OGH 6Ob56/06p

OGH6Ob56/06p6.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Liselotte K*****, vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei MMag. Alexander W*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Rech, Rechtsanwältin in Wien, wegen 158.248,35 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2005, GZ 12 R 255/05s-29, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin wirft dem Berufungsgericht vor, sich bei Erledigung der in ihrer Berufung ausgeführten Feststellungsrüge „nicht vollständig mit sämtlichen aufgezeigten Beweismitteln und Beweisergebnissen auseinandergesetzt" und die Beweiswürdigung des Erstgerichts, die „unvollständig und unschlüssig" gewesen sei, pauschal übernommen bzw als nachvollziehbar, lebensnah und unbedenklich beurteilt zu haben, ohne sich selbst im Detail mit den Überlegungen der Klägerin zur Beweiswürdigung schlüssig auseinandergesetzt zu haben.

Tatsächlich hat das Berufungsgericht auf 6 Seiten seine Überlegungen dargelegt, weshalb es der auf 14 Seiten ausgebreiteten Beweiswürdigung des Erstgerichts folgt und die Feststellungsrüge der Klägerin für unbeachtlich hält. Von einer pauschalen Übernahme der erstinstanzlichen Feststellungen kann daher keine Rede sein. Die Klägerin versucht vielmehr in unzulässiger Weise, die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen beim Obersten Gerichtshof anzufechten.

2. Die Klägerin meint weiters, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine ergänzende Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Darlehensvereinbarung nicht vorgenommen. Die Parteien hätten bei deren Abschluss nicht überlegt, „dass es künftig auch zu einer Situation kommen könnte, dass der Beklagte, insbesondere durch Geldzuwendungen von dritter Seite, über ein solches Vermögen oder auf Grund seiner Anstellung über ein solches Einkommen verfügt, dass er in der Lage ist und auf dieser Basis auch beabsichtigt, neben der von der Klägerin durch die gewährten Darlehen finanzierten Eigentumswohnung ein weiteres Wohnungseigentum oder mehrere Wohnungseigentumsobjekte anzuschaffen".

Ergänzende Vertragsauslegung ist immer dann vorzunehmen, wenn nicht feststeht, was die Parteien in vertraglich nicht vorgesehenen Fällen gewollt hätten, und führt zu einer Ergänzung des Vertrags um dasjenige, was unter Berücksichtigung des von den Parteien verfolgten Vertragszwecks sowie unter Heranziehung der Verkehrssitte einer unter redlichen und vernünftigen Personen geschlossenen Vereinbarung entsprechen würde (stRsp, s 6 Ob 202/00z). Notwendige Voraussetzung ist somit eine „Vertragslücke", die allerdings auch erst durch die spätere Entwicklung entstehen kann (Bollenberger in Koziol/Bydlinski/Bollenberger [2005] § 914 ABGB Rz 8 mwN). Das Berufungsgericht hat eine „Vertragslücke" verneint. Die Klägerin sei von Vornherein der Auffassung gewesen, der Beklagte würde eine glänzende Karriere mit einem entsprechenden Einkommen vor sich haben. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass vernünftige und redliche Vertragsparteien eine Vereinbarung dahin getroffen hätten, dass der Beklagte die gewährten Darlehen zurückzahlt, bevor er kostspielige Immobilieninvestitionen tätigt. Fragen der Vertragsauslegung kommt aber in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsste (RIS-Justiz RS0112106). Dies gilt auch für die Frage, ob im Einzelfall eine Vertragslücke vorliegt oder nicht.

Eine derartige Fehlbeurteilung kann hier allein schon deshalb nicht erkannt werden, weil die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen über die Zuwendungen von dritter Seite an den Beklagten und über seine jeweiligen finanziellen Verhältnisse informiert war. Im Übrigen besprach sie vor dem Erwerb der Immobilien deren Ankauf mit dem Beklagten und verlangte die vorherige teilweise Rückführung des gewährten Darlehens. Diesen Ansinnen kam der Beklagte auch jeweils nach. Für eine ergänzende Vertragsauslegung bleibt somit kein Raum.

Stichworte