OGH 12Os20/06t

OGH12Os20/06t23.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. März 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 3. November 2005, GZ 16 Hv 55/05z-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz S***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 (I) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in Horn

I. am 5. Juli 2003 Jasmin D***** dadurch mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt, dass er sich auf die Beine des im Bett liegenden Mädchens setzte, ihre Hände festhielt, ihr die Pyjamahose bis zu den Knöcheln hinunterschob, ihre Beine auseinanderzwängte (zu ergänzen - vgl US 5) und mit seinem Glied in ihre Scheide eindrang;

II. am 6. Juli 2003 Jasmin D***** durch die Äußerung „wenn du etwas sagst, dann kommst du nicht mehr lebendig heim", sohin durch Drohung mit dem Tod, zur Unterlassung der Anzeige der zu I. angeführten Tat genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Die Verfahrensrüge (Z 3) macht geltend, das Protokoll über die Vernehmung der Zeugin Jasmin D***** durch Gendarmeriebeamte sei mangels Zustimmung der Parteien zu Unrecht in der Hauptverhandlung verlesen worden. Die Mängelrüge (Z 5) hingegen moniert, diese Niederschrift sei nicht verlesen worden; da sich das Urteil aber auf sie stütze, berücksichtige es Beweise, welche in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen seien.

Dazu ist festzuhalten, dass nach dem Hauptverhandlungsprotokoll zunächst Staatsanwalt und Verteidiger auf die Vorführung des Videobandes über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin Jasmin D***** teilweise verzichtet haben. Sie waren mit einem Vortrag des hiezu aufgenommenen Protokolls durch die Vorsitzende einverstanden. Danach wurde das Gutachten der Sachverständigen Dr. G***** einverständlich verlesen. Schließlich erklärten Staatsanwalt und Verteidiger, „dass ihnen der restliche Akteninhalt zur Gänze bekannt ist und daher zur Gänze als verlesen gelten kann" (S 229). Dieser - wenn auch nicht mit der wünschenswerten Klarheit abgefassten - Formulierung ist eindeutig ein Verlesungsverzicht beider Parteien zu entnehmen. Damit ist aber weder der allein unter Nichtigkeitssanktion stehende § 252 Abs 1 StPO verletzt (Z 3) noch liegt ein Begründungsmangel (Z 5) vor, weil durch diesen einvernehmlichen Verzicht auf eine tatsächliche Verlesung die Art, wie die in Rede stehenden Beweismittel in der Hauptverhandlung vorgekommen sind (§ 258 Abs 1 erster Satz StPO), einer nachträglichen Kritik aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO entzogen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 460; 12 Os 59/05a).

Der weitere in der Mängelrüge (Z 5) erhobene Einwand, das Erstgericht habe sich mit den unterschiedlichen Angaben der Zeugin Jasmin D***** über den genauen Tatzeitpunkt nicht auseinandergesetzt, betrifft vorliegend keine für die Schuldfrage entscheidende Tatsache. Im Übrigen hat die Zeugin konform angegeben, der sexuelle Angriff habe an einem Tag stattgefunden, an welchem ihre Tante Herta H***** im Krankenhaus war, und sie allein in der Wohnung ihres Onkels (des Angeklagten) übernachtet habe. Einen solchen Aufenthalt des Mädchens in seiner Wohnung hat dieser auch bestätigt (S 191 ff insb S 197). Wie die Beschwerde selbst zugesteht, haben die Tatrichter (geringfügige) Abweichungen in den Aussagen der Zeugin Jasmin D***** (auch zum genauen Ablauf der Tat) erkannt, sie aber auf die Ausnahmesituation, in welcher sich das Mädchen befand, zurückgeführt, und als nicht geeignet erachtet, die Glaubwürdigkeit der Aussage in ihren wesentlichen Punkten zu erschüttern (US 7). Da dieser Schluss weder den Denkgesetzen noch grundlegenden Erfahrungswerten widerspricht, liegt ein Begründungsmangel nicht vor. Vielmehr versucht das Rechtsmittel durch seine Einwände nur die Glaubwürdigkeit der Zeugin in Frage zu stellen und damit unzulässig das Beweiswürdigungsermessen des Gerichtes zu bekämpfen. Auch mit dem Zeitpunkt des (gemeinsamen) Besuches des Angeklagten und der Zeugin D***** bei Herta H***** im Krankenhaus hat sich das Schöffengericht ausführlich befasst und in empirisch einwandfreier Weise dargelegt, warum es den Angaben der Zeugin D***** und nicht der Verantwortung des Angeklagten und der mit dieser übereinstimmenden Aussage der Zeugin H***** gefolgt ist (US 9 f). Die ausschließlich auf den Angaben dieser Zeugin beruhenden Einwände in der Beschwerde bekämpfen neuerlich unzulässig die Beweiswürdigung. Aus welchem Grund aus der Aussage der Jasmin D***** vor der Gendarmerie, der Angeklagte habe gesagt: „Wenn du etwas (gemeint über die Vergewaltigung) sagst, kommst du nicht mehr nach Hause", die Tatfrage über den Sinngehalt der Äußerung anders zu lösen gewesen wäre als aufgrund der Angaben bei der kontradiktorischen Vernehmung:

„Wenn du etwas sagst, kommst nicht mehr lebendig nach Hause", und sich das Erstgericht daher mit der Divergenz zu befassen gehabt hätte, legt die Beschwerde nicht nachvollziehbar dar. Welche Formulierung der Beschwerdeführer tatsächlich gebraucht hat, ist nämlich unerheblich, weil beide Varianten als Drohung mit dem Tod verstanden werden können.

Ein Begründungsmangel liegt daher auch insoweit nicht vor. Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt im Wesentlichen die Argumente der Mängelrüge, bewertet die einzelnen Beweisergebnisse jeweils gesondert, ohne auf ihren inhaltlichen Zusammenhang abzustellen (vgl jedoch § 258 Abs 2 StPO) und zieht aus ihnen für den Angeklagten günstigere Schlüsse. Damit zeigt sie aber keine Umstände aus den Akten auf, welche erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben könnten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als unbegründet bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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