OGH 15Os13/06k

OGH15Os13/06k16.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. März 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jürgen N***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Andrea N***** und David Ne***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. September 2005, GZ 063 Hv 95/05h-94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Andrea N***** und David Ne***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche des Jürgen N***** und der Isabella R***** sowie einen unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch des David Ne***** enthält, wurden Andrea N***** und David Ne***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 (vierter Fall) SMG, Andrea N***** als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB (I/2. und III.), sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 (erster und zweiter Fall) SMG (IV.) schuldig erkannt.

Danach haben Andrea N***** und David Ne*****

in Linz und Wien den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer insgesamt großen Menge in Verkehr gesetzt, indem David Ne***** in der Zeit von Anfang 2004 bis 30. August 2004 insgesamt 110 Gramm Amphetamin an Jürgen N***** verkaufte (I/2.), und Andrea N***** zur Ausführung dieser Tat dadurch beitrug, dass sie den Verkauf vermittelte (III.);

in der Zeit von Oktober 2004 bis 26. Juni 2005 Marihuana, Ecstasy und Speed erworben und besessen (IV.).

Die von beiden Angeklagten aus Z 3 des § 281 Abs 1 StPO, von Andrea N***** auch aus Z 5, 5a und 9 (lit) a ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten David Ne*****:

Als Verstoß gegen die Vorschrift des § 250 Abs 1 zweiter Satz StPO rügt der Angeklagte, er sei nach seiner Wiedereinführung nur über die Aussage des Jürgen N*****, nicht aber über jene von Andrea N***** und Isabella R***** in Kenntnis gesetzt worden (Z 3). Ist dies nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles zwar zutreffend, so ist aber unzweifelhaft erkennbar, dass diese Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO). Denn hinsichtlich des Vorwurfs des Inverkehrsetzens von insgesamt 110 Gramm Amphetamin belastete die Mitangeklagte Andrea N***** den Beschwerdeführer nicht, ihre Angaben zu Erwerb und Besitz von Suchtgift (§ 27 Abs 1 SMG; IV.) wiederum stimmen mit seiner eigenen Verantwortung überein (S 369 f/I, 223/II). Mit Bezug auf die Angaben der Isabella R***** unterlässt die Rüge die deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Information und entspricht so nicht den prozessualen Anforderungen an die Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 249). Ein für den Angeklagten nachteiliger Einfluss auf die Entscheidung durch die Unterlassung der gebotenen Information ist im Übrigen ausgeschlossen, hat die Mitangeklagte R***** David Ne***** doch in keiner Weise belastet (S 273/II).

Soweit die Beschwerde schließlich kritisiert, der Angeklagte wäre über den Inhalt der Nachtragsanzeige nicht in Kenntnis gesetzt worden, die Ausdehnung der Anklageschrift sei ihm nicht übersetzt worden, und er habe dazu nicht Stellung nehmen können, bezeichnet sie keine der in § 281 Abs 1 Z 3 StPO taxativ (WK-StPO § 281 Rz 193) angeführten Vorschriften.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Andrea N*****:

Das aus Z 3 erstattete Vorbringen, der Angeklagten sei die Aussage des Jürgen N***** nicht zur Kenntnis gebracht worden, übergeht eben diese im Hauptverhandlungsprotokoll dokumentierte Mitteilung durch den Vorsitzenden (S 277/II) und erweist sich somit als nicht aktenkonform.

Soweit die Angeklagte mit der Behauptung, es fehle der Tatort „und somit die Identität der Tat", weil die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes im Beweisverfahren keine Deckung fänden, eine fehlende Begründung (Z 5 vierter Fall) für die Annahme der Tatorte Linz und Wien rügt, spricht sie - mit Blick auch auf die durch Tatzeitraum, Art und Menge des Suchtgiftes sowie die involvierten Personen ausreichende Individualisierung der Taten - keine entscheidende Tatsache an.

Entgegen den weiteren Ausführungen der Mängelrüge sind Widersprüche in der Aussage des Jürgen N***** keineswegs unerörtert geblieben (US 15) und erfolgte die Verwerfung der Einlassungen der Andrea N***** und des David Ne***** als unglaubwürdig nicht ohne Begründung. Die Tatrichter haben vielmehr - dem Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) Rechnung tragend - im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen begründet dargelegt, warum sie die leugnende Verantwortung der Angeklagten als Schutzbehauptung angesehen haben (US 15 ff). Die Behauptung schließlich, es fehlten jegliche Angaben zum Reinheitsgehalt des Amphetamins, lässt die diesbezüglichen eindeutigen Feststellungen des Erstgerichtes außer Acht (US 11). Die Tatsachenrüge (Z 5a) versucht neuerlich unter teilweiser Wiederholung der zur Mängelrüge vorgebrachten Argumentation in einer auch unter diesem Nichtigkeitsgrund nicht vorgesehenen Art die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, vermag damit aber keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Mit dem pauschal gehaltenen Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), „die vom Erstgericht angenommenen Tatorte widersprechen dem durchgeführten Strafverfahren und dem Inhalt des Strafaktes", lässt die Beschwerde zum einen die deutliche und bestimmte Behauptung eines Sachverhaltes vermissen, der den Prüfungskriterien des bezeichneten Nichtigkeitsgrundes entspricht (WK-StPO § 285d Rz 10 und 14), und orientiert sich zum anderen nicht am Urteilssubstrat (WK-StPO § 281 Rz 581).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen den dazu erstatteten Äußerungen der Verteidigung - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO). Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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