OGH 9ObA34/06z

OGH9ObA34/06z12.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Mag. Klaus Michael Fürlinger, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Claus H*****, vertreten durch Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei D***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 186.544,53 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. September 2005, GZ 12 Ra 84/05t-27, womit das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Juni 2005, GZ 9 Cga 274/04w-22, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei sowie der Nebenintervenientin die mit je EUR 2.160,36 (darin enthalten EUR 360,06 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war als Angestellter für eine GmbH tätig und arbeitete am 12. 3. 2002 für diese Angebote in deren Büroräumen aus. Ihm war das Rauchen während der Dienstverrichtung grundsätzlich gestattet. Die letzte von drei Zigaretten rauchte er an diesem Nachmittag um ca 17:30 Uhr. Um ca 17:50 Uhr verließ er das Büro. Kurz danach brach ein Brand aus, der zu erheblichem Sachschaden im Vermögen seines Dienstgebers führte. Die Klägerin leistete als Sachversicherer aufgrund dieses Schadensereignisses Zahlung in einer den Klagebetrag übersteigenden Höhe. Der Beklagte wurde in einem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren rechtskräftig für schuldig erkannt, das Vergehen der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst dadurch verursacht zu haben, dass er am 12. 3. 2002 vor Verlassen seines Arbeitsplatzes Rauchwarenreste unsachgemäß entsorgte. Die Klägerin nahm den Beklagten unter Berufung auf ihre Rechtsstellung als Legalzessionarin auf Schadenersatz in Anspruch. Dieser habe den Brand grob fahrlässig verursacht, indem er unmittelbar nach dem Ausdämpfen der Zigarette das Büro verlassen habe, ohne die ordnungsgemäße Entsorgung der Zigarettenreste zu überprüfen, obwohl die kleine Büroräumlichkeit mit Arbeitsunterlagen überfüllt gewesen sei. Das DHG komme nicht zur Anwendung, weil der Schaden nicht bei Erbringung der Dienstleistung zugefügt worden sei; Rauchen liege ausschließlich im Privatinteresse.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, ihm sei nur eine entschuldbare Fehlleistung vorzuwerfen. Ein allfälliger Schadenersatzanspruch sei jedenfalls gemäß § 6 DHG erloschen, weil die Klage nicht binnen sechs Monaten eingebracht worden sei und ihm kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden zur Last falle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte habe seinem Dienstgeber den Schaden in Ausübung seiner Dienstleistung während der Dienstzeit zugefügt. Er habe durch die fahrlässige unsachgemäße Entsorgung der Rauchwarenreste gegen Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen. Ein Ersatzanspruch unterliege auch bei einem bloß losen Zusammenhang zwischen Dienstverhältnis und unfallverursachendem Verhalten dem DHG. Das Verhalten des Beklagten sei vom DHG erfasst, weil es bei Erbringung einer Dienstleistung erfolgt sei. Rauchen sei als sozialadäquates Verhalten zu beurteilen. Grobe Fahrlässigkeit sei dem Beklagten nicht vorzuwerfen, weil sich die unsachgemäße Entsorgung von Rauchwarenresten in einem Büro, in dem Rauchen grundsätzlich erlaubt ist, aus der Menge der unvermeidlichen Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens nicht heraushebe. Der Anspruch der Klägerin sei somit gemäß § 6 DHG wegen verspäteter Geltendmachung verfristet.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Die Haftungsbegünstigung des DHG greife nur ein, wenn der Dienstnehmer das schädigende Verhalten „bei Erbringung seiner Dienstleistungen" gesetzt habe. Dieses Verhalten müsse daher jedenfalls grundsätzlich im Interesse und zum Nutzen des Dienstgebers erfolgen. Die Anwendung des DHG komme nicht in Frage, wenn die Schädigung im Zusammenhang mit einem Verhalten bewirkt werde, das nicht der Erfüllung der vom Arbeitnehmer übernommenen Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag, sondern ausschließlich den Privatinteressen des Arbeitnehmers diene. Es komme aber nicht darauf an, ob jede einzelne Handlung des Arbeitnehmers und gerade auch die konkret zum Schaden führende Tätigkeit dem Arbeitgeber im Ergebnis auch einen bestimmten Vorteil gebracht habe, sondern nur darauf, ob der Arbeitnehmer grundsätzlich in seiner Funktion als Arbeitnehmer zum Nutzen des Arbeitgebers tätig geworden sei oder bloß gelegentlich der Arbeit seine privaten Interessen verfolgt habe. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte mit Billigung des Arbeitgebers an seinem Arbeitsplatz geraucht. Dies ändere nichts daran, dass er dabei grundsätzlich seinen Dienstpflichten nachgekommen sei, wiewohl dies auch möglich gewesen wäre, ohne zu rauchen. Selbst kurzfristige Arbeitsunterbrechungen (Rauchpausen) würden den Risikozusammenhang in der Regel noch nicht beseitigen, insbesondere wenn die Eingliederung in den Betrieb aufrecht bleibe. Auch Schäden, die der Dienstnehmer durch Unachtsamkeit beim Rauchen während der Arbeit verursache, fielen somit grundsätzlich in den Geltungsbereich des DHG. Dass nicht das Rauchen an sich, sondern die vom Beklagten vorgenommene Entsorgung der Rauchwarenreste ursächlich gewesen sei, könne haftungsmäßig keinen Unterschied bedeuten. Auch das Zusammenräumen des Schreibtisches einschließlich des Entleerens des Aschenbechers vor dem Verlassen der Arbeit zähle zu den üblichen Abschlussarbeiten am Arbeitsplatz und stehe daher noch im unmittelbaren Zusammenhang mit der zuvor erbrachten Dienstleistung. Im vorliegenden Fall habe lediglich festgestellt werden können, dass das Feuer durch unsachgemäß entsorgte Rauchwarenreste verursacht worden sei, wobei der konkrete Geschehnisablauf offen geblieben sei. Für das Vorliegen groben Verschuldens wäre die Klägerin beweispflichtig gewesen. Sie könne in diesem Zusammenhang auch nicht Feststellungsmängel geltend machen, weil sie gar kein konkretes Tatsachenvorbringen über die Art und Weise der Entsorgung der Rauchwarenreste erstattet habe. Insbesondere stehe nicht fest, dass der Beklagte den Aschenbecher unmittelbar nach Ausdämpfen der letzten Zigarette in den Mistkübel entleert habe. Es seien noch andere Brandursachen, wie etwa ein unbemerktes „Verlieren" der Asche, möglich. Angesichts des unpräzisen Vorbringens könne von einem besonders leichtsinnigen Verhalten des Beklagten nicht ausgegangen werden. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Beurteilung des Verschuldensgrads wegen ihrer Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Die (außerordentliche) Revision der Klägerin ist zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zu einem vergleichbaren Fall und zur Abgrenzung rein „privater" Tätigkeiten eines Dienstnehmers von einer Schadenszufügung „bei Erbringung" seiner Dienstleistung fehlt. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass die von der Revisionswerberin ins Treffen geführten höchstgerichtlichen Entscheidungen nicht annähernd gleichgelagerte Sachverhalte zum Gegenstand haben, sodass daraus für ihren Rechtsstandpunkt nichts zu gewinnen ist. Soweit dort die Anwendbarkeit des DHG verneint wurde, fehlte insbesondere jeglicher (auch zeitliche) Zusammenhang zu dienstlichen Tätigkeiten, ging es doch etwa um die unbefugte Verwendung von Fahrzeugen für Privatfahrten nach Diebstahl eines Schlüssels (wbl 1988, 337). Dass ein durch Rauchen am Arbeitsplatz entstandener Brand mit einer mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehenden Dienstleistung „nichts zu tun" habe, kann entgegen der Auffassung der Revisionswerberin nicht gesagt werden. In den übrigen in der Revision angeführten Entscheidungen wurde hingegen ein für die Anwendbarkeit des DHG ausreichender Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Dienstnehmers und dem Arbeitsverhältnis bejaht, wobei einmal ganz allgemein ein „unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Schadenszufügung und der Dienstleistung" gefordert (9 ObA 341/97f:

unzureichende Deponierung übernommener Arbeitsmittel bei Beendigung des Dienstverhältnisses) bzw ausgesprochen wurde, es komme nur darauf an, dass der Schaden „im Sachzusammenhang mit der Dienstleistung" verursacht worden sei (9 ObA 1/01i).

Gerade ein derartiger Sachzusammenhang kann nach Auffassung des erkennenden Senats im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft sein, wurde der Schaden doch durch ein (erlaubtes) Verhalten des Beklagten während des Erbringens seiner Dienstleistung verursacht. Entscheidend ist nicht, ob die konkrete Schadensursache in einem Verhalten liegt, das im Interesse und zum Nutzen des Dienstgebers gesetzt wird, vielmehr kommt es darauf an, ob zum fraglichen Zeitpunkt die Haupttätigkeit des Dienstnehmers der Erfüllung des Dienstvertrags, somit primär dem Interesse des Dienstgebers, gewidmet war. Dass der Dienstgeber darüber hinaus zugleich private Interessen befriedigt, kann jedenfalls dort nicht schaden, wo dies mit der Dienstleistung grundsätzlich ohne weiteres vereinbar ist und das Privatinteresse nicht - für einen nicht ganz unerheblichen Zeitraum - eindeutig die Oberhand über das dienstliche Interesse gewinnt.

Die Revisionswerberin übersieht vor allem die allgemeine Zielrichtung der Haftungsbeschränkungen des DHG, das unter anderem eine volle Haftung des Dienstnehmers entsprechend den Regeln des allgemeinen bürgerlichen Rechts deshalb nicht eintreten lassen will, weil er mit seiner Arbeitstätigkeit in ganz erheblichem Maße auch die Interessen seines Dienstgebers fördert und zudem häufig - meist für ihn nicht beeinflussbar - in einen engen Kontakt zu Vermögenswerten seines Dienstgebers gerät, der das Risiko einer Schädigung dieser Güter mit sich bringt. Die Privilegierung des Dienstnehmers als Schadenersatzschuldner beruht daher auch darauf, dass ein solcher Schaden einerseits für den Dienstgeber (leichter) versicherbar ist und andererseits die potenzielle Schadenssumme die wirtschaftlichen Verhältnisse des Dienstnehmers häufig übersteigen würde (vgl nur Kerschner, DHG² § 1 Rz 22 aE).

Fügt ein Dienstnehmer nun seinem Dienstgeber anlässlich seiner Dienstleistung einen Schaden zu, so wird der geforderte Zusammenhang zwischen der Schadenszufügung und der Dienstleistung nicht dadurch aufgehoben, dass ein erlaubtes, übliches oder sozialadäquates Verhalten, das mit der eigentlichen Dienstleistung nichts zu tun hat, als unmittelbare Schadensursache anzusehen ist (vgl dazu auch Oberhofer, ZAS 1988, 150 ff, Dirschmied, Anm zu RdA 1995/39). Auch ein Dienstnehmer, der sich während seiner Dienstleistung oder in kurzfristiger Unterbrechung derselben (Kerschner aaO Rz 23 mwN) derartigen „privaten" Tätigkeiten (Rauchen, Essen, Trinken, Einnahme von Medikamenten, Aufsuchen des WC, Vornahme gymnastischer Lockerungsübungen ...) widmet, fällt somit weiterhin in den Schutzbereich des DHG (vgl etwa auch 9 ObA 70/91: erlaubte Heimfahrt mit einem - dabei beschädigten - Dienstfahrzeug). Schädigt er dabei den Dienstgeber, ist eine zweite Frage, ob ihm leichte oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen oder gar eine entschuldbare Fehlleistung zuzubilligen ist. Eine Schadenszufügung „bei Erbringung seiner Dienstleistungen" iSd § 2 Abs 1 DHG wird - wie im vorliegenden Fall - jedoch regelmäßig zu bejahen sein.

Zur Frage des dem Beklagten vorzuwerfenden Verschuldensgrades kann grundsätzlich auf die Ausführung des Berufungsgerichts verwiesen werden, denen sich der erkennende Senat anschließt. Der Hinweis der Revisionswerberin, angesichts der strafgerichtlichen Verurteilung könne von einem „nicht nennenswerten" Verschulden nicht gesprochen werden, geht ins Leere, weil damit nur die Berufung auf das Vorliegen einer entschuldbaren Fehlleistung iSd § 2 Abs 3 DHG abgeschnitten wäre. Hier geht es jedoch um die Frage, ob dem Beklagten ein grob schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen ist, wofür es - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - keine ausreichenden Anhaltspunkte gibt und das vom Geschädigten zu beweisen wäre. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass es die Klägerin noch in ihrer Berufung selbst für möglich gehalten hat, dass der Brand durch (unbemerkt) zu Boden gefallene Zigarettenglut entstanden sein könnte. Dass Derartiges auch leicht fahrlässig geschehen kann, ist aber nicht zu bezweifeln.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

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