OGH 9Ob66/06f

OGH9Ob66/06f11.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert S*****, Kraftfahrer, *****, vertreten durch Dr. Alois Nussbaumer ua, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Schneditz-Bolfras ua, Rechtsanwälte in Gmunden, wegen Aufhebung eines Kaufvertrages (Streitwert EUR 11.000,--), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 10. April 2006, GZ 3 R 17/06z-15, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 18. November 2005, GZ 5 Cg 35/05d-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 954,30 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin EUR 159,05 Umsatzsteuer) und die mit EUR 1.747,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 114,48 Umsatzsteuer und EUR 1.061,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger schloss mit der Beklagten am 30. 9. 2004 einen Kaufvertrag über eine Pelletsheizanlage zum Preis von EUR 11.000,-. Er hatte von einem Mitarbeiter der Beklagten über eine entsprechende Frage die Auskunft erhalten, dass auf der Grundlage der Angaben des Klägers über seinen Ölverbrauch (pro Jahr 3000 Liter Öl bzw Heizkosten von EUR 1.600,-) durch den Einsatz der Pelletsanlage mit einer Reduzierung der Heizkosten um ca EUR 800,- jährlich zu rechnen sei. Der Mitarbeiter der Beklagten kündigte für den Fall der Übersendung des Bauplans die Übersendung einer Wärmeberechnung (= Berechnung der Heizkostenersparnis) an. Er informierte den Kläger zudem über die zu erwartende Förderung der Umstellung. Wie hoch er die zu erwartende Förderung beziffert hat, ist nicht feststellbar.

Obwohl der Kläger in der Folge der Beklagten einen Bauplan übermittelte, wurde ihm keine Wärmeberechnung ausgefolgt. Im Zusammenhang mit einem Antrag auf Gewährung einer Förderung erfuhr der Kläger in der Folge von einem Vertreter des Energiesparverbandes Oberösterreichs, dass der Kläger auch bei Einsatz der Pelletsheizung mit Heizkosten in der Höhe von EUR 1.245,- zu rechnen habe. Dieser Mitarbeiter legte - Angaben des Klägers folgend - seinen Berechnungen einen Ölverbrauch von 3500 Liter Öl zugrunde. Die Kosten der Pellets berechnete er auf der Grundlage eines vom Pelletsverband bekannt gegebenen Durchschnittspreises von 0,174 EUR.

Der Kläger hätte den Kaufvertrag mit der Beklagten nicht unterschrieben, wenn man ihm gesagt hätte, dass die Heizkostenersparnis - wie vom Mitarbeiter des Energiesparverbandes berechnet - lediglich bei ca. EUR 400,- pro Jahr gelegen wäre. Nicht feststellbar ist, dass der Kläger den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn die Kostenersparnis bei ca EUR 500,- oder höher gelegen wäre.

Zum Jahresende 2004 betrug der vom Pelletsverband ermittelte Mittelwert des Pelletspreises 17 Cent pro Kilogramm, im Oktober 2005 14 Cent (Kleinhandelspreise). Öl kostete Ende 2004 durchschnittlich 45 Cent pro Liter und im Oktober 2005 52 - 53 Cent. Der Normalpreis für Pellets lag im Oktober 2004 bei 15 Cent, im Oktober 2005 bei 14 Cent. Der Normalpreis für Öl betrug im Oktober 2004 52 Cent pro Liter und im Oktober 2005 72 Cent pro Liter. Ein Liter Öl „entspricht ca 2 kg Pellets".

Im Jahr 2005 ist der Ölpreis stark gestiegen, was bereits Ende des Jahres 2004 bemerkbar war.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage, den Kaufvertrag „als rechtsunwirksam" aufzuheben. Er habe sich in einem von der Beklagten veranlassten wesentlichen Irrtum über die durch die Umrüstung erzielbare Heizkosteneinsparung und über die Förderwürdigkeit der Umstellung befunden. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätte er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Ihr Mitarbeiter habe keine unrichtigen Erklärungen abgegeben. Er habe keine Zusicherungen über die Förderwürdigkeit abgegeben und auch keine schriftliche Bestätigung der Heizkostenersparnis zugesagt. Die voraussichtlichen jährlichen Heizkosten seien mit ca EUR 800,- bis 900,- genannt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Über die Höhe der möglichen Förderung der Anlage sei kein von der Beklagten veranlasster Irrtum des Klägers erwiesen, weil nicht feststellbar sei, welche Angaben der Mitarbeiter der Beklagten gemacht habe. Auch der Umstand, dass dem Kläger die Wärmeberechnung nicht ausgefolgt worden sei, berechtige nicht zur Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums. Im Zusammenhang mit der Bekanntgabe der „ca-Kostenersparnis" durch den Mitarbeiter der Beklagten sei kein Irrtum des Klägers ersichtlich. Unter Zugrundelegung der jeweils maßgebenden Einkaufspreise errechne sich für Ende 2004 eine Heizkostenersparnis von EUR 700,-, für 2005 eine solche von EUR 1.320,-. Selbst wenn man angesichts dieser Zahlen von einem Irrtum ausgehen wollte, wäre seine Wesentlichkeit nicht erwiesen. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab.

Es errechnete für Ende 2004 auf der Grundlage der damaligen Durchschnittspreise jährliche Pelletskosten von rund EUR 1.040,-, jährliche Ölkosten von rund EUR 1.350,- und damit eine Heizkostenersparnis von nur EUR 310,-. Unter Heranziehung der vom Erstgericht festgestellten Normalpreise sei per Oktober 2004 von Ölkosten von EUR 1.560,-, von Pelletskosten von EUR 920,- und damit von einer Heizkostenersparnis von EUR 640,- auszugehen. Da das Motiv des Klägers für die Anschaffung der Pelletsheizung (Reduzierung der bisherigen Heizkosten) dem Mitarbeiter der Beklagten bekannt gewesen und auch mit diesem umfangreich erörtert worden sei, liege ein Geschäftsirrtum vor, zumal die erzielbare Einsparung bei Vertragsabschluss (je nach Berechnung) um 1/5 bis 3/5 geringer gewesen sei, als vom Mitarbeiter der Beklagten angegeben. Ein derartiger Irrtum sei geeignet, eine Investitionsentscheidung vernünftiger und redlicher Personen zu beeinflussen. Für die Wesentlichkeit des Irrtums sei grundsätzlich der Anfechtende beweispflichtig. Im Falle der Unterlassung der gebotenen Aufklärung durch den Vertragspartner trage aber nach manchen Entscheidungen dieser die Behauptungs- und Beweislast, dass der Anfechtende den Vertrag auch geschlossen hätte, wäre er über den wahren Sachverhalt aufgeklärt worden. Obwohl nicht feststellbar sei, dass der Kläger den Kaufvertrag nicht geschlossen hätte, wenn die Kostenersaprnis bei ca EUR 500,-- und höher gelegen wäre, sei daher nach dem von der Beklagten nicht erschütterten ersten Anschein von einem durch die Beklagte (durch deren Mitarbeiter) zurechenbar veranlassten - wesentlichen - Irrtum des Klägers über einen Hauptpunkt des Vertrages auszugehen, der das Klagebegehren auf Aufhebung des Kaufvertrages rechtfertige.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, es im Sinne der Abweisung des Klagebegehren abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Grundsätzlich ist es Sache des Anfechtenden, einen Sachverhalt zu behaupten und zu beweisen, aus dem sich ergibt, dass er einem Geschäftsirrtum unterlegen ist, dass dieser Irrtum wesentlich war und dass er entweder vom Anfechtungsgegner veranlasst wurde oder diesem aus den Umständen offenbar auffallen musste oder rechtzeitig aufgeklärt wurde (RIS-Justiz RS0093831; Bollenberger in KBB, § 871 Rz 19). Richtig ist aber, dass die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Anfechtende den Vertrag auch in Kenntnis der wahren Sachlage geschlossen hätte, dann, wenn der Anfechtungsgegner den Irrtum durch die Unterlassung der gebotenen Aufklärung verursacht hat, nach der vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung den Anfechtungsgegner trifft (RIS-Justiz RS0016209).

Diese zuletzt genannte Rechtsprechung kommt aber entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes hier nicht zum Tragen, weil der Beklagten eine Verletzung der sie treffenden Aufklärungspflicht nicht vorgeworfen werden kann.

Zwar ist richtig, dass die Beklagte (bzw deren Mitarbeiter) zur Aufklärung des Klägers verpflichtet war, der seine erst sechs Jahre alte Ölheizung ausschließlich wegen der von ihm erhofften Heizkostenersparnis austauschen wollte. Eine genaue Analyse des festgestellten Sachverhalts zeigt aber, dass die vom Mitarbeiter der Beklagten abgegebenen Erklärungen den Vorwurf einer Verletzung der Aufklärungspflicht (durch unrichtige Angaben) nicht rechtfertigen:

Nach dem festgestellten und für den Obersten Gerichtshof bindenden Sachverhalt lagen den Berechnungen des Mitarbeiters der Beklagten einerseits und des Vertreters des Energiesparverbandes andererseits unterschiedliche Angaben des Klägers über seinen bisherigen Ölverbrauch zugrunde: Während der Mitarbeiter der Beklagten seinen Berechnungen den ihm genannten Ölverbrauch von 3.000 Litern zugrunde legte, ging der Vertreter des Energiesparverbandes - ebenfalls auf Grund von Angaben des Klägers - von einem Ölverbrauch von 3.500 Litern aus. Damit ist aber von vornherein klar, dass die vom Vertreter des Energiesparverbandes errechneten Heizkosten höher sein müssen, was aber dem Mitarbeiter der Beklagten nicht vorgeworfen werden kann, zumal der von ihm zugrunde gelegte geringere Ölverbrauch nach den Feststellungen den ihm gegenüber gemachten Angaben des Beklagten entsprach.

Dazu kommt, dass der Vertreter des Energiesparverbandes mit „Durchschnittskosten des Pelletsverbandes" rechnete, die über dem Normalpreis lagen. Auch dass musste zu höheren Ergebnissen der Berechnung des Vertreters des Energiesparverbandes führen, ohne dass daraus dem Mitarbeiter der Beklagten ein Vorwurf zu machen ist. Im Übrigen unterscheiden sich die beiderseitigen Berechnungen nur in geringfügig unterschiedlichen Annahmen über das Verhältnis des Energiewerts von Öl und Pellets (2 : 1 bzw 2,2 : 1), wobei der Mitarbeiter der Beklagten den von ihm zugrunde gelegten Brennwert letztlich zum Anlass nahm, die erzielbare Heizkostenersparnis mit der Hälfte der bisherigen Heizkosten zu beziffern.

Legt man nun - um Vergleichbarkeit zu erzielen - der auf das Verhältnis 2,2 : 1 aufbauenden Berechnungsmethode des Vertreters des Energiesparverbandes ebenfalls den vom Kläger dem Mitarbeiter der Beklagten genannten Ölverbrauch von 3.000 Litern jährlich und den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu zahlenden Normalpreis für Pellets zugrunde, zeigt sich, dass die Angaben des Mitarbeiters der Beklagten gegenüber dem Kläger in Wahrheit von dem nach der Berechnungsmethode des Vertreters des Energiesparverbandes erzielten Ergebnis nicht entscheidend abweichen: Nach der aus der Beilage ./E ersichtlichen Berechnungsmethode des Vertreters des Energiesparverbandes ergibt sich unter den genannten Prämissen ein bei Umstellung auf Pellets zu erwartender Heizkostenaufwand von EUR 918,-, (so im Übrigen auch das Berufungsgericht auf S 14 des Berufungsurteils). Damit beträgt aber der Unterschied zu den Angaben des Mitarbeiters der Beklagten, der letztlich - vereinfachend - die ihm genannten Heizkosten halbiert hat, nur EUR 118 pro Jahr. Angesichts des Umstandes, dass es sich bei seinen Angaben - wie schon das Erstgericht hervorhob - um das Ergebnis einer als solche deklarierten Annäherungsrechnung handelte („ca"), die zum Teil auf ihm ebenso annähernd („ca") genannten Grundlagen beruhte, reicht diese Differenz aber nicht aus, um den Vorwurf zu rechtfertigen, der Mitarbeiter der Beklagten habe seine Aufklärungspflicht durch unrichtige Angaben verletzt.

Da der Beklagten somit keine Verletzung ihrer Aufklärungspflicht vorgeworfen werden kann, hat es im Sinne der oben genannten Rechtslage dabei zu bleiben, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Wesentlichkeit des von ihm geltend gemachten Irrtums zu beweisen hat. Dieser Beweis ist ihm aber nicht gelungen, zumal nicht festgestellt werden konnte, dass er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn er gewusst hätte, dass die erzielbare Heizkostenersparnis nicht ca EUR 800,- sondern nur ca EUR 680,- betragen werde. Angesichts der unsicheren Prämissen und dem schon absehbaren Steigen des Ölpreises ist es bei dieser nur sehr geringen Differenz auch nicht möglich, ohne entsprechende Feststellungen zu unterstellen, dass redliche Parteien bei Kenntnis der wahren Sachlage den Vertrag nicht geschlossen hätten. Damit erweist sich aber - ohne dass auf die von der Beklagten geltend gemachten Auswirkungen der nachfolgenden Erhöhung des Ölpreises eingegangen werden müsste - die Anfechtung des Vertrages durch den Kläger als nicht berechtigt, sodass in Stattgebung der Revision das Ersturteil wiederherzustellen ist. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründen sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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