OGH 8Ob19/06m

OGH8Ob19/06m23.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate H*****, vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, wider die beklagte Partei Walter H*****, wegen Anfechtung eines Scheidungsvergleiches (Streitwert EUR 500.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 12. Dezember 2005, GZ 4 R 267/05d-6, mit dem infolge Rekurses der Klägerin der Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 9. November 2005, GZ 6 Cg 272/05w-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin den Ausspruch, dass der zwischen den Streitteilen am 1. 3. 2005 vor dem Bezirksgericht Bregenz getroffene Scheidungsfolgenvergleich nichtig ist und weiters die Löschung der Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beklagten hinsichtlich bestimmter Grundstücksanteile. Sie stützt diese Klage zusammengefasst darauf, dass die Scheidungsfolgenvereinbarung gemäß § 879 ABGB nichtig sei, weil ihr bei Durchführung eines Aufteilungsverfahrens im Sinne der §§ 81 ff EheG ein wesentlich höherer Vermögenswert zugestanden wäre und sie im Übrigen durch verschiedene Drohungen und Handgreiflichkeiten des Beklagten auch in ihrer freien Willensbildung gravierend beeinträchtigt gewesen sei. Schließlich sei die Vereinbarung auch deshalb nichtig, weil die Streitteile nicht durch zwei verschiedene Rechtsanwälte, sondern nur durch einen Notar vertreten gewesen seien.

Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des Landesgerichtes zurück. Es handle sich um eine Streitigkeit aus dem wechselseitigen Verhältnis der Ehegatten und damit um eine familienrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 49 Abs 2 Z 2 lit c JN, die in die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes falle. Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Zurückweisungsbeschluss erhobenen Rekurs der Klägerin keine Folge. Es ging rechtlich davon aus, dass von § 49 Abs 2 Z 2 lit c JN jene Streitigkeiten erfasst sein sollten, die im Familienrecht wurzelten und familienrechtlichen Charakter hätten. Diese Zuständigkeitsbestimmung werde von der Rechtsprechung regelmäßig extensiv ausgelegt, sodass es auch keine Rolle spiele, ob die Ehe noch aufrecht oder bereits geschieden ist. Die hier vorgenommene Anfechtung des anlässlich der Scheidung getroffenen Vergleiches über die Scheidungsfolgen sei schon begrifflich ohne vorangegangene Ehe zwischen den Streitteilen nicht denkbar. Typisch seien die Vereinbarungen über die Abgeltung der Ansprüche auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sowie der im Vergleich mitgeregelten möglichen Ansprüche hinsichtlich der Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten beim Erwerb des anderen Ehegatten. Die Klägerin berufe sich auch ausdrücklich auf das auffallende Missverhältnis zwischen der Aufteilung in der Scheidungsvereinbarung und der in einem Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG vorzunehmenden Aufteilung. Auch die auf § 93 Abs 1 AußStrG gestützte Nichtigkeit sei nur im Zusammenhang mit dem Eheverhältnis denkbar.

Den Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht als zulässig. Es liege bisher nur eine Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz vor.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt. Zufolge § 49 Abs 2 Z 2 lit c JN gehören ua aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten entspringende Streitigkeiten ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes vor die Bezirksgerichte. Der Oberste Gerichtshof versteht dies in ständiger Rechtsprechung dahin, dass es sich um Streitigkeiten handeln muss, die ohne Berücksichtigung der den Ehegatten kraft Gesetzes auferlegten besonderen Rechten und Pflichten nicht zu lösen sind. Die Wurzeln des konkreten Konfliktes müssen in einem Meinungsstreit über Rechte und Pflichten liegen, die sich aus dem Eheband der Streitteile ergeben. Für den anspruchsbegründenden Sachverhalt muss das Eheverhältnis also zumindest mitbestimmend sein. Ein nur zufällig zwischen den Ehegatten zustandegekommenes, auch zwischen anderen Personen denkbares Rechtsverhältnis erzeugt keine Streitigkeit in diesem Sinne (vgl so die ständige Rechtsprechung RIS-Justiz RS0044093 mit zahlreichen Nachweisen insb OGH 5 Ob 527/93 = EvBl 1994/36 und zuletzt OGH 8 Ob 52/04m; in diesem Sinne aber auch Simotta in Fasching2 I § 49 JN Rz 38 oder Mayer in Rechberger ZPO2 § 49 JN Rz 7).

Für den vorliegenden Fall hervorzuheben ist also, dass es schon ausreicht, wenn das Eheverhältnis zumindest mitbestimmend ist. Dass nun die konkrete Scheidungsfolgenvereinbarung eine solche ist, für die das Eheverhältnis bestimmend war, ergibt sich schon aus deren Inhalt, da es etwa keiner Vereinbarungen hinsichtlich des Unterhaltes bedürfte, wenn nicht das Eheverhältnis zugrundegelegen wäre. Dem steht auch nicht die Meinung von Simotta aaO Rz 40 entgegen, wonach Klagen, die aus einer aus Anlass einer durch Scheidung geschlossenen Vereinbarung resultieren, nicht unter § 49 fallen würden (ähnlich Mayer aaO Rz 7). Findet sich doch darin keine Aussage, ob dies auch für Vereinbarungen gelten soll, die die Scheidungsfolgen mitregeln. Fraglich könnte im vorliegenden Fall sein, ob auch Anfechtungen solcher Vereinbarungen vom Tatbestand des § 49 Abs 2 Z 2 lit c JN erfasst sind. Dies ist aber hier schon deshalb zu bejahen, weil ja auch die Anfechtung selbst sich nur aus dem „Verhältnis der Ehegatten" erklären lässt, weil sie sich auf die besonderen durch die Regelungen des Aufteilungsverfahrens im Sinne des § 81 ff EheG erzielbaren Rechtsfolgen stützt. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof auch bereits im Zusammenhang mit der Zuständigkeit hinsichtlich der Unterhaltsregelungen ausgesprochen, dass auch die Anfechtung eines Unterhaltsvergleiches eine Streitigkeit über den gesetzlichen Unterhalt darstellt (vgl RIS-Justiz RS0046467 T 4 mwN insb 6 Ob 279/99v). Soweit sich die Klägerin darauf stützt, dass nach § 69a EheG der auf Grund einer Vereinbarung nach § 55a EheG geschuldete Unterhalt als gesetzlicher Unterhalt einzustufen sei, führt dies ebenfalls dazu, dass es sich um typische aus dem Eheverhältnis entspringende Streitigkeiten handelt. Insgesamt war daher dem Revisionsrekurs der Kälgerin nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 50 und 40 ZPO.

Stichworte