OGH 12Os25/06b

OGH12Os25/06b1.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juni 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Dachler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert P***** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 29. November 2005, GZ 22 Hv 122/05s-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Herbert P***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Herbert P***** der Verbrechen der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (I), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2004/15 (II), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (III) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (IV) sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (V) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Fürstenfeld

I. ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2003 bis Ende Februar 2005 seinen am 22. Dezember 1994 geborenen Sohn Lukas P***** in zahlreichen Angriffen durch die Äußerung, er werde ansonsten die Kindesmutter umbringen, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod einer Sympathieperson, zum Betrachten von Pornozeitschriften, später von Pornofilmen genötigt,

II. ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2003 bis einschließlich 30. April 2004 außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2004/15 seinen am 22. Dezember 1994 geborenen Sohn Lukas P***** in zahlreichen Angriffen durch die Äußerung, er werde ansonsten die Kindesmutter umbringen, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einer Sympathieperson, zur Vornahme und Duldung von Oralverkehr, sohin einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt,

III. vom 1. Mai 2004 bis Ende Februar 2005 seinen am 22. Dezember 1994 geborenen Sohn Lukas P***** in zahlreichen Angriffen durch die Äußerung, er werde ansonsten die Kindesmutter umbringen, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) seiner Mutter, sohin einer Sympathieperson, zur Vornahme und Duldung von Oralverkehr, sohin einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt,

IV. durch die zu Punkt II. und III. beschriebenen Tathandlungen mit einer unmündigen Person dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen (Oralverkehr) unternommen, und

V. am 12. März 2005 durch die Äußerung „Mach Meter bevor es zu spät ist, wenn ich dich erwische, schieße ich dich mit dem Auto ab", seine geschiedene Ehefrau Silvia P***** gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf die Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch das in der Hauptverhandlung vom 29. November 2005 verkündete Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Ergänzung des Gutachtens des psychologischen Sachverständigen Mag. Dr. Roland B***** abgewiesen wurde (S 498/I), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Denn die „Ergänzung des Gutachtens durch den Sachverständigen dahingehend, dass eine testpsychologische Untersuchung des mj Lukas P***** erfolgt und eine Prüfung der Fantasiefähigkeit", wurde vom Verteidiger lediglich zum Beweis dafür beantragt, „dass die Beschuldigungen des mj Lukas P***** unrichtig sind" (S 469/I). Damit enthält der Antrag jedoch in Wahrheit gar kein überprüfbares Beweisthema, weil bloß global und unsubstantiiert der auf die Angaben des Unmündigen gestützte Anklagevorwurf bestritten wird (vgl Mayerhofer StPO5 § 281 Z 4 E 19aa). Darüber hinaus wurde im Beweisantrag nicht dargetan, dass der unmündige Lukas P***** und dessen Mutter Silvia P***** die erforderliche Zustimmung zur ergänzenden psychologischen Exploration erteilt hätten oder erteilen würden (RIS-Justiz RS0097584, RS0108614); auch fehlte die gebotene Aufklärung, welche „offensichtlichen Mängel" im Sinn der §§ 125, 126 StPO eine Ergänzung von Befund und Gutachten des genannten Sachverständigen (vgl S 487 ff/I iVm ON 21) notwendig erscheinen lassen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351). Das auf den letztgenannten Punkt bezogene weitwendige Beschwerdevorbringen hat hingegen auf sich zu beruhen, weil allein der Antrag den Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofes erster Instanz gebildet hat und demnach auch der Oberste Gerichtshof dessen Berechtigung nur auf den Zeitpunkt dieser Entscheidung bezogen zu überprüfen vermag (SSt 41/71; zuletzt 12 Os 30/06p). Der behauptete Verfahrensmangel liegt somit nicht vor. Fehl geht auch die Behauptung der Mängelrüge, das Erstgericht habe seinen Ausspruch über entscheidende Tatsachen unvollständig begründet (Z 5 zweiter Fall), betreffen doch sämtliche in der Beschwerde genannten, unerörtert gebliebenen Beweisergebnisse keine für die Schuldfrage oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes entscheidende Tatsache. So kann dahingestellt bleiben, ob die Annahme des Erstgerichtes zutrifft, der unmündige, altersentsprechend entwickelte (damals 8-jährige) Lukas P***** sei naturgemäß an pornographischen Darstellungen nicht interessiert gewesen (vgl US 5), ist doch lediglich entscheidungswesentlich, dass der Unmündige ohne die festgestellten Drohungen sich zur Ansicht von Pornozeitschriften in Anwesenheit seines Vaters nicht verstanden hätte. Gleichfalls keine entscheidende Tatsache betrifft das unerörtert gebliebene Verhalten der als glaubwürdig erachteten Zeugin Silvia P*****, wonach sie vorerst den erhebenden Gendarmeriebeamten nur einige schriftliche Aufzeichnungen über die Tatschilderungen ihres unmündigen Sohnes Lukas überließ (vgl S 21, 79, 83 f/I), die vom Unmündigen selbst verfertigten Aufzeichnungen (Beilage ./4 zu ON 32) hingegen erst dem Gericht in der Hauptverhandlung vom 29. November 2004 zur Verfügung stellte (S 493 f/I). Keiner näheren Erörterung bedurfte auch die für die Schuldfrage nicht bedeutsame Aussage der Zeugin Silvia P*****, ihr Sohn Lukas habe entgegen ihrer unmittelbar zuvor gemachten Angabe (vgl S 470/I) nicht bloß eine, sondern zwei handschriftliche Aufzeichnungen über die anklagerelevanten Vorfälle mit seinem Vater verfertigt, die zweite Aufzeichnung aber verbrennen dürfen (S 473/I). Die Behauptung schließlich, das Erstgericht habe hinsichtlich der schriftlichen Aufzeichnungen des Minderjährigen auch widersprüchliche Angaben der Zeugin Dr. Karin Z***** übergegangen, legt der Beschwerdeführer nicht deutlich und bestimmt dar.

Mit dem in der Tatsachenrüge (Z 5a) angesprochenen Umstand, dass dem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld vom (richtig:) 20. April 2005 (S 53/I) und den Aussagen der Zeugin Silvia P***** (S 239, 468/I) zufolge die Entlassung des unmündigen Lukas P***** aus der heilpädagogischen Station des Landes Steiermark doch von dessen Bereitschaft abhängig gemacht worden sein könnte, von seinem „Geheimnis" zu erzählen, hat sich das Erstgericht ohnehin auseinandergesetzt (US 14), den daraus in der Beschwerde gezogenen Schluss, Lukas P***** könnte allenfalls deshalb den Angeklagten falsch belastet haben, aber ausdrücklich verworfen (US 14). Der Beschwerdeführer misst somit prozessordnungswidrig die ins Treffen geführten aktenkundigen Beweismittel nicht an der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen (WK-StPO § 281 Rz 487) und vermag damit keine erheblichen Bedenken gegen den Schuldspruch tragende Feststellungen zu erwecken.

Soweit der Nichtigkeitswerber dem Erstgericht auch eine Verletzung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung vorwirft, weil es weitere Aufklärungen über den Einfluss der zwischen dem Unmündigen, seiner Mutter und der psychologischen Betreuerin Dr. Z***** bestehenden Interaktionen auf das Strafverfahren unterlassen, sowie die Umstände der Erstellung der handschriftlichen Aufzeichnungen zum Tatgeschehen nicht näher erhoben habe, macht er nicht deutlich, wodurch er selbst an der Ausübung seines Rechtes, derartige Beweisaufnahmen in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war und daher hätte belehrt werden müssen (§ 3 StPO), um so die Ermittlung der Wahrheit zu fördern (WK-StPO Rz 480). Die gegen die Schuldsprüche gerichteten Rechtsrügen (Z 9 lit a und b) bringt der Beschwerdeführer nicht dem Gesetz gemäß zur Darstellung. Denn mit der unsubstantiierten Behauptung, das Gericht habe „die möglicherweise milieubedingt relativ gewaltbereite Familienatmosphäre sowie den damit verbundenen grundsätzlich intesiveren Sprachgebrauch übersehen", orientiert er sich ebenso wenig am festgestellten Urteilssachverhalt wie mit seinem Vorwurf, die angelasteten Äußerungen seien „nur begrenzt glaubwürdig nachgewiesen". Schließlich unterlässt er es, jenen Strafaufhebungsgrund zu bezeichnen, der ihm in Ansehung des Schuldspruches wegen gefährlicher Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (V.) angesichts der „begreiflichen und heftigen Gemütsbewegung" zu Gute zu halten gewesen wäre.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung des Verteidigers, gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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