OGH 9ObA70/06v

OGH9ObA70/06v11.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Christian M*****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, Rathaus, 1080 Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (EUR 36.336,42), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. April 2006, GZ 9 Ra 38/06h-52, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht ließ mit seinem drei Punkte umfassenden Beschluss die vom Kläger angestrebte Klageänderung nicht zu (1.), unterbrach das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens beim Behindertenausschuss beim Bundessozialamt Wien nach § 8 BEinstG einschließlich eines allenfalls anhängig werdenden Verwaltungsgerichtshofverfahrens (2.) und sprach aus, dass eine Fortsetzung nur über Parteienantrag stattfindet (3.). Der Kläger erhob dagegen Rekurs, wobei allerdings strittig ist, ob sich sein Rekurs nur gegen die Nichtzulassung der Klageänderung oder auch gegen die Unterbrechung des Verfahrens richtete.

Rechtliche Beurteilung

Die Auslegung des Umfangs der Rekurserklärung, dh der Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten wird, hängt - wie die Auslegung des Parteivorbringens im Allgemeinen (RIS-Justiz RS0042828 ua) - stets von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Ihr kommt daher in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO zu. Während sich der Revisionsrekurswerber vor allem darauf stützt, dass er den Beschluss des Erstgerichts in seinem gesamten Umfang, insb betreffend die Nichtzulassung der Klageänderung, angefochten habe, stellte das Rekursgericht vor allem darauf ab, dass sich sowohl die Rekursausführungen des Klägers als auch der Rekursantrag ausschließlich auf die Frage der Zulässigkeit der Klageänderung bezogen haben. Gegen die Unterbrechung des Verfahrens wurde vom Kläger hingegen nichts ausgeführt. Vielmehr stützte er sich zur Untermauerung seiner Rekursausführungen bezüglich der Zulässigkeit der Klageänderung ausdrücklich auf die Unterbrechung des Verfahrens, indem er ausführte, dass das Beweisverfahren bis dato am Anfang stehe, „wobei - nicht nur aufgrund der Unterbrechung des Verfahrens - ein Abschluss desselben in keiner Weise abzusehen" sei. Nach der Lage des Falls beruht daher die Auslegung des Rekursgerichts, der Rekurs des Klägers habe sich lediglich gegen die Nichtzulassung der Klageänderung und nicht auch - inhaltsleer - gegen die Unterbrechung des Verfahrens gerichtet, auf keiner krassen Fehlbeurteilung, sondern ist vielmehr durchaus vertretbar. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO, der über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme, wird insoweit vom Revisionsrekurswerber nicht aufgezeigt. Zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens bestand im vorliegenden Fall kein Anlass, weil von einem Rechtsmittel (hier: gegen die Unterbrechung) als Gegenstand des Verbesserungsverfahrens grundsätzlich nur dann hätte gesprochen werden können, wenn wenigstens erkennbar gewesen wäre, welche Fehler der Entscheidung vorgeworfen werden und wodurch sich die Partei benachteiligt erachtete (Gitschthaler in Rechberger, ZPO² § 85 Rz 5 mwN ua). Dies war jedoch in Bezug auf die Unterbrechung nicht der Fall.

Richtig ist der Hinweis des Revisionsrekurswerbers, dass der Antrag auf Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden muss (7 Ob 711/77; 1 Ob 672/85 ua) und dass die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens auch ohne förmlichen Beschluss erfolgen kann; der Entscheidungswille des Gerichts muss aber in einem solchen Fall deutlich und zweifelsfrei erkennbar sein (6 Ob 79/99g; 6 Ob 8/01x; 8 ObA 104/01d; 6 Ob 318/01k ua). Beides greift hier jedoch nicht. Der Auslegung des Klägers, sein Rekurs gegen die Nichtzulassung der Klageänderung könnte auch als „Fortsetzungsantrag" hinsichtlich des unterbrochenen Verfahrens gedeutet werden, ist nicht zu folgen. Wie schon ausgeführt, wendete er sich nicht einmal ansatzweise gegen die Unterbrechung, sondern stützte sich vielmehr auf deren Vorliegen, um die Zulässigkeit der Klageänderung darzutun. In der bloßen Zustellung des Rekurses an die Beklagte und der Vorlage des Rekurses und der Rekursbeantwortung an das Rekursgericht bzw des außerordentlichen Revisionsrekurses an den Obersten Gerichtshof kann auch kein eindeutiger Entscheidungswille des Erstgerichts erblickt werden, das unterbrochene Verfahren aufzunehmen. Dass die Beklagte in ihrer Rekursbeantwortung nicht auf die aufrechte Unterbrechung des Verfahrens hingewiesen hat, ist unter den gegebenen Umständen schon deshalb unerheblich, weil kein eindeutiger Entscheidungswille des Gerichts vorlag, das Verfahren aufzunehmen (6 Ob 79/99g ua). Zufolge Unterbrechung des Verfahrens unzulässige Prozesshandlungen sind einer Genehmigung durch den Gegner nicht zugänglich (Gitschthaler aaO § 163 Rz 3 mwN). Der Unterbrechungsbeschluss wurde mit der Zustellung an die Klagevertreter wirksam (vgl Gitschthaler aaO § 163 Rz 1; M. Bydlinski in Fasching/Konecny² III Vor §§ 425 ff Rz 9 und § 426 Rz 6 allgemein zu verfahrensgestaltenden Beschlüssen) und in der Folge mangels Rekurses auch rechtskräftig. Die Unterbrechung des Verfahrens hat nach § 163 Abs 2 ZPO die Wirkung, dass während der Unterbrechung von einer Partei in Ansehung der anhängigen Streitsache vorgenommenen Prozesshandlungen „der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung sind." Die herrschende Meinung schließt daraus, dass das Gericht derartige Prozesshandlungen als unzulässig zurückzuweisen hat (Gitschthaler aaO § 163 Rz 3; Fink in Fasching/Konecny² II/2 § 163 Rz 29 mwN; RIS-Justiz RS0036967 ua). Dies gilt insb auch für während der Unterbrechung unzulässig eingebrachte Rechtsmittel, somit solche, die sich nicht darauf beschränken, einen Verstoß gegen die Unterbrechungswirkung zu relevieren (Fink aaO § 163 Rz 30 mwN; 1 Ob 672/85; RIS-Justiz RS0037023 ua). Insoweit der Revisionsrekurswerber meint, dass sein Rekurs nicht zurückzuweisen, sondern für den Fall der Fortsetzung des Verfahrens einer inhaltlichen Behandlung vorzubehalten gewesen wäre, ist ihm nicht zu folgen. Er missversteht offenbar die Auffassungen von Kininger (BeitrZPR I 147 [151]), Rechberger (in FS Kralik 273 [279 f]) und Gitschthaler (aaO § 163 Rz 8), auf die er seinen Standpunkt gründen will. Diese behandeln nämlich den Fall eines erst während der Unterbrechung gefällten bzw zugestellten Urteils, der jedoch hier nicht vorliegt. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers zurückzuweisen. Zur Entscheidung war gemäß § 11a Abs 3 Z 2 ASGG der Dreiersenat berufen.

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