OGH 4Ob13/06z

OGH4Ob13/06z20.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Austrian A***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Zahlung einer angemessenen Vergütung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 100.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 30. November 2005, GZ 5 R 223/05h-12, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 1. September 2005, GZ 39 Cg 42/05b-6, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.533,04 EUR (darin 588,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Luftfahrtunternehmen, die Flugpassagiere auf teilweise denselben Flugstrecken befördern. Zu den Kosten eines Luftfahrtunternehmens gehören ua auch jene für Treibstoff, Flugsicherung und die Infrastruktur auf Flughäfen (Lande-, Hangar- und Parktarif, Infrastruktur- und Fluggasttarif sowie der Sicherheitsbeitrag).

Die Beklagte bewirbt seit März 2005 unter der Bezeichnung „red ticket" in Printmedien, auf Plakaten, in Reisebüros, im Fernsehen, im Radio und im Internet von ihr durchgeführte Flüge mit besonders günstigen Preisen. Im April und Mai 2005 kündigte die Beklagte im Raum Wien auf Plakatwänden an: „I´ll be back. Rückflug inklusive. Paris (oder beispielsweise auch: London) EUR 99. Austrian red ticket Austrian Best Price". Tatsächlich setzte sich der endgültige Preis - beispielsweise für ein Ticket Wien-London-Wien - aus dem Ticketpreis von 99 EUR, Steuern und Zuschlägen von 59,49 EUR und einem buchungsabhängigen Bearbeitungsentgelt von 8 EUR bis 19 EUR zusammen, sodass sich ein Gesamtpreis von 166,49 EUR bis 177,49 EUR ergab; bei Abflug aus einer Landeshauptstadt kam dazu noch ein Bundesländerzuschlag von 40 EUR. Auf einer hellblau unterlegten Leiste am unteren Abschluss der Plakatwerbung befand sich ein Hinweis, dass sich der Preis exklusive Flughafengebühren, Steuern, der Ticket Service Charge und der Treibstoffzuschläge verstehe und dass ein Bundesländerzuschlag verrechnet werde; die Lesbarkeit dieses Hinweises war aber wegen der Schriftgröße und der oft größeren Entfernung des Lesers zum Werbeträger sehr eingeschränkt. Ende März 2005 bewarb die Beklagte auf der Homepage zweier Printmedien Flugtickets für im Internet zu buchende Flüge mit einem Preis von 66 EUR; dazu erschienen auf der Homepage zweier Printmedien folgende Ankündigungen: „Austrian red ticket London, Rom, Amsterdam, Paris und Kopenhagen um 66 EUR". Auf der Internetseite der Beklagten wurde darauf hingewiesen, dass sich die Preise exklusive Gebühren, Taxen und Zuschlägen von maximal 79 EUR, ab den Bundesländern exklusive Zuschlägen von maximal 34 EUR verstünden und dass dazu noch ein Bearbeitungsentgelt von 8 EUR bis 19 EUR verrechnet werde; der Preis für Flüge nicht von Wien, sondern von Landeshauptstädten aus betrage 99 EUR. Damit waren für ein Ticket Wien-Amsterdam-Wien bei der Beklagten im Rahmen dieser Aktion neben dem Ticketpreis von 66 EUR noch Steuern und Zuschläge von 76,12 EUR und ein Bearbeitungsentgelt von 8 EUR, zusammen daher 150,12 EUR aufzuwenden. In den in Zeitungen erschienen Werbeankündigungen der Beklagten befand sich im unteren Bereich eine Leiste mit folgendem Hinweis in um ein Zehntel kleinerer Schrift: „Preise exkl Flughafengebühren, Steuern (max 65 EUR ab Wien bzw max 107 EUR ab Bundesländerflughäfen). Ticket Service Charge für von Austrian ausgestellte Tickets (zwischen 8 EUR und 24 EUR) und Treibstoffzuschläge (zwischen 14 EUR und 28 EUR).

Bundesländerzuschlag: 40 EUR." Im Schaufenster des Stadtbüros der Beklagten in Wien 1 befand sich am 9. 5. 2005 ein Werbeplakat mit der Ankündigung „Paris ab 99 EUR" ohne Hinweis darauf, dass zu diesem Preis noch Steuern und Zuschläge, Bearbeitungsentgelt und allenfalls ein Bundesländerzuschlag hinzukommen.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin, der Beklagten - ohne zeitliche Einschränkung - zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Beförderung von Passagieren mit Luftfahrzeugen mit Preisen zu bewerben, welche unterhalb jenes niedrigsten Gesamtpreises liegen, den ein Passagier für die Beförderung an die Beklagte zu zahlen hat, insbesondere die Beförderung von Passagieren mit Luftfahrzeugen mit Preisen zu bewerben, die exklusive des Bearbeitungsentgeltes und/oder des Treibstoffzuschlages und/oder des Sicherheitsbeitrages und/oder des Fluggasttarifes und/oder des Infrastrukturtarifes 'Passage' angegeben werden. Die Beklagte bewerbe ihre Dienstleistungen mit irreführenden Angaben, weil sie kein einziges Ticket um den beworbenen Preis verkaufe, sondern - unter Hinzurechnung verschiedener Zuschläge - ein Vielfaches davon in Rechnung stelle. Sofern die Ankündigung einen Hinweis auf Zuschläge enthalte, sei dieser kaum lesbar. Die Beklagte erwecke auch den unrichtigen Eindruck, dass es sich bei dem als „Steuern, Gebühren und Taxen" bezeichneten Tarifteil um Kosten handle, die mit ihre Beförderungsentgelten nichts zu tun hätten, sondern vom Flugpassagier Dritten geschuldet würden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Der Gesamtpreis einer Luftbeförderungsleistung könne erst unmittelbar vor der Buchung genau angegeben werden, weil die Höhe der Zuschläge von verschiedenen Faktoren in unterschiedlicher Höhe (Flughafentaxen, Treibstoffzuschlag je nach Destination und Unternehmen, Bearbeitungsentgelt je nach Art und Ort der Buchung) abhänge. Dem Kunden werde noch vor seiner Buchung der Gesamtpreis genannt. Das Begehren sei verfehlt, weil es nicht möglich sei, die Höhe etwa des Fluggast- und des Infrastrukturtarifes oder der Sicherheitszuschläge anzugeben, noch bevor feststehe, welche Route gebucht werde und welche Gebühren daher anfallen würden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Internetwerbung der Beklagten sei nicht irreführend, weil der Interessent nach Aufruf der Internetseite der Beklagten auf die weiteren Kosten hingewiesen werde. Was die Werbung in Zeitungen, Auslagen und auf Megaboards betreffe, so wisse jeder durchschnittlich aufmerksame Flugpassagier, dass zu den beworbenen Preisen in der Regel noch Zuschläge in unterschiedlicher Höhe hinzutreten (könnten). Er verstehe den angekündigten Preis daher nur dann als fixen Endpreis, wenn ausdrücklich darauf hingewiesen werde oder wenn entsprechende Hinweise auf allfällige zusätzlich zu bezahlende Beträge in der Werbeankündigung entweder gänzlich fehlten oder bei flüchtiger Betrachtung nicht auffielen. Das Begehren der Klägerin ziele darauf ab, der Beklagten die Nennung eines Gesamtpreises aufzudrängen, wozu keine Verpflichtung bestehe. Es sei zulässig, den Preis einer Flugreise inklusive oder - wenn ausreichend deutlich darauf hingewiesen werde - exklusive von Gebühren, Taxen und sonstigen Zuschlägen anzugeben. Das Begehren der Klägerin sei daher nicht berechtigt.

Das Rekursgericht verbot der Beklagten bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreites, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Beförderung von Passagieren mit Luftfahrzeugen mit Preisen zu bewerben, welche unterhalb des niedrigsten Gesamtpreises liegen, den ein Passagier für die Beförderung an die Beklagte zu zahlen hat, insbesondere die Beförderung von Passagieren mit Luftfahrzeugen mit Preisen zu bewerben, die, ohne dass darauf deutlich hingewiesen wird, exklusive des Bearbeitungsentgeltes und/oder des Treibstoffzuschlages und/oder des Sicherheitsbeitrages und/oder des Fluggasttarifes und/oder des Infrastrukturtarifes 'Passage' angegeben werden; das Mehrbegehren, der Beklagten generell das Bewerben der Beförderung von Passagieren mit Luftfahrzeugen mit Preisen exklusive der genannten Zuschläge zu untersagen, wies es ab. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Beklagte bewerbe ihre Leistungen mit Preisen, um die diese nicht zu erhalten seien. Dies sei irreführend. Grundsätzlich könnten Leistungen der betreffenden Art auch mit dem „reinen Flugpreis" beworben werden, sofern nur deutlich darauf hingewiesen werde, dass zu diesem Preis noch bestimmte Zuschläge hinzukommen. Damit sei das Unterlassungsbegehren der Klägerin in seinem allgemeinen Teil berechtigt. In seinem mit „insbesondere" beginnenden Teil sei das Begehren dagegen zweideutig, weil es dahin verstanden werden könne, der Beklagten sei die Werbung mit „reinen Flugpreisen" nur dann untersagt, wenn sie auf die zusätzlich verrechneten Zuschläge nicht hinweise, aber auch dahin, dass der Beklagten die - wenn auch deutliche - Aufgliederung des Preises in Flugpreise und sonstige Zuschläge generell untersagt sei. Die Beklagte handle im letzteren Fall nicht wettbewerbswidrig. Das Unterlassungsbegehren sei daher in seinem zweiten Teil nur berechtigt, soweit in der Werbung der Beklagten nicht oder nicht ausreichend deutlich auf die Verrechnung der genannten Zuschläge hingewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Die Beklagte zeigt in ihrem Rechtsmittel zutreffend auf, dass allgemeiner und konkretisierender Teil des bekämpften Unterlassungsgebots zueinander in unlösbarem Widerspruch stehen:

Einerseits verstößt die Beklagte bei der Preiswerbung nur dann nicht gegen die vom Rekursgericht erlassene einstweilige Verfügung, wenn sie einen Gesamtpreis (reiner Flugpreis plus Zuschläge) angibt, andererseits soll aber auch - sofern die im „insbesondere-Teil" näher ausgeführten Bedingungen erfüllt sind - die Ankündigung eines reinen Flugpreises zulässig sein.

Dazu kommt weiters, dass der Beklagte nur zu Unterlassungen verurteilt werden kann, zu denen er bei richtigerAuslegung des materiellen Rechts verpflichtet ist (vgl RIS-Justiz RS0037607 [T24]). Das Rekursgericht hat diesen Grundsatz missachtet, wenn es der Beklagten im allgemeinen Teil der einstweiligen Verfügung ein Verhalten (Preiswerbung nur mit dem niedrigsten Gesamtpreis) geboten hat, für das jede gesetzliche Grundlage fehlte. Zum Entscheidungszeitpunkt bestand für Flugunternehmen nämlich noch keine Bruttopreisauszeichnungspflicht. Es war demnach damals - wie auch die Klägerin zugesteht (Revisionsrekursbeantwortung S 12) - zulässig, Flugbeförderungen mit dem reinen Flugpreis zu bewerben, sofern die Ankündigung nicht irreführend (§ 2 UWG) war, also etwa deutlich darauf hingewiesen wurde, dass zum Flugpreis noch bestimmte Zuschläge verrechnet werden.

Bestand demnach für die Beklagte keine Rechtspflicht, für ihre Dienstleistungen mit Gesamtpreisen zu werben, kann ein allein darauf - und nicht auch auf das Verbot reiner Flugpreise ohne ausreichend deutlichen aufklärenden Hinweis - abzielendes Unterlassungsgebot nicht erlassen werden. Damit ist aber auch die Erlassung eines entsprechend eingeschränkten Unterlassungsgebots ausgeschlossen. Auf die in der Revisionsrekursbeantwortung breit ausgeführte Frage, ob es der Beklagten möglich gewesen wäre, einen niedrigsten Gesamtpreis zu errechnen und anzukündigen, kommt es dann nicht weiter an. Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und die abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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