OGH 7Ob74/06t

OGH7Ob74/06t26.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Hannes A*****, in Obsorge der Mutter Ing. Manuela A*****, vertreten durch Dr. Kurt Janek, Rechtsanwalt in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters DI Herbert A*****, vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2. Jänner 2006, GZ 44 R 334/04z-338, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 21. Mai 2004, GZ 1 P 2256/95b-314, infolge Rekurses des Vaters bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG aF zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass, da die Entscheidung erster Instanz vor dem 1. 1. 2005 gefällt wurde, hier noch die vor der Außerstreitreform (BGBl I 2003/112) in Geltung gestandenen Vorschriften über Rechtsmittel weiter anzuwenden sind (§ 203 Abs 7 AußStrG neu). Dies ist allerdings nicht weiter entscheidungserheblich. Die vom Revisionsrekurswerber angestrebte, mit einer Entziehung der Elternrechte der obsorgeberechtigten Mutter verbundene Änderung der Obsorgeverhältnisse darf vom Pflegschaftsgericht nur angeordnet werden, wenn sie im Interesse des Kindes dringend geboten ist, wobei bei Beurteilung dieser Frage ein strenger Maßstab anzulegen ist (RIS-Justiz RS0048699; RS0047841), da die Änderung der Obsorgeverhältnisse nur als Notmaßnahme angeordnet werden darf (SZ 65/84; 10 Ob 92/01d; 7 Ob 79/05a uva). Der Obsorgeberechtigte muss demnach die elterlichen Pflichten subjektiv gröblich vernachlässigt oder objektiv nicht erfüllt und durch sein Gesamtverhalten das Wohl des Kindes gefährdet haben (RIS-Justiz RS0048633). Bei der Entscheidung über die Obsorge für ein Kind ist ausschließlich dessen Wohl maßgebend, wobei nicht nur von der momentanen Situation ausgegangen werden darf, sondern auch Zukunftsprognosen zu stellen sind (RIS-Justiz RS0048632). Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Wechsel in der Obsorge nach Möglichkeit zu vermeiden (Stabentheiner in Rummel³ ErgBd § 176 ABGB Rz 3 mwN). Die Entziehung der Obsorge ist demnach nur dann geboten, wenn der das Kind betreuende Elternteil seine Erziehungspflichten vernachlässigt, seine Erziehungsgewalt missbraucht oder den Erziehungsaufgaben nicht gewachsen ist (1 Ob 172/01b ua).

Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil die Obsorge zukommen soll, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab und berührt daher, sofern keine Verletzung der leitenden Grundsätze der Rechtsprechung vorliegt, keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 14 Abs 1 AußStrG aF (RIS-Justiz RS0115719). Eine Missachtung der Grundsätze der Rechtsprechung zur Obsorgeübertragung ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Die Ansicht des Rekursgerichtes, die Erziehungseignung der Mutter sei trotz deren Erkrankung an Anorexia nervosa nicht beeinträchtigt, stützt sich nicht nur auf den persönlichen Eindruck des Rekursgerichts, sondern insbesondere auch auf die Ausführungen des nunmehr beigezogenen Sachverständigen.

Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die vom Revisionsrekurswerber darin erblickt wird, dass das Rekursgericht seinen Anträgen auf Ergänzung des Sachverständigengutachtens nicht entsprochen hat, ist nicht gegeben. Der im Obsorgeverfahren herrschende Untersuchungsgrundsatz (9 Ob 143/98i ua) geht nicht so weit, dass sämtliche erdenklichen Beweise aufgenommen werden müssten; die Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes liegt vielmehr im pflichtgemäßen richterlichen Ermessen (RIS-Justiz RS0043368). Soweit die vom Revisionsrekurswerber geforderten Sachverhaltsergänzungen nicht ohnehin die einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogene Beweiswürdigung betreffen, kann eine Überschreitung des dem Rekursgericht eingeräumten Ermessensspielraums nicht erkannt werden. Von einer Verletzung des Parteiengehörs kann entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers keine Rede sein.

Soweit dieser noch unterstellt, dass die Obsorge faktisch den mütterlichen Großeltern übertragen worden sei, entfernt er sich von den Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanzen. Insofern ist seine Rechtsrüge nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt und daher unbeachtlich. Da der Revisionsrekurswerber somit insgesamt keinen tauglichen Zulassungsgrund aufzuzeigen vermag, muss sein demnach unzulässiges außerordentliches Rechtsmittel zurückgewiesen werden. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 16 Abs 4 AußStrG aF iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte