OGH 7Ob103/06g

OGH7Ob103/06g10.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Christoph L*****, geboren am 26. Juli 1991, *****, vertreten durch die Mutter Ulrike L*****, ebendort, diese vertreten durch Dr. Günter Klepp und andere, Rechtsanwälte in Linz, über den Revisionsrekurs des Vaters Wolfgang L*****, vertreten durch Dr. Josef Kehrer, Rechtsanwalt in Traun, wegen Unterhaltsfestsetzung, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 26. Jänner 2006, GZ 15 R 466/05p-U14, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichtes Traun vom 2. November 2005, GZ 1 P 662/05y-U10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Der am 26. 7. 1991 geborene minderjährige Christoph ist das eheliche Kind seiner inzwischen mit Urteil des Bezirksgerichtes Traun vom 19. 1. 2006 geschiedenen Eltern. Das Kind befindet sich bei der Mutter in Obsorge.

Bereits am 13. 6. 2005, also noch während dieses behängenden Scheidungsverfahrens, beantragte die Mutter, den Vater rückwirkend ab 1. 1. 2005 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Sohnes zu monatlichen Unterhaltszahlungen von EUR 700 für diesen zu verpflichten. Zur Begründung brachte sie vor, dass sich der Vater weigere, seine gesetzliche Unterhaltspflicht zu erfüllen. Sein mit bloß EUR 1.583 monatlich netto behauptetes Einkommen sei „definitiv unrichtig"; der Mutter lägen Nachweise vor, dass er von Seiten einer anderen Konzernunternehmung seines Dienstgebers „in ganz erheblichem Umfang" zusätzliche Zahlungen bekomme und so durchschnittlich monatlich EUR 4.500 verdiene.

Das Erstgericht forderte hierauf den Vater zur Äußerung gemäß § 17 AußStrG binnen drei Wochen samt Beisatz auf, „sämtliche bezughabende und zweckdienliche Unterlagen, insbesondere Einkommensunterlagen der letzten sechs Monate und Nachweise über gesetzliche Sorgepflichten" anzuschließen, allenfalls auch das beiliegende Formblatt vom Dienstgeber ausfüllen und bestätigen zu lassen. Die eigenhändige Zustellung erfolgte am 4. 10. 2005, wobei die Frist - nach Bekanntgabe der anwaltlichen Vertretung des Vaters - antragsgemäß bis 27. 10. 2005 erstreckt wurde.

An diesem letzten Tag der gesetzten Frist erfolgte seitens des Vaters eine Urkundenvorlage in Form einer Gehaltsauskunft samt Hinweis, dass sein monatliches Nettoeinkommen nur EUR 1.652,42 betrage. Eine firmenmäßige Unterfertigung befindet sich unter der Gehaltsauskunft nicht; lediglich auf dem Deckblatt in Beantwortung einer Anfrage im Unterhaltsverfahren ist der Stempel einer Steuerberatungskanzlei samt Unterschrift vorhanden.

Das Erstgericht verpflichtete hierauf - ohne weitere Beweisaufnahme - den Vater zu den beantragten monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von EUR 700 ab 1. 1. 2005. Ohne nähere Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenssituation zu treffen, führte es unter Hinweis auf § 17 AußStrG rechtlich aus, dass infolge Nichtäußerung des Vaters das Vorbringen, wonach Christoph von der Mutter betreut werde und sich der Vater weigere, entsprechenden Unterhalt zu leisten, als zugestanden zu betrachten sei. Der Vater habe auch nicht widersprochen, von einem anderen Konzernunternehmen seines Dienstgebers erhebliche zusätzliche Zahlungen zu erhalten und dadurch ein Einkommen von durchschnittlich monatlich EUR 4.500 zu erzielen. Der Vater habe sich auch nicht gegen seine Leistungsfähigkeit ausgesprochen. Die nicht unterfertigte Gehaltsbestätigung reiche als Äußerung gemäß § 17 AußStrG nicht aus.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte es aus:

Der neue § 17 AußStrG sehe keine Anerkenntnisfiktion vor, sondern lege lediglich fest, dass das Gericht grundsätzlich davon ausgehen könne, dass zu dem zur Kenntnis Gebrachten kein weiteres bzw anderes Vorbringen erstattet werde und daher kein Einwand gegen die im Antrag behaupteten oder vom Gericht erhobenen Tatsachen bestünden, diese also als zugestanden zu gelten hätten. In seiner Urkundenvorlage sei der Vater dem einzelnen Vorbringen im Unterhaltsfestsetzungsantrag nicht entgegengetreten, sondern er habe lediglich auf die vorgelegte Gehaltsauskunft und darauf verwiesen, dass er ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.652,42 beziehe. Zum detaillierten Vorbringen im Antrag, dass er neben seinem - von ihm angegebenen - Einkommen inklusive Sonderzahlung von EUR 1.583 zusätzliche Zahlungen von Seiten eines Konzernunternehmens seines Dienstgebers in erheblichem Umfange beziehe, sodass davon ausgegangen werden könne, dass er dadurch in Summe monatlich durchschnittlich EUR 4.500 ins Verdienen bringe, habe sich der Vater hingegen in keiner Weise geäußert. Er habe den behaupteten Zuverdienst vielmehr nicht bestritten, sondern sich dazu - auch im Rekurs - „gänzlich verschwiegen". Angesichts der Absicht des Gesetzgebers, auf eine Verfahrensbeschleunigung hinzuwirken, träten die Rechtsfolgen des § 17 AußStrG auch zu diesem einzelnen relevanten Punkt des Antrages ein, nachdem der Vater dazu keinerlei Vorbringen erstattet habe. Auch der Akteninhalt spreche nicht gegen die Richtigkeit dieses Vorbringens. Es sei aus dem Akteninhalt nicht zu entnehmen, dass der zur Äußerung aufgeforderte Vater ungeachtet seines Schweigens zu diesem Punkt dem Antrag entgegentrete, zumal die vorgelegte Gehaltsauskunft lediglich ein Nettoeinkommen des Vaters bei der Firma G***** in Wien enthalte, dieser Auskunft jedoch keinerlei Ergebnis betreffend die behaupteten, unwidersprochen gebliebenen zusätzlichen Zahlungen von Seiten der Firma G***** Ltd. zu entnehmen sei. Zusammengefasst habe das Erstgericht sohin rechtsrichtig die Bestimmung des § 17 AußStrG angewandt.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil es zur Frage der Anwendung des § 17 AußStrG im Falle der Nichtäußerung zu einzelnen Bestandteilen des Einkommens bislang an einer oberstgerichtlichen Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen „ersatzlos aufzuheben" und „das Verfahren dem Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen". Seitens des Minderjährigen wurde eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet, in welcher beantragt wird, dem Rechtsmittel des Gegners keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Nach dem mit „Säumnisfolgen" übertitelten § 17 des neuen AußStrG BGBl I 2003/111 „kann das Gericht eine Partei unter Setzung einer angemessenen Frist auffordern, sich zum Antrag einer anderen Partei oder zum Inhalt der Erhebungen zu äußern, ... Lässt die Partei die Frist ungenützt verstreichen ..., so kann das Gericht annehmen, dass keine Einwendungen gegen die Angaben der anderen Partei oder gegen eine beabsichtigte Entscheidung auf der Grundlage des bekanntgegebenen Inhalts der Erhebungen bestehen. Die Aufforderung zur Äußerung sowie die Ladung haben einen Hinweis auf diese Rechtsfolge zu enthalten und sind wie eine Klage zuzustellen ..." Die Bestimmung ist nach dem Vorbild des früheren § 185 Abs 3 AußStrG aF gestaltet, welche sich „im Interesse eines beschleunigten Verfahrens hervorragend bewährt" habe (Materialien in den Erl zur RV, abgedruckt in Fucik/Kloiber, Außerstreitgesetz 102). Die Bestimmung enthält - wie das Rekursgericht insoweit zutreffend bereits hervorgehoben hat - „keine Anerkenntnisfiktion, sondern nur einen Einwendungsausschluss auf Tatsachenbasis"; die Unterlassung einer Äußerung ist damit auch „nicht von beweisbefreiender Wirkung", weil das Geständnis für sich allein genommen weitere Beweisaufnahmen nicht verbietet, sondern nur - mangels konkreter Bedenken - keinen Anlass zu weiteren Beweisaufnahmen bietet (Fucik/Kloiber aaO 103 sowie Rz 2; Mayr/Fucik,

Das neue Verfahren außer Streitsachen, Rz 212; Feil, Außerstreitgesetz Rz 3 zu § 17). Einem Beteiligten, der ordnungsgemäß zur Äußerung aufgefordert worden ist, der sich aber daraufhin nicht geäußert und damit keine eigenen Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat, ist es auch verwehrt, dem Sachverhaltsbild, von dem das Gericht bei seiner Entscheidung im Hinblick auf das Schweigen des Beteiligten ausgehen durfte, im Rechtsmittel neue, davon abweichende Behauptungen tatsächlicher Art entgegenzuhalten (Fucik/Kloiber aaO Rz 4; RIS-Justiz RS0006941; RS0006783).

Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor.

Der Vater hat - im Sinne der einleitend wiedergegebenen Aufforderung des Erstgerichtes vom 20. 6. 2005 - nicht nur fristgerecht (am letzten Tag der bewilligten Verlängerung) eine „Einkommensunterlage" in Form einer (von einer Steuerberatungskanzlei beigeschafften, wenngleich nicht vom Dienstgeber unterfertigten) Dienstgeberbestätigung vorgelegt, sondern sich auch durch seinen gewählten Vertreter dahin geäußert, dass sein monatliches (und damit für die Unterhaltsbemessung maßgebliches) Nettoeinkommen bloß EUR 1.652,42 betrage, also gerade nicht die von der Mutter in Vertretung des minderjährigen Sohnes in ihrem Antragsschriftsatz unterstellten „durchschnittlich EUR 4.500" ausmache. Dass diese Gehaltsauskunft vom Steuerberater zunächst an den Dienstgeber gefaxt und von dieser (entgegen dem ausdrücklichen handschriftlichen Ersuchen der Steuerberatungskanzlei um firmenmäßige Unterfertigung) ohne gesonderte Fertigung dem Rechtsanwalt weitergeleitet worden war, vermag in diesem Zusammenhang nicht zum Nachteil dessen Mandanten und nunmehrigen Rechtsmittelwerbers auszuschlagen. In Verbindung mit der - freilich nur knapp und äußerst kursorisch gehaltenen - Äußerung konnte jedenfalls diese Stellungnahme insgesamt vernünftigerweise nicht anders verstanden werden, als dass der Vater dem im Antragsschriftsatz der Mutter behaupteten Nettoeinkommen in fast dreifacher Höhe entgegentrete und ein solches als Unterhaltsbemessungsgrundlage gerade nicht zugestehe. Wenn sich das Erstgericht daher - vom Rekursgericht gebilligt - ohne weitere Beweisaufnahme dennoch sogleich über diese Äußerung des Vaters zur Gänze hinwegsetzte und die Behauptungen der Mutter ungeprüft als wahr und maßgeblich unterstellte, entschied es tatsächlich im Sinne einer Säumnisentscheidung, wie sie aber gerade im außerstreitigen Verfahren weder nach altem noch nach neuem Recht statuiert war bzw ist. Die vom Rekursgericht in diesem Zusammenhang für seinen Standpunkt zitierte Entscheidung 1 Ob 16/00k (SZ 73/119) kann schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis führen, weil der Vater hier ein Vorbringen zum gesamten relevanten Punkt des Antrages, nämlich der Bemessungsgrundlage erstattete. Um andere für die Unterhaltsbemessung maßgebende Parameter (1 Ob 16/00k: Vom Kind im Erhöhungsantrag behaupteter Wegfall einer weiteren Sorgepflicht des Unterhaltsschuldners) ging es hier nicht.

In Stattgebung des Rechtsmittels sind daher die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und es ist dem Erstgericht die Beweisaufnahme und neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Stichworte