OGH 8Ob79/06k

OGH8Ob79/06k3.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** AG, ***** vertreten durch Hengstschläger Lindner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wider die beklagte Partei Christine B*****, vertreten durch Dr. Herbert Heigl, Mag. Willibald Berger, Dr. Georg Lehner, Rechtsanwälte in Marchtrenk, wegen 72.670 EUR sA, über die Rekurse der Klägerin und der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 21. Februar 2006, GZ 12 R 5/06b-25, womit über Berufung der Beklagten das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 27. September 2005, GZ 19 Cg 58/04x-20, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Im Dezember 1996 räumte die Klägerin dem Ehegatten der Beklagten, der ein Einzelunternehmen als Tischler betrieb, einen Haftungskredit ein. Die Beklagte und ihr Ehegatte unterfertigten eine Pfandbestellungsurkunde bezüglich einer ihnen je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft mit einem Höchstbetrag von 2,3 Mio S. Die Pfandbestellungsurkunde enthält die Klausel, dass das Pfandrecht nicht nur zur Sicherung des von der Klägerin am 16. 12. 1996 eingeräumten Kredites diene, sondern auch für zukünftige im Inland beurkundete Geld- und Haftungskredite/Darlehen sowie für Kreditprolongationen.

Am 3. 7. 1997 gewährte die Klägerin dem Ehegatten der Beklagten einen Kontokorrentkredit über 200.000 S. Die Beklagte unterfertigte diese Urkunde als Liegenschaftseigentümerin. Die Beklagte unterfertigte am 3. 7. 1997 auch eine Urkunde über die Einräumung eines Haftungskreditrahmens über 500.000 S; am 20. 9. 1999 über die Einräumung eines Einmalbarkredites in Höhe von 70.000 S und am 4. 9. 2000 über die Einräumung eines Haftungskreditrahmens über 300.000 S. Die Vereinbarung vom 4. 9. 2000 über die Aufstockung des Kontokorrentkreditrahmens um 500.000 S auf 700.000 S unterfertigte die Beklagte nicht.

Die Klägerin begehrt 72.670 EUR sA. Die von der Beklagten übernommene Höchstbetragshaftung von 167.147,52 EUR beziehe sich auch auf den Kontokorrentkredit.

Die Beklagte wendet im Wesentlichen ein, nur für den am 3. 7. 1997 eingeräumten Kredit über 200.000 S mit einer Laufzeit bis 30. 6. 1998 eine Haftung übernommen zu haben. Diesen Betrag habe sie bezahlt. Die Klägerin habe die Beklagte in die Irre geführt, weil sie sie nicht darüber aufgeklärt habe, dass die Pfandbestellungsurkunde eine Haftung für alle zukünftigen Kredite enthalte. Ihr Ehegatte habe ihr gegenüber unrichtige Angaben über den Haftungsumfang gemacht. Sein Verhalten sei der Klägerin zuzurechnen. Überdies habe der Kreditnehmer der Klägerin sämtliche seiner gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen global zediert. Hätte die Klägerin die ihr durch die Globalzession eingeräumten Sicherheiten ordnungsgemäß genutzt, wäre keine Forderung aus dem Kontokorrentkredit mehr offen. Der aus der Unterlassung der sorgfaltsgemäßen Betreibung der global zedierten Forderungen entstandene Schaden stelle eine Schadenersatzforderung der Beklagten dar, die sie bis zur Höhe der Klageforderung als Kompensandoforderung einwendete. Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 72.670 EUR zuzüglich 1,7812 % Zinsen vierteljährlich bei vierteljährlicher Kapitalisierung zu Recht bestehe und dass die von der Beklagten geltend gemachte Gegenforderung bis zur Höhe des Klagebetrages nicht zu Recht bestehe. Es verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von

72.670 EUR sA und zur Zahlung der Verfahrenskosten. Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur Frage, ob die in die Pfandbestellungsurkunde aufgenommene Erstreckungsklausel im Sinne des § 864a ABGB ungewöhnlich sei, einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtlich ging das Berufungsgericht zusammengefasst davon aus, dass die in die Pfandbestellungsurkunde aufgenommene Erstreckungsklausel im Sinne des § 864a ABGB ungewöhnlich und somit unwirksam sei. Die Beklagte hafte daher nur für jene Forderungen, hinsichtlich welcher sie eine Mithaftung durch Mitunterfertigung der Kreditverträge übernommen habe. In welchem Ausmaß diese Forderungen bestünden, sei aus dem Ersturteil nicht ableitbar. Die Haftung der Beklagten sei durch die Zahlung von 200.000 S deshalb nicht erloschen, weil sie - bis zu einem Kapitalbetrag von 200.000 S - auch für die damit verbundenen Zinsen hafte.

Die geltend gemachte Schadenersatzgegenforderung der Beklagten bestehe allerdings nicht zu Recht, weil der Gobalzessionsvertrag erst nach der Pfandbestellung geschlossen worden sei. Die Beklagte habe daher zum Zeitpunkt der Einräumung der Sicherheit nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihr ein allfälliger Regress aufgrund weiterer Sicherheiten möglich wäre. Eine allfällige mangelnde Betreibung von Forderungen durch die Klägerin könnte daher Schadenersatzansprüche nicht begründen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Klägerin erhobene Rekurs - der die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes über die Unwirksamkeit der in die Pfandbestellungsurkunde aufgenommenen Erstreckungsklausel bezweifelt - ist verspätet: Der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluss wurde dem Klagevetreter am 13. 3. 2006 zugestellt. Letzter Tag der Rekursfrist war somit der 10. 4. 2006. An diesem Tag erfolgte zwar auch die Postaufgabe des Rekurses; allerdings missachtete die Klägerin, dass Rekurse an den OGH - wie Berufung und Revision - beim Erstgericht einzubringen sind (Kodek in Rechberger², Rz 1 zu § 520). Tatsächlich erhob die Klägerin jedoch den Rekurs beim Berufungsgericht. Dieses leitete den am 11. 4. 2006 eingelangten Rekurs zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung an das Erstgericht weiter, wo er am 12. 4. 2006 einlangte. Da die Postaufgabe innerhalb der Rekursfrist die Rechtzeitigkeit des Rekurses nur dann begründet, wenn der Rekurs an das richtige Gericht adressiert ist, ist für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit auf das Einlangen des Rekurses beim Erstgericht, somit auf den 12. 4. 2006 abzustellen (Kodek aaO Rz 7 vor § 461 mwN). Der Rekurs ist daher verspätet.

Obwohl für die Beklagte die falsche Adressierung des Rechtsmittels ebenso wie das Einlangen des Rechtsmittels beim Berufungsgericht erst am 11. 4. 2006 ersichtlich war, hat sie nicht auf die Verspätung des Rekurses der Klägerin hingewiesen. Sie hat daher die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen, da die Erhebung der Rekursbeantwortung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente.

Der Rekurs der Beklagten ist zwar rechtzeitig, aber unzulässig: Auch wenn das Berufungsgericht zu Recht die Zulässigkeit des Rekurses ausspricht, das Rechtsmittel dann aber nur Rechtsfragen aufwirft, die nicht als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO anzusehen sind, ist der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0048272). Die Beklagte macht in ihrem Rekurs zusammengefasst geltend, dass entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes die Erklärungen des Ehegatten der Beklagten der Klägerin zuzurechnen seien; dass die Globalzessionsvereinbarung zwischen dem Ehegatten der Beklagten und der Klägerin wirksam sei und sich auch auf Forderungen erstrecke, die nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Ehegatten der Beklagten entstanden seien und dass die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass die Klägerin deshalb nicht schadersatzpflichtig sei, weil die Globalzessionsvereinbarung nach Übernahme der Haftung durch die Beklagte geschlossen worden sei, der Rechtsprechung widerspreche.

Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten ohnedies nur für jene Kredite bejahte, bei welchen eine eigenständige schriftliche Haftungserklärung der Beklagten vorliegt, entspricht es der Rechtsprechung (2 Ob 112/00k; SZ 44/59), dass nur dann, wenn der Gläubiger den Schuldner durch einen Verhandlungsauftrag dem Bürgen gegenüber zum „Mann seines Vertrauens" erklärte, der Schuldner als Verhandlungsbeauftragter des Gläubigers anzusehen ist. Für diese Annahme fehlt es hier an Anhaltspunkten.

Ob und in welchem Umfang die Globalzessionsvereinbarung zwischen Schuldner und Klägerin wirksam war, bedarf schon deshalb keiner Erörterung, weil entgegen der in der Revision aufgestellten Behauptung Rechtsprechung besteht, wonach § 1360 ABGB 3. Halbsatz, auf den sich die Beklagte zur Begründung des geltend gemachten Schadenersatzanspruches bezieht, nur anwendbar ist, wenn für die Hauptschuld im Verbürgungszeitpunkt bereits eine Pfandsicherung (hier: Sicherheit durch Globalzession) bestand (vgl die Rechtsprechungsnachweise bei P. Bydlinski in KBB, § 1360 Rz 2). Anderes gilt nur dann, wenn der Bürge aufgrund der Vereinbarung mit dem Gläubiger das Entstehen und Aufrechtbleiben solcher Sicherheiten erwarten durfte (SZ 61/235).

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage war daher auch der Rekurs der Beklagten zurückzuweisen. Eine Rekursbeantwortung wurde von der Klägerin nicht erstattet.

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