OGH 5Nc4/06t

OGH5Nc4/06t20.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Neriman G*****, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger, Dr. Helmut Atzl, Mag. Christian Dillersberger, Rechtsanwälte in Kufstein, gegen die beklagte Partei Dr. Maria-Lisa A*****, wegen EUR 100,- über den Delegierungsantrag der klagenden Partei folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag der klagenden Partei auf Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Kufstein wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung eines Betrages von EUR 100,-, den ihr diese versprochen habe, wenn sie sie mit der Vertretung in einem bestimmten Besitzstörungsverfahren beauftrage. Die Beklagte bestritt dieses Begehren und beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung. Ein solches Versprechen habe sie nie abgegeben, auch habe sie die Klägerin in ihrem Besitzstörungsverfahren nicht vertreten. Die Klägerin beantragte zum Nachweis ihres Vorbringens die Einvernahme mehrerer Zeugen, wovon mindestens drei in Kufstein wohnhaft sind. Die Klägerin selbst wohnt in Kufstein, auch die Kanzlei des Klagevertreters ist dort situiert.

Die Beklagte hat der beantragten Delegation widersprochen und unter anderem angeführt, dass sie Mutter von Zwillingen sei, die mehrmals am Tag gestillt werden müssten, weshalb ihr eine Anreise zum Bezirksgericht Kufstein nicht zumutbar sei. Darüber hat sie die Einvernahme eines in Salzburg ansässigen Rechtsanwalts zum Beweis für ihr Vorbringen beantragt.

Das ursprünglich angerufene Bezirksgericht Neumarkt bei Salzburg hat sich für eine Stattgebung der Delegation ausgesprochen, weil andernfalls fünf von sechs beantragten Zeugen im Rechtshilfeweg durch das Bezirksgericht Kufstein einvernommen werden müssten.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

Zwar ermöglicht es § 31 Abs 1 JN, aus Zweckmäßigkeitsgründen ein anderes als das zuständige Gericht zur Verhandlung und Entscheidung zu bestimmen, doch darf dies nur den Ausnahmefall darstellen und nicht zu einer Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen. Deshalb ist gerade dann, wenn sich eine Partei gegen die Delegierung ausgesprochen hat, die Delegierung abzulehnen, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (vgl RIS-Justiz RS0046455; 8 Nd 512/01; 8 Nc 113/02p; Mayr in Rechberger ZPO2 § 31 JN Rz 4; Ballon in Fasching ZPO2 § 31 JN Rz 6 jeweils mwN). Es müssten besonders schwerwiegende Gründe vorliegen, um eine Rechtssache gegen den Willen einer Partei dem zuständigen Gericht abzunehmen. Davon ist hier jedoch nicht auszugehen. Vielmehr liegen schwerwiegende, in den persönlichen Umständen der Beklagten gegebene Gründe dafür vor, hier nicht von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung, die allgemein den Beklagten begünstigt, abzugehen. Die Beklagte hat zwei Kleinstkinder an ihrem Wohnort zu betreuen, der in unmittelbarer Nähe des angerufenen Gerichts liegt. Ihr Widerspruch gegen eine Verschiebung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung ist daher beachtlich. Die begehrte Delegierung wäre ausschließlich für die Klägerin, die von ihr beantragten Zeugen und den Klagevertreter von Vorteil. Damit liegen aber die Voraussetzungen des § 31 JN nicht vor. Die begehrte Delegierung war daher abzulehnen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte