OGH 9ObA142/05f

OGH9ObA142/05f22.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Univ. Prof. Dipl. Ing. Hans Lechner und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Peter W*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht und Mag. Werner Piplits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Wirtschaftskammer Österreich, Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien, vertreten durch Dr. Manfred Dimmy, Rechtsanwalt in Stockerau, wegen EUR 2.888,08 sA (Revisionsinteresse EUR 2.548,58), über Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Juni 2005, GZ 9 Ra 192/04b-40, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 14. Juli 2004, GZ 35 Cga 94/02b-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich des unangefochten gebliebenen klagestattgebenden Teils des Ersturteils (Pkt 1.) insgesamt zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 2.888,08 samt 10,25 % Zinsen aus EUR 12,93 ab 1. 3. 1999, aus EUR 89,30 ab 1. 7. 1999, aus EUR 33,54 ab 1. 7. 1999, aus EUR 31,31 ab 1. 7. 1999, aus EUR 26,67 ab 1. 7. 1999, aus EUR 47,07 ab 1. 8. 1999, aus EUR 19,39 ab 1. 8. 1999, aus EUR 19,39 ab 1. 8. 1999, aus EUR 19,39 ab 1.8.1999, aus EUR 81,22 ab 1. 9. 1999, aus EUR 19,39 ab 1. 9. 1999, aus EUR 19,39 ab 1. 9. 1999, aus EUR 27,48 ab 1. 10. 1999, aus EUR 291,73 ab 1. 11. 1999, aus EUR 112,53 ab 1. 11. 1999, aus EUR 50,10 ab 1. 11. 1999, aus EUR 97,38 ab 1. 11. 1999, aus EUR 69,30 ab 1.12.1999, aus EUR 94,15 ab 1. 12. 1999, aus EUR 214,56 ab 1. 12. 1999, aus EUR 115,76 ab 1. 12. 1999, aus EUR 94,55 ab 1. 1. 2000, aus EUR 172,74 ab 1. 3. 2000, aus EUR 155,97 ab 1. 8. 2000, aus EUR 197,79 ab 1. 12. 2000, aus EUR 88,89 ab 1. 1. 2001, aus EUR 42,43 ab 1. 1. 2001, aus EUR 19,39 ab 1. 2. 2001, aus EUR 14,55 ab 1. 3. 2001, aus EUR 19,39 ab 1. 4. 2001, aus EUR 19,39 ab 1. 5. 2001, aus EUR 192,33 ab 1. 7. 2001, aus EUR 19,39 ab 1. 7. 2001, aus EUR 19,76 ab 1. 9. 2002, aus EUR 614,50 vom 1. 8. 2002 bis 30. 4. 2003, aus EUR 314 seit 1. 5. 2003 und aus EUR 25,50 seit 1. 9. 2002 zu zahlen und die mit EUR 3.587,84 (darin EUR 573,58 USt und EUR 146,38 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit EUR 697,85 (darin EUR 80,97 USt und EUR 212 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 598,12 (darin EUR 55,52 USt und EUR 265 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger trat am 16. 11. 1970 in die „Wirtschaftskammerorganisation" ein; seit 1975 ist er bei der Beklagten angestellt. Er war zunächst im Fachverband der Chemischen Industrie tätig, seit 1979 in der Wirtschaftspolitischen Abteilung, danach im Generalsekretariat und in der Verkehrspolitischen Abteilung, zuletzt in der Bundessektion Transport/Verkehr.

Der Kläger leidet am „Ehlers Danlos-Syndrom" mit einer Steh- und Gehbehinderung, „Gummifingern" ohne festen Zugriff und hypertropher Rücken-Stützmuskulatur bei fortgeschrittener Skoliose. Er verwendet einen Stützstock und orthopädische Schuhe, wobei aber auch mit diesen Hilfsmitteln die Belastung für ihn bei der Zurücklegung von Wegstrecken weitaus größer ist als für nichtbehinderte Menschen. Seit 1978/79 gehört er mit einem Grad der Behinderung von 70 vH zum Kreis der begünstigen Behinderten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz. Der Kläger besitzt seit 1993 einen Behindertenpass des Landesinvalidenamts für Wien, NÖ und Bgld und einen Gehbehindertenausweis nach § 29b StVO, auf Grund dessen er als dauernd stark gehbehinderte Person ua auch auf Straßenstellen, für die ein Parkverbot kundgemacht ist, parken darf. Der Beklagten sind die schwere Gehbehinderung des Klägers und die damit verbundenen Einschränkungen (zB die Schwierigkeit, den Oberkörper gerade zu halten) seit Jahren bekannt; auch der Umstand, dass sich der Zustand des Klägers langsam verschlechtert.

Der Kläger benützte seit 1979 für Dienstreisen überwiegend seinen privaten PKW. Dabei erhielt er von der Beklagten „immer wieder" das so genannte „große" (amtliche) Kilometergeld. Auch andere Dienstnehmer erhielten ursprünglich für Dienstreisen das amtliche Kilometergeld. Dem Kläger wurden die Dienstreisevorschriften anlässlich einer mit 2. 5. 1992 eintretenden Neuregelung per Rundschreiben zur Kenntnis gebracht. Im Übrigen konnte er sich von den Dienstreisevorschriften jederzeit Kenntnis durch Einsichtnahme bei der Personalstelle und später auch im Intranet verschaffen.

Der Kläger verwendete zur Beantragung einer Dienstreise stets ein Formular, das im Jahr 1992 von „Dienstreise-Antrag" in „Dienstreise-Auftrag" umbenannt wurde. Zumindest ab 1993 bestand die Praxis, dass jeder Referent eine Erklärung des Abteilungsleiters einholte, ob und zu welchen Konditionen eine Dienstreise gemacht werden kann. Da die Syndizi ihre Entscheidungen recht großzügig trafen und auf eine genaue Einhaltung der Dienstreisevorschriften bis dahin nicht abgestellt wurde, bestand allgemein die Praxis, das „große" Kilometergeld eher zu gewähren als zu versagen; dies je nach Handhabung des Vorgesetzten und seiner Budgetsituation, aber auch nach dem Verhältnis des Mitarbeiters zum Vorgesetzten.

Am 1. 7. 1993 beschloss der Vorstand der Beklagten Dienstreisevorschriften für Dienstnehmer der Beklagten und der Fachverbände, die auszugsweise wie folgt lauten:

„III. Transportmittel

....

b) PKW

Grundsatz

(7) Dienstreisen im In- und Ausland sind grundsätzlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchzuführen. Bei Benützung des privaten PKW gelten jedoch die nachstehenden Ausnahmeregelungen:

„Großes" (amtliches) Kilometergeld

(8) Wenn

a) die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu einem erheblichen zeitlichen Mehraufwand führen würde,

b) der Zielort mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht verhältnismäßig einfach erreichbar ist,

c) umfangreiches Gepäck mitgeführt werden muss, oder

d) die Dienstreise mehrere Zielorte hat, kann das amtliche Kilometergeld (Anlage) gewährt werden, dessen Genehmigung für Dienstreisen in Niederösterreich und Burgenland dem jeweiligen Dienstvorgesetzten, darüber hinaus dem zuständigen Generalsekretär/-Stellvertreter obliegt. Die Höhe dieses Kilometergeldes richtet sich nach der „Reisegebührenvorschrift 1955", BGBl Nr 133, in der jeweils geltenden Fassung; Änderungen treten mit dem der Kundmachung im Bundesgesetzblatt folgenden Monatsersten in Kraft.

„Kleines Kilometergeld"

(9) Wenn der Zielort mit öffentlichen Verkehrsmitteln verhältnismäßig einfach erreichbar ist, wird ein vom Präsidium festgesetztes Kilometergeld (Anlage) vergütet, welches sich an die Kosten der 1. Eisenbahnklasse anlehnt. Die Benützung des eigenen PKW ist unter Anführung des amtlichen Kennzeichens anzuzeigen.

Vergütung

(10) Die Berechnung des Kilometergeldes erfolgt nach der zweckmäßigsten Strecke.

Antrag

(11) Anträge auf Genehmigung des "großen" (amtlichen) Kilometergeldes sind in der Rubrik "Sonderanträge" des Dienstreiseformulares anzuführen und zu begründen; hiebei ist auch das amtliche Kraftfahrzeugkennzeichen anzugeben und zu bestätigen, dass die Benützung des eigenen PKW im dienstlichen Interesse erfolgt. ...."

Beim Wohnsitz des Klägers besteht keine direkte Bahnanbindung. Die nächstgelegene Bushaltestation ist ca 1,5 km entfernt. Von dort gehen zwar Autobusse sowohl nach Korneuburg, als auch nach Wien-Floridsdorf, die allerdings nur selten fahren. Über Ersuchen des damaligen Vorgesetzten des Klägers vom 21. 3. 1994 an den Generalsekretär, wurde es dem Kläger auf Grund seiner Gehbehinderung gestattet, bei Dienstreisen, bei denen das amtliche Kilometergeld in Frage kam, dieses jeweils schon von seinem Wohnort aus - und nicht erst ab dem "Dienstort Wien" - verrechnen zu dürfen. Eine generelle Zusage an den Kläger, dass ihm auf Grund seiner Gehbehinderung in jedem Fall das amtliche Kilometergeld gewährt wird, erfolgte allerdings nicht.

In den Jahren 1996/97 kam es vermehrt zu Kürzungen auf das „kleine" Kilometergeld, weil die Abteilungsleiter die Weisung erhielten, dass bei dieser Position einzusparen sei. Der Kläger fragte bei seinem Vorgesetzten jeweils nach, ob die Dienstreise bewilligt werde und er das „große" Kilometergeld erhalte. Sein Vorgesetzter verneinte dies in allen Fällen ab der restriktiven Handhabung des Kilometergelds. Auch generelle Interventionen des Klägers als Behinderten-Vertrauensperson zur Berücksichtigung von Behinderungen bei der Dienstreise-Thematik zeitigten keinen Erfolg. Ab 1997 beantragte der Kläger daher fast nur mehr das „kleine" Kilometergeld. Von der Möglichkeit eines Sonderantrags machte er nur in vier Fällen Gebrauch. Konkret unternahm der Kläger in der Zeit vom 13. 1. 1999 bis 16. 8. 2002 im Auftrag der Beklagten 34 (im Ersturteil näher spezifizierte) Dienstreisen. Der Kläger erhielt für diese Dienstreisen nur das „kleine" Kilometergeld in der Höhe von ATS 2,12 (EUR 0,15) pro Kilometer. Die Differenz vom „kleinen" auf das amtliche Kilometergeld in der Höhe von ATS 4,90 (EUR 0,36) betrug insgesamt EUR 2.548,58. Dass sich alle Dienstreisen auf Orte beziehen, die "grundsätzlich", dh bei Ausklammerung der besonderen gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers, mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind, ist unstrittig.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage nach Ausdehnung und Einschränkung des Klagebegehrens zuletzt den Betrag von EUR 2.888,08 sA und führt dazu aus, dass ihm auf Grund seiner Gehbehinderung die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar gewesen sei. Die Aufforderungen an die Beklagte zur Zahlung des amtlichen Kilometergelds seien erfolglos geblieben, obwohl die Beklagte nach Pkt III.b.8.b ihrer Dienstreisevorschriften zur Zahlung des amtlichen Kilometergelds verpflichtet sei, wenn der Zielort mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht verhältnismäßig einfach erreichbar sei. Er sei schwer gehbehindert, für ihn sei überhaupt kein Ort einfach erreichbar. Er habe auf Grund der jahrelangen vorbehaltlosen Gewährung von Kilometergeld und des Vorliegens einer betrieblichen Übung einen einzelvertraglichen Anspruch auf Abrechnung aller Dienstreisen nach dem amtlichen Kilometergeld erworben. Die Beklagte diskriminiere mit ihrer Vorgangsweise Behinderte und verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Zu den Dienstreisen kämen auch noch Stadtfahrten in Wien im Zeitraum Dezember 2001 bis August 2002, für die für Vorverkaufsscheine der Betrag von insgesamt EUR 640 zustehe. (Diese Stadtfahrten spielen jedoch nach Teilzahlung der Beklagten von EUR 300,50 und rechtskräftigem Zuspruch von weiteren EUR 339,50 sA durch das Erstgericht im Revisionsverfahren keine Rolle mehr.)

Die Beklagte stellte die rechnerische Richtigkeit des Klagebegehrens außer Streit, bestritt es jedoch dem Grund nach und beantragte seine Abweisung. In den gegenständlichen Fällen seien die Zielorte mit öffentlichen Verkehrsmitteln „grundsätzlich" erreichbar gewesen. Die Beklagte behandle alle Dienstnehmer nach den Dienstreisevorschriften gleich. Das "große" Kilometergeld sei nach den Dienstreisevorschriften nicht gerechtfertigt gewesen. Der Kläger habe fast ausschließlich das "kleine" Kilometergeld beantragt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung der wiedergegebenen Feststellungen hinsichtlich des Betrags von EUR 339,50 sA (Stadtfahrten) statt und wies das Mehrbegehren des Klägers von EUR 2.548,58 sA (Differenz zwischen "großem" und "kleinem" Kilometergeld) ab. Rechtlich sei davon auszugehen, dass die Dienstreisevorschriften, deren Kenntnisnahme dem Kläger möglich gewesen sei, Gegenstand seines Dienstvertrags geworden seien. Danach komme es darauf an, ob der Zielort mit öffentlichen Verkehrsmitteln „nicht verhältnismäßig einfach erreichbar" sei. Aus dem erkennbaren Bedeutungszusammenhang dieser Regelung ergebe sich, dass damit die generelle Erreichbarkeit des Zielorts mit öffentlichen Verkehrsmitteln gemeint sei. Damit werde dem mangelnden Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes Rechnung getragen, der jeden Reisenden treffe. Auf subjektive Beeinträchtigungen (zB Gehbehinderung) eines Reisenden sei hingegen nach dem offensichtlichen Zweck der Regelung nicht abzustellen. Auf der subjektiven Seite finde nur das Mitführen von umfangreichem Gepäck Berücksichtigung. Richtig sei, dass gemäß § 6 Abs 5 ASchG bei der Beschäftigung von Behinderten auf deren körperlichen und geistigen Zustand jede mögliche Rücksicht zu nehmen sei. Der Kläger hätte daher darauf dringen können, dass er nicht mit Dienstreisen beauftragt werde. Im Sinne der Fürsorgepflicht sei es auch durchaus nachvollziehbar, dem Kläger die grundsätzlich bequemere und gefahrenfreiere Fahrt mit der Bahn nahezulegen. In Bahnhofsgebäuden gebe es üblicherweise Aufzüge und Rolltreppen. Inwiefern der Kläger daher durch seinen Dienstgeber schlechter als andere Dienstnehmer gestellt worden sei, sei nicht zu ersehen. Eine betriebliche Übung hinsichtlich der Gewährung von "großem" Kilometergeld sei nicht gegeben. Dem Kläger sei auch schon vor 1996/97 das "große" Kilometergeld fallweise verwehrt worden.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klageabweisenden Teil des Ersturteils erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts bei. Bei den Dienstreisevorschriften der Beklagten handle es sich um eine Vertragsschablone. Dass sie Inhalt des Dienstvertrags geworden seien, sei nicht strittig. Die Frage, ob ein Zielort mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht verhältnismäßig einfach zu erreichen sei, sei nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Auf die subjektive Beschwerlichkeit für den einzelnen Reisenden komme es nicht an. Die Reisevergütung sollte erkennbar nach einem Schema geregelt werden, dass sich leicht administrieren lasse. Auf die Richtlinie 2000/78/EG könne sich der Kläger nicht stützen, weil sich seine Ansprüche auf einen vor der Umsetzung dieser Richtlinie gelegenen Zeitraum beziehen. Richtig sei aber, dass der Dienstgeber nicht willkürlich, dh ohne sachliche Rechtfertigung, einzelne Dienstnehmer schlechter behandeln dürfe als die anderen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Zu einer unterschiedlichen Gestaltung der Reisekostenvergütung unter Bedachtnahme auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des einzelnen Dienstnehmers sei die Beklagte vor der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG nicht verpflichtet gewesen. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil eine Rechtsprechung zur gegenständlichen Konstellation fehle.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil iSd vollinhaltlichen Klagestattgebung abzuändern.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Nach § 1014 ABGB ist der Gewaltgeber verbunden, dem Gewalthaber allen zur Besorgung des Geschäfts notwendigen oder nützlich gemachten Aufwand selbst bei fehlgeschlagenem Erfolg zu ersetzen. Das hierin zum Ausdruck kommende allgemeine Prinzip des Anspruchs auf Auslagenersatz im Fall einer aufgetragenen Tätigkeit lässt nach ständiger Rechtsprechung eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf Arbeitsverträge sachgerecht erscheinen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Arbeitsvertrag zu einer Geschäftsbesorgung und/oder faktischen Tätigkeit verpflichtet (F. Bydlinski, Risikohaftung 2 ff; Strasser in Rummel, ABGB³ §§ 1014, 1015 Rz 2; P. Bydlinski in KBB § 1014 Rz 2; Faber, Risikohaftung 185 ff; 4 Ob 35/82, ZAS 1984/1 [Jabornegg] = Hanreich, JBl 1984, 361 = Schrank, ZAS 1985, 8; 9 ObA 111/89; 9 ObA 15/97g; 8 ObA 224/00z; 9 ObA 275/01h, ZAS 2003/47 [Stärker]; RIS-Justiz RS0019637, RS0019687 ua). Der Erstattungsanspruch nach § 1014 ABGB umfasst ua auch die Kosten, die einem Dienstnehmer erwachsen, der im Auftrag seines Dienstgebers eine Dienstreise verrichtet. Die Ersatzpflicht bedarf keiner besonderen Vereinbarung (vgl RIS-Justiz RS0114985 ua). Der Aufwandersatz nach § 1014 ABGB gehört nicht zum Entgelt (9 ObA 19/87; 9 ObA 19/93 ua).

Die Beklagte ist sich dieser gesetzlichen Verpflichtung bewusst, gewährt sie doch ihren Dienstnehmern schon seit Jahren für die in ihrem Auftrag durchgeführten Dienstreisen "Kilometergeld". Die näheren Bedingungen hiefür wurden von der Beklagten in den von ihr erlassenen Dienstreisevorschriften festgelegt. Für die gegenständlichen Dienstreisen in den Jahren 1999 bis 2002 sind die vom Vorstand der Beklagten erlassenen Dienstreisevorschriften 1993 maßgeblich, auf die sich beide Parteien stützen. Dem liegt die nicht zu beanstandende Auffassung zugrunde, dass die Dienstreisevorschriften als (ergänzende) Vertragsschablone infolge Unterwerfung des Klägers Eingang in den Dienstvertrag zwischen den Parteien gefunden haben (vgl 8 ObA 2312/96z; RIS-Justiz RS0052786 ua).

Eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit seiner Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung kann, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die - gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) - Zustimmung der Arbeiternehmer (ebenfalls) zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge werden (RIS-Justiz RS0014543 ua). Das Verfahren ergab, dass das „große" Kilometergeld bis 1996/97 zwar relativ häufig, aber keineswegs immer gewährt wurde. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass die tatsächliche Handhabung im gegenständlichen Fall noch nicht ausreicht, um bereits das Vorliegen einer bestimmten betrieblichen Übung anzunehmen, ist daher nicht zu beanstanden.

Die Dienstreisevorschriften 1993 unterscheiden zwischen „kleinem" und "großem" Kilometergeld; das „kleine" beträgt für den hier gegenständlichen Zeitraum EUR 0,15 pro Kilometer, das „große" durch Verweis auf die Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl 1955/133, EUR 0,36 pro Kilometer. Die Beklagte behauptet nicht, dass ihre Dienstreisevorschriften dahin konzipiert wurden, dass die Dienstnehmer um einen vollständigen Aufwandersatz gebracht werden sollen oder - anders formuliert - von der gesetzlichen Verpflichtung des Dienstgebers nach § 1014 ABGB zu Lasten der Dienstnehmer abgegangen werden sollte. Umgekehrt behauptet aber auch der Kläger nicht, dass ihm die Dienstreisevorschriften einen über den nach § 1014 ABGB gebührenden Aufwandersatz hinausgehenden Vorteil verschaffen sollen. Den Dienstreisevorschriften kann daher das konsensuale Verständnis der Parteien zugrundegelegt werden, dass der Dienstgeber dem Dienstnehmer - wie in § 1014 ABGB festgelegt - allen zur Besorgung der aufgetragenen Dienstreise notwendigen oder nützlich gemachten Aufwand zu ersetzen hat. Dies gilt sowohl für das „kleine" als auch für das „große" Kilometergeld. Bei beiden handelt es sich demnach um einen reinen Aufwandersatz des Dienstnehmers und nicht um ein Entgelt; so jedenfalls die erstinstanzliche Konzeption beider Parteien. Dies entspricht auch dem herkömmlichen Verständnis, wonach Reisegebühren ihrem Wesen nach Aufwandersatz für tatsächlich anfallende Mehrkosten infolge auswärtiger Dienstleistungen sind (RIS-Justiz RS0008817 ua).

Die Beklagte bekräftigte in ihrer Revisionsbeantwortung, dass keiner ihrer Dienstnehmer gezwungen ist, bei Dienstreisen öffentliche Verkehrsmittel zu verwenden; von jedem Dienstnehmer könne stets der private PKW verwendet werden, hiefür gebühre jedenfalls das "kleine" Kilometergeld. Dies war auch hier der Fall. Niemand machte dem Kläger die Verwendung des privaten PKW streitig, er bekam für alle gegenständlichen Dienstreisen (zumindest) das "kleine" Kilometergeld. Erstmalige Andeutungen der Beklagten in der Revisionsbeantwortung, dem Kläger gehe es ausschließlich darum, „aus seiner Behinderung" einen „finanziellen Vorteil" zu lukrieren, widerstreiten in dieser Form dem Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO). Auf diese Unterstellung ist daher nicht Bedacht zu nehmen. Neu - und damit ebenfalls irrelevant - ist der von der Beklagten erstmals aufgeworfene Aspekt, schon das „kleine" Kilometergeld enthalte eine „Gewinnspanne" für die Dienstnehmer. Diese Frage (einschließlich jener der bisherigen steuerlichen Behandlung dieser „Gewinnspanne" durch die Beklagte) ist hier nicht weiter zu erörtern. Es ist nur darauf hinzuweisen, dass das amtliche Kilometergeld, an das sich das „große" Kilometergeld der Beklagten anlehnt, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bis zu einer jährlichen Kilometerleistung von 30.000 - von der der Kläger weit entfernt ist - im Regelfall den tatsächlichen Aufwendungen für ein Kraftfahrzeug entspricht und daher steuerfrei ausbezahlt werden kann (VwGH 97/15/0073; 2001/15/0088 ua; vgl dazu auch § 26 Z 4 EStG). Das Revisionsverfahren bleibt somit auf die Frage beschränkt, ob dem Kläger von der Beklagten - wie er geltend macht - durch Nichtgewährung des „großen" Kilometergelds ein vollständiger Aufwandersatz vorenthalten wird.

Bei der Beurteilung, ob der getätigte Aufwand notwendig oder nützlich war, ist auf den Zeitpunkt der Aufwendung abzustellen (1 Ob 78/02f ua). Durch die Beschränkung auf den notwendig oder nützlich gemachten Aufwand wird für den Dienstgeber ein gewisses Maß an Prognostizierbarkeit der letztlich aufzuwendenden Kosten sichergestellt. Den Dienstnehmer trifft gegenüber seinem Dienstgeber die Interessenwahrungspflicht. Der Dienstgeber kann davon ausgehen, dass der Dienstnehmer im Rahmen der ihm aufgetragenen Dienstreise sorgfältig vorgehen, insbesondere keine aus Sicht des Dienstgebers unnützen Aufwendungen tätigen wird (vgl Faber aaO 186). Der Dienstnehmer wiederum kann davon ausgehen, dass er nicht auf dem notwendig oder nützlich gemachten Aufwand sitzen bleibt.

Die Dienstreisevorschriften 1993 regeln in Pkt III.b.8 die näheren Voraussetzungen für die Gewährung des Aufwandersatzes durch Kilometergeld. Von den vier dort normierten Fällen, in denen „großes" Kilometergeld zusteht, stützt sich der Kläger auf jenen nach Pkt III.b.8.b. Danach gebührt „großes" Kilometergeld dann, wenn der Zielort mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht verhältnismäßig einfach erreichbar ist. Seine Höhe richtet sich, wie schon erwähnt, nach der Reisegebührenvorschrift 1955 in der jeweils geltenden Fassung; sie ist zwischen den Parteien unstrittig. Uneinigkeit herrscht jedoch über die Voraussetzung "nicht verhältnismäßig einfach erreichbar", und zwar dahin, ob dabei nur auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes abgestellt wird oder auch die Gegebenheiten des jeweils reisenden Dienstnehmers in Bezug auf die Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel zu berücksichtigen sind. Die Dienstvorschriften sind daher auszulegen. Dabei ist nach den §§ 914 ff ABGB zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen; bei diesem ist aber nicht stehenzubleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Letztlich ist eine Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0017915 ua). Maßgebend ist also weder allein der Wille des Erklärenden noch die subjektive Auslegung des Erklärungsempfängers (RIS-Justiz RS0014160 ua).

Der Beklagten ist zu konzedieren, dass sie ein Interesse daran hat, dass der Aufwandersatz administrierbar ist; dies kann allerdings nicht der alleinige Maßstab sein und vor allem nicht zu Lasten jener Dienstnehmer gehen, die im Auftrag der Beklagten einen Aufwand haben. Der gesetzliche Hintergrund, wonach der Dienstgeber verpflichtet ist, dem Dienstnehmer allen zur Besorgung des Geschäfts notwendigen oder nützlich gemachten Aufwand selbst bei fehlgeschlagenem Erfolg zu ersetzen, ist im Auge zu behalten, zumal die Parteien nicht behaupteten, dass davon in den Dienstreisevorschriften abgegangen werden sollte.

Die Erforschung der dem Erklärungsempfänger erkennbaren Absicht des Erklärenden gebietet die Betrachtung auch der drei anderen Fälle, in denen nach den Dienstreisevorschriften „großes" Kilometergeld gewährt wird. So gebührt dieses wie erwähnt auch dann, wenn die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu einem erheblichen zeitlichen Mehraufwand führen würde (Pkt III.b.8.a), umfangreiches Gepäck mitgeführt werden muss (Pkt III.b.8.c) oder die Dienstreise mehrere Zielorte hat (Pkt III.b.8.d). Dabei zeigt sich, dass die der Beklagten vorschwebende Beschränkung auf rein „objektive" Gesichtspunkte möglicherweise zu kurz greift, zumal auch die „subjektiven" Verhältnisse objektiviert werden müssen. Auch das Wort „verhältnismäßig" scheint für ein weites Verständnis zu sprechen. So kann zwar ein bestimmtes Verkehrsnetz existieren, aus den verschiedensten Gründen (zB Witterung, Fahrplan, Störungen, Streik etc) aber nicht zur Verfügung stehen oder vom Reisenden nicht angenommen werden können. Es sind daher alle für die Erreichbarkeit des Ziels der Dienstreise relevanten „Verhältnisse" miteinzubeziehen. Wenn der Dienstgeber einen stark gehbehinderten Dienstnehmer auf Dienstreisen schickt, darf er den damit verbundenen Aufwand nicht ausblenden.

Wie schon ausgeführt leidet der Kläger an einer ganzen Reihe sich langsam verschlechternder gesundheitlicher Beeinträchtigungen („Ehlers Danlos-Syndrom"; Steh- und Gehbehinderung, „Gummifinger"; hypertrophe Rücken-Stützmuskulatur; Schwierigkeit den Oberkörper gerade zu halten; fortgeschrittene Skoliose etc). Er ist darauf angewiesen, einen Stützstock und orthopädische Schuhe zu verwenden. Trotz dieser Hilfsmittel ist die Belastung für ihn bei der Zurücklegung von Wegstrecken immer noch weitaus größer als für nichtbehinderte Menschen. Die starke Gehbehinderung wurde dem Kläger auch schon 1993 durch behördliche Ausstellung eines Gehbehindertenausweises nach § 29b StVO attestiert. Dem Gesetzesbegriff der starken Gehbehinderung iSd § 29b StVO wird zugrundegelegt, dass die betreffende Person nur unter Aufwendung überdurchschnittlicher Kraftanstrengung und großer Schmerzen in der Lage ist, eine Wegstrecke von mehr als 300 m in einer als Gehen zu qualifizierenden Weise zurückzulegen (VwGH 91/02/0136; 94/02/0207 ua). Dies unterstreicht die gegenständlichen Verfahrensergebnisse, die - selbst wenn der Kläger meint, dass seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vom Erstgericht gar nicht vollständig festgestellt wurden - keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, dass dem Kläger die Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Auch die Beklagte ging nur davon aus, dass die Orte der Zielreisen „grundsätzlich" mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen seien. Für das „große" Kilometergeld ist es nach Pkt III.b.8.b nicht erforderlich, dass der Zielort nur (verhältnismäßig) schwer zu erreichen ist; es genügt schon, dass er „nicht verhältnismäßig einfach erreichbar" ist. Diese Voraussetzung wird vom Kläger erfüllt, wenn man sich seine vielen gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor Augen hält und etwa an die gleichzeitige Manipulation von Stützstock und Reisegepäck denkt. Der Hinweis des Erstgerichts, dass das Fahren mit der Bahn bequemer und gefahrenfreier sei und es in Bahnhofsgebäuden „üblicherweise" Aufzüge und Rolltreppen gebe, lässt unberücksichtigt, wie der Kläger samt Gepäck „verhältnismäßig einfach" von seiner Wohnung zu einem Bahnhof bzw vom jeweiligen Zielbahnhof zum eigentlichen Einsatzort der Dienstreise kommt. Im Übrigen sind Aufzüge und Rolltreppen in weitläufigen Bahnhofsanlagen für Gehbehinderte auch nur eine teilweise Hilfe. Die Annahme, im August 2002, dem Zeitpunkt der letzten gegenständlichen Dienstreise des Klägers, wäre eine völlig barrierefreie Fortbewegung stark gehbehinderter Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln „üblicherweise" möglich gewesen, ist auch zu optimistisch.

Richtig ist, dass nach § 6 Abs 5 ASchG bei Beschäftigung von behinderten Dienstnehmern auf deren körperlichen und geistigen Zustand jede mögliche Rücksicht zu nehmen ist. Die daran anschließende Überlegung des Erstgerichts, der Kläger hätte darauf dringen können, dass er nicht mit Dienstreisen beauftragt werde, ist jedoch - vor dem Hintergrund der mitschwingenden Überlegung, weil er das nicht getan habe, habe er seinen Aufwand selbst zu tragen - verfehlt. Mit diesem Ansatz wird nämlich das Ziel, behinderten Menschen den Zugang zu allen Lebensbereichen zu ermöglichen, unterlaufen. Selbst im März 2005 - also immerhin rund zweieinhalb Jahre nach der letzten gegenständlichen Dienstreise des Klägers - musste in der Regierungsvorlage betreffend ein Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) einbekannt werden, dass trotz zahlreicher Förderangebote für Dienstgeber von Menschen mit Behinderungen die Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderungen nach wie vor unter dem Durchschnitt von Menschen ohne Behinderungen liegt, was auch an noch immer bestehenden sozialen Barrieren und Vorurteilen betreffend die berufliche Eingliederung von Menschen mit Behinderungen liegt. Daher muss durch den Abbau von Diskriminierungen in allen Lebensbereichen die wirtschaftliche und soziale Teilhabe gefördert und sozialer Ausgrenzung entgegengewirkt werden (RV 836 BlgNR 22. GP 2). Diese Erkenntnis ist nicht neu. Schon rund acht Jahre vorher bekannte sich die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) in einer Staatszielbestimmung dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten (Art 7 Abs 1 B-VG idF BGBl I 1997/87; Bericht des Verfassungsausschusses 785 BlgNR 20. GP 4 f).

All dies berücksichtigend, ergibt sich folgendes Resümee der Auslegung: Selbst wenn man der Beklagten folgt, dass die von ihr gebrauchte Formulierung „nicht verhältnismäßig einfach erreichbar" in Pkt III.b.8.b. Dienstreisevorschriften 1993 nicht „subjektiv", sondern „objektiv" im Sinne einer bloßen Bedachtnahme auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes gedacht war und zu verstehen ist, ist für ihren Standpunkt nichts gewonnen. Dann läge nämlich hier ein Problemfall vor, für den keine Regelung besteht, weil nicht daran gedacht wurde. In einem solchen Fall ist im Sinne ergänzender Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des verfolgten Zwecks sowie unter Heranziehung der Verkehrssitte zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien für diesen Fall vereinbart hätten (Rummel in Rummel, ABGB3 § 914 Rz 9 ff mwN, RIS-Justiz RS0113932 ua). Die Lösung, die diesen Kriterien gerecht wird, kann nur dahin lauten, dass derjenige, der - wie der Kläger - wegen körperlicher Behinderung objektivierbar das Reiseziel „nicht verhältnismäßig einfach erreichen„ kann und dennoch in Kenntnis dieses Umstands vom Dienstgeber mit der Verrichtung der Dienstreise beauftragt wird, den in den Dienstreisevorschriften vorgesehenen Anspruch auf das „große" Kilometergeld hat.

Dass der Kläger überwiegend das „kleine" Kilometergeld beantragte, ist ohne rechtliche Bedeutung, steht doch fest, dass er nicht müde wurde, vor jeder Dienstreise bei seinem Vorgesetzten um das „große" Kilometergeld anzufragen. Dass er jemals auch nur annähernd zum Ausdruck gebracht habe, er finde sich mit dem „kleinen" Kilometergeld ab und verzichte auf einen vollständigen Ersatz seines tatsächlichen Aufwands in Höhe des „großen" Kilometergelds, behauptete die Beklagte nicht. Dass die Gewährung des „großen" Kilometergelds in Pkt III.b.8. der Dienstreisevorschriften als Kann-Bestimmung formuliert ist, ist gleichfalls ohne Bedeutung. Die Beklagte machte, wie schon erwähnt nicht geltend, dass die Gewährung von Aufwandersatz in ihrem Belieben stehe. Zusammenfassend ist daher der Berufung des Klägers Folge zu geben und seinem Klagebegehren - nach der bereits in Teilrechtskraft erwachsenen Teilstattgebung des Erstgerichts hinsichtlich der Stadtfahrten - in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen nunmehr auch hinsichtlich der begehrten Differenz zwischen „großem" und „kleinem" Kilometergeld stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der gemäß § 21 Abs 1 RATG begehrte Honorarzuschlag von 100 % für den Ansatz der Berufung des Klägers nach TP 3B steht mangels Vorliegens der Voraussetzungen einer nach Umfang oder Art den Durchschnitt erheblich übersteigenden Leistung nicht zu.

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