Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil - das im Übrigen unberührt bleibt - in der Unterstellung der Taten auch unter § 148 zweiter Fall StGB und im Strafausspruch, ebenso der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz H***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in insgesamt dreißig im Urteil näher beschriebenen Fällen in Wien und anderen Orten zwischen dem 16. Dezember 1996 und zumindest dem 28. April 2003 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, andere gewerbsmäßig (§ 70 StGB) durch Täuschung über „die Tatsache seiner mangelnden Zahlungsfähigkeit und -willigkeit" zur Lieferung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen verleitet, die diese um insgesamt 79.641,05 Euro am Vermögen schädigten.
Der Angeklagte wurde hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 17. April 2003, rechtskräftig seit 13. August 2003, AZ 13 U 575/01f, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Strafausspruch des Urteils richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Korneuburg; diese ist im Recht.
Gemäß § 31 Abs 1 StGB ist eine Zusatzstrafe (nur) dann zu verhängen, wenn jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist, wegen einer anderen Tat verurteilt wird, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können. Eine Tat hätte dann und nur dann „in dem früheren Verfahren abgeurteilt werden können", wenn eine gemeinsame Verfahrensführung in erster Instanz möglich gewesen wäre. Sämtliche der nachträglichen Verurteilung zugrundeliegenden Taten müssen also vor dem Vor-Urteil erster Instanz begangen worden sein. Daran ändert der Umstand nichts, dass das Berufungsverfahren eine zweite Tatsacheninstanz kennt, weil eine Vereinigung nach § 56 StPO dann nicht mehr möglich ist (Ratz in WK² § 31 Rz 2).
Weil im konkreten Fall zumindest zwei Taten (VI./2./) erst nach Fällung des Urteils erster Instanz des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 17. April 2003 begangen worden sind, erfolgte die Anwendung der §§ 31, 40 StGB bei der Strafzumessung zu Unrecht. Das Schöffengericht hat daher für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen unrichtig beurteilt, sodass dieser Rechtsfehler Nichtigkeit des Strafausspruches nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO bewirkt (vgl RIS-Justiz RS0085974; 15 Os 23/02; WK² § 31 Rz 15). Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass durch die rechtliche Unterstellung der Tat auch unter § 148 zweiter Fall StGB das Strafgesetz zum Nachteile des Angeklagten unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 StPO). Denn dem Ersturteil sind keine Feststellungen dahin zu entnehmen, dass der Angeklagte die Taten in der Absicht begangen habe, sich durch die wiederkehrende Begehung von jeweils schon für sich gesehen schwerem Betrug (§ 147 StGB) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² § 148 Rz 6). Das Schöffengericht hat vielmehr lediglich konstatiert, der Angeklagte habe mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, andere „in der Absicht, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen", nämlich die im Spruch genannten Geschädigten, über die Tatsache seiner mangelnden Zahlungsfähigkeit und -willigkeit getäuscht und hiedurch zu Handlungen verleitet, die diese um einen Betrag von insgesamt 79.641,05 Euro am Vermögen schädigten, und zwar habe er „zu den im Spruch genannten Zeiten an den dort genannten Orten Leistungen und Waren bezogen, obwohl er stets ernstlich für möglich gehalten hat, die Gegenleistung nicht erbringen zu können, womit er sich jedoch billigend abfand." Diese Feststellungen vermögen - auch unter Heranziehung des Urteilsspruchs zu ihrer Interpretation - die angenommene Qualifikation jedoch nicht zu tragen, zumal bei einer Mehrzahl der insgesamt dreißig Taten ein jeweils 3.000 Euro nicht übersteigender Schaden vorlag. Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen bewirkt somit Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO.
Demgemäß war das Urteil - in Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur und der dazu vom Verteidiger erstatteten Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO - in der rechtlichen Unterstellung der Taten nach § 148 zweiter Fall StGB sowie im Strafausspruch, weiters auch der Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu verweisen. Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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