. August 2005, GZ 35 Cg 178/04x-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.239,96 (darin EUR 373,33 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt ein Senioren- und Pflegeheim in *****. Die Beklagte ist im Bereich Gerüstbau, Bautechnik, Fassadenbefahranlagen, Facility-Management und Industriereinigung tätig.

Die Klägerin begehrt EUR 140.599,87 für Aufwendungen, die ihr dadurch entstanden seien, dass die Beklagte nicht - wie in einem Generalunternehmervertrag vom 16. 10. 1989 mit der D***** GmbH, einer Rechtsvorgängerin der Klägerin, vereinbart - die Fundamente des Seniorenheimes auf gewachsenem Boden, sondern vielmehr auf aufgeschüttetem Abbruchmaterial errichtet habe. Dadurch hätten die Fundamente nicht die erforderliche Tiefe erreicht, sodass sich die von der Klägerin in Auftrag gegebene und bereits zum Zeitpunkt der Fundamenterrichtung geplante Aufstockung des Gartentraktes als nicht tragfähig erwiesen habe.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung. Sie bestritt die Aktivlegitimation der Klägerin im Wesentlichen mit dem Einwand, die behaupteten Schadenersatz- oder Gewährleistungsansprüche aus dem Generalunternehmervertrag seien nicht auf die Klägerin übertragen worden. Auch seien Ansprüche gegen die Beklagte bei der Klägerin weder originär entstanden noch sei die rechtsgeschäftliche Forderungsabtretung zulässig gewesen.

In der Tagsatzung vom 13. 7. 2005 stellte die Klägerin den Zwischenantrag auf Feststellung ihrer „Aktivlegitimation" zur Geltendmachung des klagsgegenständlichen Anspruches. Die begehrte Feststellung wirke über den vorliegenden Rechtsstreit hinaus, weil die Klägerin allenfalls bei Verlust des Verfahrens Regressansprüche gegen Dritte habe. Außerdem sei die Aktivlegitimation im Fall des Hervorkommens weiterer Mängel des Bauwerkes zur Erhebung von Ansprüchen gegen die beklagte Partei relevant (AS 149 = S 4 in ON 15).

Die Beklagte stellte einen gegenläufigen Zwischenfeststellungsantrag auf Feststellung, dass die Aktivlegitimation der klagenden Partei nicht vorliege.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Zwischenfeststellungsantrag der klagenden Partei statt und wies denjenigen der beklagten Partei ab.

Die den Gegenstand der Zwischenanträge auf Feststellung bildende Frage der Aktivlegitimation der Klägerin stelle ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar, nämlich ein „juristisches Band, das Personen untereinander [....] verbindet", genauer ein Rechtsverhältnis des Privatrechtes (Rechberger in Rechberger, ZPO2 § 228 Rz 4).

Dieses Rechtsverhältnis sei zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung noch strittig. Darüber hinaus sei es für die Entscheidung in der Hauptsache präjudiziell. Die erforderliche Wirkung über den konkreten Rechtsstreit hinaus ergebe sich aus der Möglichkeit von Regressansprüchen der Klägerin gegen Dritte im Fall ihres Prozessverlustes sowie aus der Notwendigkeit der Erhebung weiterer Schadenersatzansprüche im Fall des Auftretens weiterer Mängel.

Die Aktivlegitimation der Klägerin ergebe sich schon daraus, dass DI Peter F***** als Masseverwalter mit Abtretungsvereinbarung vom 14. 4. 2005 die der Gemeinschuldnerin allenfalls zustehenden Ansprüche gegen die Beklagte auf Grund des Generalunternehmervertrages an die Klägerin abgetreten habe. Auf die von der Klägerin behauptete „Abtretungskette" komme es somit gar nicht an. Zudem sei nach der Entscheidung 1 Ob 257/04g (RdW 2005, 141) im Fall eines Gewährleistungsausschlusses naheliegend, eine typische Interessenlage von Parteien eines Liegenschaftskaufvertrages insoweit anzunehmen, als der Verkäufer mit dem Erhalt des Kaufpreises endgültig abgefunden sein wolle und alle Ansprüche gegen Dritte, die sich aus deren Einwirkung auf die Liegenschaft ergäben, auch wenn sie im Einzelnen nicht bekannt oder voraussehbar seien, auf den Käufer übergehen sollten. Eine solche allenfalls ergänzende Vertragsauslegung sei vor allem dort angezeigt, wo an (konkrete) Beeinträchtigungen der Liegenschaft gar nicht gedacht sei und diese daher auch bei der Kaufpreisbildung nicht berücksichtigt würden. Redlichen und vernünftigen Vertragsparteien könne daher im Regelfall unterstellt werden, sie hätten eine Abtretung allfälliger Ersatzansprüche gegen Dritte, die aus einer Beeinträchtigung der Liegenschaft, die zum Zeitpunkt des Gefahrenüberganges bereits zumindest latent vorhanden gewesen, jedoch nicht bekannt gewesen sei, resultierten, bei sonst unveränderten Vertragsbedingungen ausdrücklich vereinbart, wenn sie die Möglichkeit einer derartigen Situation bedacht hätten. Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Nebeninterventienten diese Entscheidung. Zwar sei es grundsätzlich unzulässig, im Wege eines Zwischenfeststellungsantrages einzelne Rechtsfragen herauszuheben und diese zum Gegenstand eines Urteiles zu machen. Dies gelte insbesondere für Vorfragen, von denen lediglich die Aktivlegitimation des Klägers abhänge (7 Ob 578/93). Dieser - wiederholt zitierte - Rechtssatz gehe auf die Entscheidung 2 Ob 983/32 (RZ 1933, 100) zurück und sei in weiterer Folge unkommentiert übernommen worden. Gegenstand dieser Entscheidung sei ein Begehren des Beklagten auf Feststellung gewesen, die Zessionen der dem Zedenten zustehenden Schadenersatzforderungen an den Kläger seien für den Beklagten unwirksam. Der Oberste Gerichtshof habe in diesem Fall die Zulässigkeit eines Zwischenantrages auf Feststellung verneint und ausgeführt, diesem Zwischenfeststellungsantrag fehle es an der Eignung, über den in Frage stehenden Einzelfall hinaus Rechtswirkungen zu erzeugen. Die Rechtswirksamkeit der Zession falle mit der Frage der Klagslegitimation des Klägers zusammen und müsse daher schon mit dem über das Klagebegehren ergehenden Urteil entschieden werden.

Hingegen habe der Oberste Gerichtshof in seinem Erkenntnis 1 Ob 130/02b die Zulässigkeit eines infolge der Einwendung der mangelnden Aktivlegitimation gestellten Zwischenantrages bejaht. Im vorliegenden Fall sei die Vorfrage strittig, ob allfällige Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche der Werkbestellerin aus deren Vertrag mit der Beklagten auf die Klägerin übergegangen seien. Dabei handle es sich um ein Rechtsverhältnis (unter Berufung auf Fasching in Fasching/Konecny2 § 228 ZPO Rz 38). Hiebei gehe es nicht um die - unzulässige - rechtliche Qualifikation eines Anspruches, sondern tatsächlich um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses und des daraus resultierenden subjektiven Rechtes der Klägerin, etwaige Forderungen aus dem Werkvertrag gegen die Beklagte geltend zu machen. Dass ein Rechtsverhältnis dieser Art feststellungsfähig sei, ergebe sich aus der Entscheidung 1 Ob 257/04g.

Die erforderliche Wirkung des Zwischenfeststellungsantrages über den gegenständlichen Prozess hinaus ergebe sich daraus, dass gerade bei Bauwerken oft erst nach Jahren weitere Mängel auftreten, die zu Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüchen gegen den Hersteller führen können. Auch das übereinstimmende Parteienvorbringen zeige, dass in diesem Fall nicht nur die bloß theoretische Möglichkeit weiterer Auseinandersetzungen bestehe. In der Entscheidung 1 Ob 130/02b habe der Oberste Gerichtshof darauf abgestellt, ob die Feststellung auch für zukünftige Rechtsbeziehungen der Streitteile Bedeutung haben könne und diese Frage allein auf Grund des - unbesrittenen - Klagsvorbringens bejaht, es sei mit weiteren Schädigungshandlungen der beklagten Kraftwerksbetreiberin zu rechnen. Überdies habe die Klägerin vorgebracht, vorbehaltlich der Ausdehnung nur einen Teil des Anspruches eingeklagt zu haben, was, sofern die Beklagten einer Klagsänderung nicht zustimmen würden oder das Erstgericht eine Klagsänderung nicht zulassen würde, ein weiteres Verfahren erforderlich würde. Damit unterscheide sich dieser Zwischenfeststellungsantrag wesentlich von der eingangs zitierten Entscheidung 2 Ob 938/32.

Allerdings sei die Entscheidung nur mit der Maßgabe zu bestätigen, dass festgestellt werde, dass die Aktivlegitimation der klagenden Partei zur Geltendmachung allfälliger Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche aus der Errichtung eines Senioren- und Pflegeheimes auf der Liegenschaft EZ ***** wider die beklagte Partei bestehe.

Aus dem Vorbringen der klagenden Partei ergebe sich zweifelsfrei, dass Ziel des Zwischenfeststellungsantrages die Klärung der Aktivlegitimation zur Geltendmachung sämtlicher Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus der Errichtung des Seniorenheimes umfassen solle. Das Urteil sei daher mit einer entsprechenden Maßgabe zu bestätigen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Feststellungsfähigkeit der Aktivlegitimation durch Zwischenurteil uneinheitlich sei.

Die Revision des Nebenintervenienten ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Vorweg ist festzuhalten, dass entgegen der Rechtsansicht der klagenden Partei die Rechtsmittellegitimation des Nebenintervenienten zu bejahen ist. Nach § 19 Abs 1 ZPO kann der Nebenintervenient zur Unterstützung derjenigen Partei, an deren Sieg er ein rechtliches Interesse hat (Hauptpartei), Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen, Beweise anbieten und alle sonstigen Prozesshandlungen vornehmen. Seine Prozesshandlungen sind insoweit für die Hauptpartei rechtlich wirksam, als sie nicht mit deren eigenen Prozesshandlungen im Widerspruch stehen.

Dabei bedarf es im vorliegenden Fall keines Eingehens auf die Frage, ob der in dieser Gesetzesstelle angesprochene „Widerspruch" sich nur auf den unmittelbaren Widerspruch zu einer von der Hauptpartei vorgenommenen Prozesshandlung oder auch auf ein Begehren auf Überprüfung einer auf Grund der entsprechenden Prozesshandlung der Hauptpartei ergangenen gerichtlichen Entscheidung bezieht. Schubert (in Fasching/Konecny2 § 19 ZPO Rz 14) vertritt offenbar die erstere Auffassung, wenn er ausführt, dass der Nebenintervenient auch im Wege der Berufung gegen ein auf Grund eines Anerkenntnisses oder Verzichtes der Hauptpartei ergangenes Anerkenntnis- bzw Verzichtsurteil vorgehen kann. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht in seiner Maßgabebestätigung vorgenommene Umformulierung des Urteilsspruches muss dem Nebenintervenienten grundsätzlich ein Recht auf Überprüfung der Frage eingeräumt werden, inwieweit diese Entscheidung des Berufungsgerichtes im Begehren der klagenden Partei ihre Deckung findet. Daher bedarf es im vorliegenden Fall auch keines Eingehens auf die Frage, ob das der Bekämpfung des antragsgemäß ergangenen Zwischenfeststellungsurteils durch die Hauptpartei entgegenstehende Fehlen der (formellen) Beschwer auch auf den sie bloß unterstützenden Streithelfer durchschlägt.

2. Die grundsätzliche Bejahung der Rechtsmittellegitimation des Nebenintervenienten sagt freilich über die Zulässigkeit der Revision nichts aus. Diese setzt nach § 502 Abs 1 ZPO das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage voraus. Das Berufungsgericht hat diese erhebliche Rechtsfrage darin erblickt, dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Feststellungsfähigkeit der Aktivlegitimation durch Zwischenurteil uneinheitlich sei. Gerade diese Frage kann aber aus prozessualen Gründen nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden, ist doch die einheitliche Bejahung der Zulässigkeit eines Zwischenfeststellungsantrages durch die Vorinstanzen auch dann nicht mit Revision anfechtbar, wenn diese nicht in Beschlussform erfolgt ist (ZVR 1994/153; MietSlg 42.509; SZ 60/154). Dies steht im Einklang mit dem allgemeinen Grundsatz, dass ein vom Gericht zweiter Instanz verneinter - in der Fällung eines Zwischenurteils allenfalls zu erblickender - Verfahrensmangel nicht mit Revision geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0042963; Zechner in Fasching/Konecny2 § 503 ZPO Rz 34 ff). Aus diesem Grund kann der Kritik von Deixler-Hübner (in Fasching/Konecny2 § 236 ZPO Rz 22) nicht gefolgt werden.

3. Dass das Gericht - auch noch in höherer Instanz - befugt und sogar verpflichtet ist, dem Urteilsspruch - abweichend vom bestellten Begehren - eine klarere und deutlichere Fassung zu geben, soferne diese in den Sachbehauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und inhaltlich nicht über das hinausgeht, was der Kläger tatsächlich gewollt hat, entspricht der einhelligen Lehre und Rechtsprechung (vgl nur Fasching, LB2 Rz 1448; Fucik in Fasching/Konency² § 405 ZPO Rz 4 und 7; 6 Ob 559/89 ua). Das Begehren ist immer so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit dem Vorbringen tatsächlicher Art von der Partei gemeint war (Fasching aaO; 6 Ob 559/89 ua). Die Auslegung des jeweiligen Prozessvorbringens ist aber grundsätzlich eine Frage des Einzelfalles (vgl nur Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 125 mwN). In der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, das von der klagenden Partei verfolgte Rechtsschutzziel umfasse in Wahrheit die Feststellung des Überganges sämtlicher Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche aus der Errichtung des Seniorenheimes, ist in Anbetracht der detaillierten Erörterung dieser Frage und der weitgehend übereinstimmenden Darlegungen beider Parteien eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht zu erblicken. Damit vermag die Revision aber keine Rechtsfragen der im § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 41 ZPO. Der Nebenintervenient hat die Kosten seiner erfolglosen Revision selbst zu tragen. Hingegen haftet für die Kosten der Revisionsbeantwortung der klagenden Partei nur die beklagte Partei als Hauptpartei (Schubert in Fasching/Konecny² § 19 ZPO Rz 12). Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Stichworte