OGH 13Os35/06f

OGH13Os35/06f14.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juni 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richterin im Evidenzbüro Dr. Kropiunig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rudolf P***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall und 15 sowie 12 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 6. Februar 2006, GZ 602 Hv 2/06m-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung des vom Schuldspruch erfassten Sachverhalts unter §§ 128 Abs 1 Z 4 und 130 vierter Fall StGB, demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechung aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf P***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall und 15 StGB, teils als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er „in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Autoradios in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert,

I.) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Gabor S***** am 15. April 1999 in Graz in 5 bis 6 Angriffen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, Autoradios, mithin fremde bewegliche Sachen, unbekannten Berechtigten durch Öffnen der Fahrzeugtür mittels Einführen eines Eisensägeblatts in den Türspalt bzw. durch Abdrehen des Türschlosses mit einem Schlüsselrohling, mithin durch Einbruch in den abgeschlossenen Fahrgastraum eines Transportmittels, weggenommen und II.) durch Beauftragung mit der Begehung der Taten, durch Festlegung des Tatobjekts, durch Zurverfügungstellung von Einbruchswerkzeug und durch Inaussichtstellung der Abnahme des Diebsgutes zur nachfolgenden Verwertung gegen Bezahlung die abgesondert verfolgten Istvan C***** und György K***** dazu bestimmt, dass diese anderen gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, auf die im Punkt I. bezeichnete Weise durch Einbruch fremde bewegliche Sachen, und zwar Autoradios,

1.) in der Zeit zwischen dem 15. April 1999 und dem 20. Juni 1999 in Graz in sechs Angriffen wegnahmen;

2.) wegzunehmen versuchten, und zwar

a.) am 2. Juli 1999 in Schwechat in drei Angriffen

b.) zwischen dem 15. April 1999 und dem 20. Juni 1999 in Graz in drei Angriffen."

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Zutreffend zeigt die Mängelrüge zunächst auf, dass die für die Annahme eines über 3.000 Euro liegenden Wertes der Diebsbeute und damit für die vorgenommene Subsumtion der Taten unter § 128 Abs 1 Z 4 StGB entscheidenden Feststellungen offenbar unzureichend begründet sind. Denn die Tatrichter haben ihre Konstatierungen, wonach die durch Einbruchdiebstahl in Autos erbeuteten Autoradios einen Wert von über 3.000 Euro hätten, einzig und allein auf die Anzahl der Objekte gestützt (US 7). Im Hinblick auf den bekanntlich niedrigen Zeitwert gebrauchter technischer Geräte (vgl Fabrizy, StGB9 § 128 Rz 4 mwN) kann die vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall zu lösende Wertungsfrage, ob es als notorisch anzusehen sei (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 463), dass der durchschnittliche Wert eines in einem Fahrzeug eingebauten und damit jedenfalls gebrauchten Radios bei etwa 177 Euro liegt, im vorliegenden Fall nicht bejaht werden.

Das Urteil stützt sich damit in einem entscheidungswesentlichen Punkt auf Umstände, die in den vorliegenden Verfahrensergebnissen keine Deckung finden, und ist daher diesbezüglich unzureichend begründet. Ebenfalls zu Recht moniert der Rechtsmittelwerber einen Begründungsmangel (Z 5 zweiter Fall) der Entscheidung hinsichtlich der Feststellung zur gewerbsmäßigen Absicht Rudolf P***** bei der Tatbegehung, die die Tatrichter auf eine Reihe von Indizien, nämlich in erster Linie die „tristen Einkommens- und Vermögensverhältnisse verbunden mit der Häufigkeit und den kurzen Abständen zwischen den Deliktsbegehungen sowie den zitierten Aussagen der beiden bereits im Jahr 1999 Verurteilten" stützten.

Abgesehen davon, dass die angefochtene Entscheidung keinerlei Konstatierungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten im Tatzeitraum enthält, haben die Tatrichter die dieses Kriterium betreffenden Angaben des Zeugen Attila K*****, der - wenn auch ohne Bezifferung des Einkommens - bestätigte, der Angeklagte arbeite seit dem 1. März 1999 in einem gemeinsam gegründeten Unternehmen, das sich mit der Wärmeisolierung von Häusern beschäftige und verfüge mit seiner Familie über eine Wohnung und ein eigenes Auto (S 366 ff), gänzlich unerörtert gelassen und diesem Zeugen nicht global Glaubwürdigkeit abgesprochen, sondern - an anderer Stelle - lediglich Zweifel an dessen Behauptung, einen Aufenthalt P***** in Österreich im Zeitraum 1999 bis 2005 ausschließen zu können, zum Ausdruck gebracht.

Da gegenständlich nicht erkennbar ist, welche Bedeutung das Schöffengericht diesem Teilaspekt seiner Überlegung bei der gerügten Feststellung beigemessen hat und ob dieser nicht etwa vielleicht sogar für die gewonnene Überzeugung den Ausschlag gab, ist die Begründung mangelhaft nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO, zumal die Depositionen der beiden abgesondert als unmittelbare Täter verurteilten Belastungszeugen - teils mangels gezielter Befragung - ebenfalls keine gesicherten Rückschlüsse zulassen, ob die wiederholte Begehung von Diebstählen durch Einbruch bzw die Anstiftung Dritter hiezu zwecks Erzielung einer fortlaufenden Einnahmequelle von der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Angeklagten umfasst war. Die „Häufigkeit und die kurzen Abstände zwischen den Deliktsbegehungen" stellen kein ausreichendes Substrat dar, in dem eine dem § 70 StGB entsprechende Zielsetzung Deckung findet.

Im Übrigen ist die Beschwerde nicht berechtigt.

Der eine Undeutlichkeit des „Urteils" aus Z 5 erster Fall monierenden Mängelrüge ist zu erwidern, dass eine solche nur dann gegeben ist, wenn nicht sowohl für den Beschwerdeführer als auch das Rechtsmittelgericht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 418 f).

Entscheidend im Sinne der Z 5 (wie auch 5a, 9 und 10) sind aber nur jene Tatumstände, welche den Ausschlag dafür geben, ob und welche strafbaren Handlungen „durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagten schuldig befunden worden ist, begründet" werden (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), worunter die - vom Beschwerdeführer als dem Urteil nicht entnehmbar gerügte - exakte Tatzeit, der genaue Tatort, die Person des durch ein Vermögensdelikt Geschädigten (12 Os 118/86, 15 Os 151/03 u. a.), eine detailliert Beschreibung „der aufgebrochenen Autos" und eine „Konkretisierung der angeblich gestohlenen Autoradios" nicht fallen.

Davon zu unterscheiden sind hinwieder einer hinreichenden Individualisierung der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Taten entgegenstehende Undeutlichkeiten, die aus Z 3 anfechtbar sind (Ratz, aaO Rz 13).

Kann die Individualisierung im Urteilsspruch - wie hier mangels Beweises - bloß in Form einer Zusammenfassung gleichartiger, pauschal individualisierter Taten (sogenannte gleichartige Verbrechensmenge) erfolgen, ist dies aber auch unter dem genannten Nichtigkeitsgrund nicht zu beanstanden.

Soweit der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO - neben einer in der Anführung der in den Entscheidungsgründen festgestellten entscheidenden Tatsachen bestehenden Ordnungsfunktion - eine sichere Individualisierungsgrundlage bezweckt, streiten daraus resultierende Zweifel im Fall einer nachfolgenden Verurteilung übrigens für die Annahme von Tatidentität und damit das Vorliegen des aus dem XX. Hauptstück der StPO resultierenden Verfolgungshindernisses (zum Ganzen: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 266 bis 268, 288, 291). Mit dem Einwand, das Erstgericht habe „die Anzahl der Fälle, die auf sein Konto gehen sollen, besonders nicht die Fälle in Punkt I.," nicht begründet, verkennt der Beschwerdeführer die Grenzen des § 270 Abs 2 Z 5 StPO, wonach die Entscheidungsgründe in gedrängter Darstellung abzufassen und die Tatrichter nicht verpflichtet sind, jeden einzelnen von einem Angeklagten oder Zeugen vorgebrachten Satz einer Erörterung zu unterziehen oder sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde dann konkret erhobenen Einwand auseinanderzusetzen.

Der Beschwerde zuwider lassen sich die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zu den einzelnen Taten sehr wohl aus den - unter Erörterung der den Angeklagten entlastenden Aussagen der Zeugen in der Hauptverhandlung vom 6. Februar 2006 für glaubwürdig erachteten - Angaben der abgesondert Verurteilten Istvan C***** und György K***** im Verfahren 11 Hv 17/99 des Landesgerichtes Korneuburg ableiten (US 6; Istvan C*****: S 51, 67, S 185 ff, ON 3 und György K*****: S 55, 183, ON 4, sowie S 3 ff im Hauptverhandlungsprotokoll ON 42 im angeschlossenen Akt). Die konstatierte Anzahl der Rudolf P***** zu Schuldspruch I. angelasteten Diebstähle durch Einbruch steht mit der Verantwortung des Istvan C***** anlässlich seiner Vernehmung durch die Bundespolizeidirektion Graz am 20. Juli 1999, S***** und P***** hätten am 15. April 1999 5 bis 6 wertvolle Autoradios erbeutet (S 185 ff), in Einklang, sodass von einem Begründungsmangel keine Rede sein kann.

In Bezug auf die - einzige Basis des Schuldspruchs bildenden - Angaben der abgesondert als Mittäter verurteilten Zeugen macht der Rechtsmittelwerber aus Z 5 weiters geltend, das Erstgericht habe die Protokolle über deren Vernehmung im genannten Verfahren im Urteil verwertet, obgleich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht ersichtlich sei, ob diese Protokolle tatsächlich verlesen wurde, worauf er jedenfalls nicht verzichtet habe.

Durch die dem Hauptverhandlungsprotokoll entnehmbare Aussage, wonach „der Akteninhalt erörtert" wird (worunter zweifelsfrei auch der des angeschlossenen Aktes zu verstehen ist, auch wenn die ausdrückliche Verlesung des dortigen Urteils gesondert protokolliert ist; S 369), erhellt deutlich genug (auch) dessen - aus Z 3 nicht kritisierte - Wiedergabe. Die als nicht vorgenommen reklamierten Aussagen der abgesondert verurteilten Mittäter aber waren Aktenbestandteil. Die Tatsachenrüge (Z 5a) versucht - die von den Erstrichtern nur hinsichtlich deren ursprünglicher Depositionen für gegeben angenommene - Glaubwürdigkeit der Zeugen Istvan C***** und György K***** in Frage zu stellen, indem sie aus dem Umstand, dass die Genannten im gegen sie geführten Strafverfahren 11 Hv 17/99 des Landesgerichtes Korneuburg nicht, im gegenständlichen Verfahren als Zeugen jedoch unter Wahrheitspflicht standen, ableitet, dass „nach allgemeiner menschlicher Erfahrung" letztere als richtig, die davor getätigten Aussagen demgegenüber aber als Schutzbehauptungen zu qualifizieren seien, die Erklärung der Genannten für die Unrichtigkeit und den Grund ihrer den Angeklagten belastenden ursprünglichen Angaben - entgegen der Ansicht des Erstgerichtes - als schlüssig und der Lebenserfahrung entsprechend ansieht und die gegenteilige Überzeugung der Tatrichter als eklatante Fehleinschätzung einstuft.

Dabei verkennt die Beschwerde die engen Grenzen dieses Nichtigkeitsgrundes (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470) sowie, dass keine erheblichen Bedenken im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes dargestellt werden, indem aktenkundige Beweisergebnisse nicht gegen die Feststellung entscheidender Tatsachen, sondern isoliert gegen den persönlichen Eindruck der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit (oder Unglaubwürdigkeit) einer Beweisperson ins Treffen geführt werden (Ratz, aaO Rz 491). Entgegen dem (inhaltlich auf Z 5 gestützten) Einwand stellen die diesbezüglich ausführlichen Erwägungen des Schöffengerichtes (US 6) auch keine Scheinbegründung dar. Weshalb die alternativen Ausführungen im Urteil, die entlastenden Angaben der Zeugen in der Hauptverhandlung seien entweder auf ihre Angst vor dem Angeklagten oder auf missverstandene Freundschaft zurückzuführen, widersprüchlich im Sinne der Z 5 dritter Fall sein sollen, legt die Rüge nicht dar, zumal die Befürchtung von Repressalien im Rahmen der Vernehmungen im Strafverfahren gegen Istvan C***** und György K***** gar wohl geäußert oder zumindest angedeutet wurden (S 57, 153). Eine Erörterung der bloß die rechtliche Unterstellung der vom Schuldspruch umfassten Taten unter § 128 Abs 1 Z 4 StGB thematisierenden Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) erübrigt sich schon im Hinblick auf die mangelhafte Begründung des Ausspruches eines 3.000 Euro übersteigenden Wertes der Beute.

Der teilweise Erfolg der Mängelrüge führt bei der nichtöffentlichen Beratung zur Aufhebung des Urteils in der rechtlichen Unterstellung des vom Schuldspruch umfassten Sachverhaltes unter §§ 128 Abs 1 Z 4 und 130 vierter Fall StGB einschließlich des Sanktionsausspruches samt Rückverweisung an das Erstgericht (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 1 StPO), sodass die Berufungen auf sich beruhen können. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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