OGH 10Ob12/06x

OGH10Ob12/06x22.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder 1. Eric B*****, geboren am 9. August 1991,

2. Sandrine B*****, geboren am 30. September 1992, 3. René B*****, geboren am 22. Dezember 1998 und 4. Corinne B*****, geboren am 18. Jänner 2001, in vorläufiger Obsorge ihrer Mutter Gabriele B*****, diese vertreten durch Mag. Michael Rebasso und Dr. Ulrike Bauer, Rechtsanwälte in Wien, infolge Revisionsrekurses des Vaters Mag. Herwig B*****, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. März 2005, GZ 43 R 78/05x-354, womit infolge Rekurses der Mutter der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24. Oktober 2004, GZ 2 P 181/01k-282, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs und die darin vom Revisionsrekurswerber gestellten Anträge werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Zwischen den Eltern der vier oben angeführten minderjährigen Kinder wird seit 2001 ein außergewöhnlich heftiger Trennungskonflikt geführt, dessen verschiedene Aspekte in mehreren Gerichtsverfahren abgehandelt werden. Mit Beschluss vom 29. 11. 2001 (ON 33) wurde der Mutter die vorläufige Obsorge über die vier gemeinsamen Kinder übertragen. Der Vater hat seit mehr als drei Jahren keinerlei Kontakt zu seinen Kindern. Er beantragte am 19. November 2003 (ON 222) und zuletzt am 1. Oktober 2004 (ON 268), umfassend über die Minderjährigen, insbesondere durch Vorlage von Fotos, Schulzeugnissen, psychotherapeutischen Zeugnissen und Gutachten, ärztlichen Berichten über Krankenstände und/oder erlittene Schäden sowie die Bekanntgabe der Adressen der Wohnung und der Schulen informiert zu werden. Die Mutter habe in „permanenten Rechtsverletzungen und kindeswohlgefährdender Entfremdung seiner Kinder bisher alle Kontaktversuche, Informations- und Äußerungsrechte vorsätzlich zur permanenten Schädigung der Kinder-Vater-Beziehung verletzt."

Nach entsprechenden Mitteilungen des Magistrates der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie vom 15. 10. 2002 (ON 179) bzw vom 31. 1. 2005 (ON 336) erwirkte die Mutter anlässlich ihrer Übersiedlung bei der zuständigen Behörde eine Meldesperre und ermächtigte die zuständige Regionalstelle des Amtes für Jugend und Familie ausdrücklich nicht zur Weitergabe ihrer Meldeadresse und die ihrer Kinder an den Vater der Minderjährigen. Sie hat am 28. Juni 2002 dem Magistrat der Stadt Wien bekanntgegeben, dem Vater Kopien der Zeugnisse der minderjährigen Eric und Sandrine B***** schicken zu wollen. Bei ihrer Einvernahme am 10. 8. 2004 (ON 251) lehnte die Mutter jedoch unter Hinweis darauf, dass sich der Zustand der Kinder mittlerweile stabilisiert habe, jeden Besuchskontakt des Vaters zu den Kindern ebenso ab wie die Übermittlung von Fotos an den Vater. Bei einem Gespräch mit dem Pflegschaftsrichter am 10. 9. 2004 (ON 265) lehnten auch die beiden minderjährigen Eric und Sandrine B***** einen Kontakt zu ihrem Vater bzw die Übersendung von aktuellen Fotos und Zeugnissen an diesen ab.

Das Erstgericht trug der Mutter mit Beschluss vom 24. Oktober 2004 (ON 282) auf, den Vater binnen 3 Wochen durch Übermittlung aktueller Fotos der vier Kinder, der Jahreszeugnisse seit dem Jahr 2001 und durch Übermittlung ärztlicher und psychotherapeutischer Berichte von der persönlichen, schulischen und gesundheitlichen Entwicklung der Minderjährigen zu informieren. Nach seinen Rechtsausführungen sei der Vater gemäß § 178 Abs 1 ABGB im Hinblick auf die Beeinträchtigung seiner persönlichen Kontakte mit den Minderjährigen berechtigt, von der Mutter weitreichend über deren Angelegenheiten informiert zu werden. Dazu zählten jedenfalls der schulische Erfolg der Kinder, wobei die Information über den jeweiligen Jahresabschluss und allfällige Schulwechsel genüge, sowie ihr Gesundheitszustand, wobei angesichts des langen Zeitraumes ohne Information von allem „nicht bloß harmlosen" Erkrankungen zu berichten sei. Die Übermittlung aktueller Fotos könne zumindest zum Teil die mangels persönlicher Kontakte fehlende Möglichkeit, an der Entwicklung der Kinder teilzuhaben, ersetzen. Die Erteilung dieser Informationen sei der Mutter im konkreten Fall auch zumutbar. Hinsichtlich der vom Vater weiters beantragten Bekanntgabe der Wohnadresse seien vor einer Entscheidung noch die Stellungnahme der Mutter und des Magistrates der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, einzuholen. Das Rekursgericht wies in Stattgebung des Rekurses der Mutter mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 8. März 2005 (ON 354) den Antrag des Vaters, ihm aktuelle Fotos der Kinder, die Jahreszeugnisse seit dem Jahr 2001 und ärztliche und psychotherapeutische Berichte zu übermitteln, ab. Es teilte zwar grundsätzlich die Ausführungen des Erstgerichtes, vertrat aber die Ansicht, das Erstgericht habe die besonderen Umstände des äußerst erbittert und in einem außergewöhnlichen Stil geführten konkreten Obsorgeverfahrens nicht ausreichend berücksichtigt. So sei insbesondere darauf zu verweisen, dass sich beide älteren Kinder bei ihrer Befragung begründet gegen die Anträge des Vaters ausgesprochen hätten. Eine Einschränkung der Informations- und Äußerungsrechte des mit der Obsorge nicht betrauten Elternteils sei nach § 178 Abs 3 ABGB etwa dann möglich, wenn der Informationsberechtigte die Information dazu benütze, sich ständig mit Vorschlägen einzumischen, die dem Kindeswohl abträglich seien. Das Erstgericht habe sich die Entscheidung, die Wohnadresse der Kinder bekanntzugeben, vorbehalten. Durch die Übermittlung von Fotos und insbesondere personenbezogenen Daten, wie Schulzeugnissen, auf denen auch der gegenwärtige Schulort abgelesen werden könne, sowie Unterlagen über den Gesundheitszustand der Kinder sei im vorliegenden Fall im Hinblick auf die aktenkundige Vorgeschichte sehr wohl zu befürchten, dass der Vater versuchen werde, Einfluss auf die Kinder zu nehmen, die durch den verbitterten Streit der Eltern ohnedies bereits weit über das normale Maß hinaus belastet seien. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Gefährdung des Kindeswohls im Sinn des § 178 Abs 3 ABGB bisher nur die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 3 Ob 303/02h vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen diesem Ausspruch der zweiten Instanz, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Vorerst ist darauf hinzuweisen, dass das mit Beschluss des Erstgerichtes vom 28. 1. 2005 (ON 318) bis zum Abschluss des Verfahrens, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für den Vater der Minderjährigen überprüft wird, unterbrochene - gegenständliche - Pflegschaftsverfahren nach Vorliegen des Beschlusses des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 8. 3. 2005 (ON 357) über die Einstellung des Verfahrens zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters vom Erstgericht wieder fortgesetzt wurde (ON 361). Mit weiterem Beschluss des Erstgerichtes vom 27. 10. 2005 (ON 487) wurde das gegenständliche Pflegschaftsverfahren neuerlich zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für den Vater der Minderjährigen unterbrochen. Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 11. 2. 2006 (ON 542) wurde das gegenständliche Pflegschaftsverfahren im Hinblick auf die im Sachwalterverfahren mit Beschluss vom 24. 1. 2006, 80 P 212/05y-81, erfolgte Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für den Vater der Minderjährigen zur Vertretung im gegenständlichen Pflegschaftsverfahren wieder fortgesetzt. Da diese Bestellung des einstweiligen Sachwalters für den Vater der Minderjährigen mittlerweile mit Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29. März 2006, 44 R 162/06h, ersatzlos aufgehoben wurde, bedurfte es nicht mehr der Einleitung eines Verbesserungsverfahrens (Genehmigung der bisherigen Verfahrensführung durch den einstweiligen Sachwalter) für die inhaltliche Behandlung des vorliegenden Revisionsrekurses. Im Übrigen kann gemäß § 26 Abs 1 letzter Satz AußStrG die Sachentscheidung auch während einer Unterbrechung des Verfahrens ergehen, wenn die Sache - wie im vorliegenden Fall - bereits vor der Unterbrechung zur Entscheidung reif war.

Im Revisionsrekurs wird auch eine Nichtigkeit wegen Befangenheit der mit der Rekursentscheidung befassten Richter des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien releviert, weil der Vater gegen die Senatsmitglieder bereits mehrfach Strafanzeigen erstattet habe und auf Grund der (auch) durch das Rekursgericht verursachten unzumutbaren langen Verfahrensdauer ein Amtshaftungsverfahren beim Landesgericht Innsbruck anhängig sei.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der ebenfalls einen Rekurs des Vaters als Ablehnungswerber betreffenden Entscheidung 8 Ob 21/05d vom 17. 3. 2005 angemerkt hat, stellte der Vater in der gegenständlichen Pflegschaftssache sowie in einer Reihe weiterer Verfahren wiederholt Ablehnungsanträge gegen die jeweils tätig gewordenen Richter, die ihm nicht genehme Entscheidungen gefällt hatten. Es wurde in dieser Entscheidung bereits darauf hingewiesen, dass rechtsmissbräuchlich ständig wiederholte Ablehnungsanträge nicht zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht werden müssen. Inhaltlich gleichartige Ablehnungsanträge des Vaters wurden bereits wiederholt rechtskräftig zurückgewiesen (vgl 12 R 245/05w, 12 R 237/05v jeweils des Oberlandesgerichtes Wien). Da rechtsmissbräuchlich unzulässig ständig wiederholte Ablehnungsanträge somit nicht zum Gegenstand einer Entscheidung des für Ablehnungen gemäß § 23 JN zuständigen Senates des jeweiligen Gerichtshofes zu machen sind, kann im vorliegenden Fall sofort in der Sache selbst entschieden werden. Einleitend ist festzustellen, dass ausschließlich die vom Vater im Sinn des § 178 ABGB idF KindRÄG 2001 (BGBl I 2000/135) geltend gemachten und vom Erstgericht auch bereits materiell beurteilten Informationsrechte Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, weshalb auf die andere Rechtsfragen betreffenden Ausführungen und Anträge im Rechtsmittel nicht weiter einzugehen ist. Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 3 Ob 303/02h grundsätzliche Ausführungen über den Umfang dieser Informations- und Äußerungsrechte, den Zusammenhang von Besuchsrecht und Informations- und Äußerungsrecht sowie über die Möglichkeit der Einschränkung bzw Entziehung des Informations- und Äußerungsrechts getätigt. Das Rekursgericht hat sich bei seiner Entscheidung an diesen Grundsätzen orientiert. Im Wesentlichen geht es im vorliegenden Verfahren um die Frage, ob eine Einschränkung bzw gänzliche Entziehung dieser Informations- und Äußerungsrechte im Sinn des § 178 Abs 3 ABGB gerechtfertigt ist. Eine solche Einschränkung bzw Entziehung ist nach dieser Gesetzesstelle nur dann möglich, wenn durch die Wahrnehmung dieser Rechte das Wohl des Kindes ernstlich gefährdet ist oder der mit der Obsorge nicht betraute Elternteil sie in rechtsmissbräuchlicher oder für den anderen in unzumutbarer Weise in Anspruch nimmt. Nach den bereits in der Entscheidung 3 Ob 303/02h dargelegten Ausführungen ist im Gesetz nicht klar geregelt, wann eine „ernstliche" Kindeswohlgefährdung vorliegt. Nach der Lehre könnte eine solche etwa dann vorliegen, wenn der Informationsberechtigte die Information dazu benützt, sich seinen Verpflichtungen gegenüber dem Kind zu entziehen, oder sich ständig mit Vorschlägen einmischt, die dem Kindeswohl abträglich sind. Hingegen bedeute etwa die Bekundung mangelnden Interesses am Kind oder der inneren Ablehnung des Kindes in der Regel keine so ernste Kindeswohlgefährdung, dass mit Einschränkung oder Entzug der Informations- und Äußerungsrechte vorzugehen sei, zumal durch dieses Recht eher der Kontakt mit dem Kind nicht berührt zu werden brauche.

Die nach pflichtgemäßen Ermessen zu treffende Entscheidung, ob bzw inwieweit die Informations- und Äußerungsrechte des mit der Obsorge nicht betrauten Elternteils unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände eingeschränkt oder entzogen werden sollen, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Es kann ihr deshalb in der Regel keine Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden, sofern nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (vgl zum ähnlich gelagerten Besuchsrecht: RIS-Justiz RS0097114). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Es hat bereits das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass das gegenständliche Pflegschaftsverfahren vor allem von Seiten des Vaters äußerst erbittert und in einem „außergewöhnlichen" Stil geführt wird. Sein Verhalten gegenüber den mit diesem Verfahren befassten bzw an diesem Verfahren beteiligten Personen (Kindesmutter, Richtern, Sachverständigen, Mitarbeitern des Jugendamtes ................) ist dabei so massiv von unsachlicher und beleidigender Feindseligkeit sowie Aggression geprägt, dass er neben der Erstattung einer Vielzahl von Anzeigen, Dienstaufsichtsbeschwerden usw sogar vor strafrechtlich verfolgbaren Drohungen und Beleidigungen gegen diese Personen nicht zurückschreckt (vgl ON 190, 378, 510, 511 uva; Akt 71 Hv 152/04y des Landesgerichtes für Strafsachen Wien). Es besteht daher, wie die Revisionsrekursbeantwortung zutreffend anmerkt, die konkrete ernste Gefahr, dass jede - auch eingeschränkte - Information über Lebensumstände der minderjährigen Kinder vom Vater dazu missbraucht werden wird, davon (auch von den begehrten Fotos) in einer dem Kindeswohl abträglichen Weise Gebrauch zu machen, sowie weitere Auseinandersetzungen und Konfliktfelder aufzubrechen, die nicht nur gegen die am Pflegschaftsverfahren in irgend einer Weise beteiligten Personen, sondern auch gegen andere Personen gerichtet sind, die mit den minderjährigen Kindern zu tun haben (Lehrer, Ärzte usw), was ebenfalls zwangsläufig dem Kindeswohl in einem beträchtlichen Ausmaß abträglich wäre. Das Rekursgericht hat ebenfalls bereits darauf verwiesen, dass die minderjährigen Kinder durch den verbitterten Streit ihrer Eltern bereits weit über das normale Maß hinaus belastet sind, sodass Möglichkeiten für weitere Eskalationen, die durch Informationen über die Lebensumstände der minderjährigen Kinder geschaffen werden können, im Interesse und zum Wohl der Kinder tunlichst zu vermeiden sind. Schließlich besteht die Gefahr, dass der Vater versucht, mit Hilfe der von ihm geforderten Informationen den Aufenthaltsort der Kinder herauszubekommen und dadurch die noch ausständige Entscheidung des Erstgerichtes über sein Begehren nach Bekanntgabe der Wohnadresse der Kinder zu unterlaufen. In der Ansicht des Rekursgerichtes, dass die Wahrnehmung der Informationsrechte durch den Vater im vorliegenden außergewöhnlichen Fall zu einer ernstlichen Gefährdung des Kindeswohls im Sinn des § 178 Abs 3 ABGB führen würde, kann daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden. Der Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

Zu der vom Revisionsrekurswerber angeregten Vorgangsweise im Sinn des § 84 StPO sieht sich der erkennende Senat auf Grund der gegebenen Aktenlage nicht veranlasst.

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