OGH 10Ob143/05k

OGH10Ob143/05k17.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria S*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Peter S*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Ulrich Schwab und Dr. Georg Schwab, Rechtsanwälte in Wels, wegen Unterhalt, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 12. September 2005, GZ 21 R 212/05h-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 4. April 2005, GZ 17 C 5/05z-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 499,39 EUR (darin 83,23 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die am 22. 8. 1933 geborene Klägerin und der am 22. 9. 1930 geborene Beklagte sind seit 5. 2. 1955 miteinander verheiratet; ihre Ehe, der drei Kinder entstammen, ist aufrecht.

Bis zum Auszug der Klägerin Mitte Jänner 2005 bewohnten die Klägerin und der Beklagte gemeinsam ein Haus in Wels, wenn auch seit geraumer Zeit weitgehend getrennt in der Form, dass die Klägerin die Räume in der Mansarde und der Beklagte die Räume im Erdgeschoss nutzte. Die Klägerin führte den gemeinsamen Haushalt, solange der Beklagte damit einverstanden war. Seit er aber mit den von der Klägerin zubereiteten Mahlzeiten nicht mehr zufrieden war, haben sich die Klägerin und der Beklagte jeweils selbst gekocht.

Die Klägerin war immer Hausfrau. Sie hat bis zu ihren Auszug die gemeinsamen Kinder umsorgt und hatte daher nie ein eigenes Einkommen. Sie war und ist auf Unterhaltsleistungen des Beklagten angewiesen. Eine ausdrückliche Vereinbarung über Unterhaltsleistungen des Beklagten gab es nicht. Solange die Klägerin beim Beklagten wohnte, erhielt sie von ihm ein monatliches Taschengeld von ca EUR 140,--, wobei der Beklagte weiters für sämtliche Wohnungskosten und teilweise für die Kosten der gemeinsam verwendeten Lebensmittel aufkam. Dieses Taschengeld von ca EUR 140,-- ist der Beklagte auch weiterhin bereit zu zahlen. Der Beklagte ist seit 15 Jahren Pensionist und bezieht samt anteiligen Sonderzahlungen eine durchschnittliche Nettopension von EUR 1.500,--.

Der Beklagte war die dominierende Person in der Familie. Sowohl seine Frau als auch die Kinder mussten ihm „folgen", solange sie im gemeinsamen Haushalt lebten. Seit einer Gebärmuttertotaloperation vor über zehn Jahren leidet die Klägerin unter Panikattacken und Angstzuständen, die vorwiegend nachts auftreten, insbesondere dann, wenn sie sich alleine fühlt. In den letzten zwei Jahren hat sich dieses Leiden verschlimmert. Dazu kamen Bluthochdruck und Durchblutungsstörungen, weshalb die Klägerin von ihrer Tochter Helga L***** mehrmals ins Krankenhaus gebracht wurde. Während dieser Zeit, in der die Klägerin besonderer Fürsorge bedurft hätte, was dem Beklagten auch bekannt war, hat sich dieser nicht in ausreichendem Maße um sie gekümmert. Er war insbesondere in den Nachtstunden häufig auswärts und kam zeitlich unregelmäßig nach Hause. Er erklärte der Klägerin, sie müsse selbst schauen, wie sie zurechtkomme; sie möge ihn in Ruhe lassen. Dies erklärte er auch seiner Tochter Helga L*****, als diese ihn bat, doch mehr Rücksicht auf die kranke Klägerin zu nehmen und insbesondere nachts zu Hause zu bleiben, damit diese sich nicht ängstigen müsse.

Die Kommunikation und das Zusammentreffen der Eheleute beschränkte sich - räumlich gesehen - auf die gemeinsame Küche im Haus; ansonsten lebten sie getrennt. Die Ehe war weitgehend zerrüttet. Schon seit längerem spielte die Klägerin mit dem Gedanken, sich vom Beklagten zu trennen. Die Situation eskalierte dann kurz vor Weihnachten 2004. Helga L***** musste die Klägerin wegen akut hohen Blutdrucks in das Krankenhaus bringen und hat dann versucht, den Beklagten davon zu informieren. Dieser war aber zumindest bis 21:30 Uhr nicht zu Hause. Erst am nächsten Tag hat der Beklagte seine Tochter angerufen und nachgefragt, wo denn die Klägerin sei. Helga L***** brachte die Klägerin in weiterer Folge auf deren Wunsch (da sie Weihnachten nicht allein zu Hause verbringen wollte) nach Bad Mühllacken, wo sie von 22. 12. 2004 an für zwei Wochen in einem Kneippkurheim wohnte und sich erholen sollte.

Aus Sicht der Klägerin war die Situation im gemeinsamen Haushalt nicht mehr tragbar. Auch ihr Hausarzt riet ihr zu einer zumindest vorübergehenden Trennung im Hinblick auf ihre gesundheitliche Situation. Aufgrund schwerer Depressionen, die bis zu Selbstmordabsichten reichten, zog die Klägerin im Jänner 2005 zunächst zu ihrer Tochter Helga L***** und deren Ehemann und später in ein Seniorenwohnheim. Eine Rückkehr zu ihrem Ehemann schließt die Klägerin nicht aus, macht sie aber von einer Besserung ihrer gesundheitlichen Situation und auch einer Verhaltensänderung des Beklagten abhängig.

Das Erstgericht sprach der Klägerin den begehrten Unterhalt von EUR 500,-- monatlich ab 1. 2. 2005 zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Der Klägerin stehe Unterhalt nach § 94 ABGB sowohl nach dessen Satz 2 als auch nach Satz 3 zu. Da die Ehe zum Zeitpunkt des Auszuges der Klägerin aus dem gemeinsamen Haus Mitte Jänner 2005 bereits weitgehend zerrüttet gewesen sei und faktisch nur mehr auf dem Papier bestanden habe, ohne dass dafür ein zumindest überwiegendes Verschulden der Klägerin hervorgekommen wäre, könne das Verlassen der Ehewohnung durch die Klägerin nicht als besonders schwere (krasse) Eheverfehlung gewertet werden. Angesichts der Panikattacken und Angstzustände sei die Aufhebung der Wohngemeinschaft auch subjektiv nicht eindeutig vorwerfbar. Der Umstand allein, dass der Beklagte nun seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht mehr teilweise durch Gewährung von Naturalunterhalt nachkommen könne, lasse das Unterhaltsbegehren nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen. Da die Aufhebung der Wohngemeinschaft auch eine relevante Sachverhaltsänderung darstelle, sei die von der einkommenslosen Klägerin begehrte Unterhaltsquote von 33 % des Pensionseinkommens des Beklagten auch der Höhe nach gerechtfertigt.

Die ordentliche Revision sei zulässig, da zur wesentlichen Rechtsfrage, ob die einseitige Aufhebung der Wohngemeinschaft durch den unterhaltsberechtigten Ehegatten auch dann einen Rechtsmissbrauch darstelle, wenn die Ehe zu diesem Zeitpunkt jedenfalls weitgehend zerrüttet gewesen sei und die Ehegatten schon seit vielen Jahren im Einvernehmen faktisch getrennt unter einem Dach lebten, keine höchstgerichtliche Judikatur existiere und diesbezüglich eine richtungsweisende Entscheidung des Höchstgerichtes geboten erscheine. Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Als Revisionsgründe werden Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit sowie unrichtige rechtliche Beurteilung benannt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der beklagten Partei als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes - mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig erachtet, dass eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die einseitige Aufhebung der Wohngemeinschaft durch den unterhaltsberechtigten Ehegatten auch dann einen Rechtsmissbrauch darstelle, wenn die Ehe zu diesem Zeitpunkt jedenfalls weitgehend zerrüttet gewesen sei.

Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Judikatur ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin verneint hat, wird die in der Begründung des Zulässigkeitsausspruches angeführte Frage vom Beklagten in seiner Revision aber gar nicht releviert. Die von ihm selbst aufgeworfenen Rechtsfragen sind keine erheblichen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO. Er steht auf dem Standpunkt, dass die Klägerin über die ihr immer zugestandenen ca EUR 140,-- (Taschengeld) hinaus keinen Geldunterhaltsanspruch habe, da ihr nach wie vor die Inanspruchnahme von Naturalunterhalt im bisherigen Ausmaß offen stehe, was sie aber ohne nachvollziehbaren äußeren Anlass und ohne Änderung der Verhältnisse ablehne. Damit lässt er aber außer Betracht, dass zwar während aufrechter Lebensgemeinschaft der Unterhalt in der Regel in natura zu leisten ist, sofern der unterhaltsberechtigte Ehegatte nicht die Leistung in Geld fordert (§ 94 Abs 3 Satz 1 idF EheRÄG 1999); nach der Auflösung der ehelichen Haushaltsgemeinschaft ist jedoch der gesamte Unterhalt jedenfalls in Geld zu leisten (1 Ob 529/92 = EFSlg 67.662; Stabentheiner in Rummel3 § 94 Rz 12; Schwimann/Ferrari in Schwimann, ABGB3 I § 94 Rz 61), sofern dies nicht unbillig ist oder die Ehegatten eine anders lautende Vereinbarung getroffen haben. Eine solche liegt nach den Feststellungen nicht vor. Die Beurteilung der Billigkeit bzw Unbilligkeit hängt von den im Einzelfall gegebenen Umständen ab und bildet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0044088).

Ist dem Grunde nach ein Geldunterhaltsanspruch der Klägerin zu bejahen, könnte dessen Geltendmachung im Ausnahmefall als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein. Aber auch diese Beurteilung stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (RIS-Justiz RS0009759 [T13]).

Da die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht erfüllt sind, ist die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb der Beklagte die Kosten dafür zu ersetzen hat (§ 41 ZPO).

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