OGH 10Ob75/05k

OGH10Ob75/05k17.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei X***** Ltd, Zweigniederlassung für Österreich, *****, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OEG, Wien, gegen die beklagte Partei C***** Internationale Spedition GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johann Eder und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 11.201,03 s.A., über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 8. April 2005, GZ 4 R 48/05i-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15. Dezember 2004, GZ 2 Cg 18/04b-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 686,88 (darin EUR 114,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei wurde von der (damaligen) S***** Ges.m.b.H. (im Folgenden: Firma S*****) mit dem Transport eines Perforieraggregats vom Unternehmenssitz Saalfelden nach E***** in der Bundesrepublik Deutschland beauftragt. Die beklagte Partei ihrerseits beauftragte mit dem Transport die N***** Express OEG (im Folgenden: Firma N*****). Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Beladevorgang am 28. 1. 2003 fiel das Ladegut vom LKW des Frachtführers N***** herunter und wurde dabei beschädigt.

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen weiteren Feststellungen des Erstgerichtes war die beklagte Partei Fixkostenspediteur in ständiger Geschäftsbeziehung mit der Firma S*****. Am 28. 1. 2003 fuhr ein Mitarbeiter der Firma N*****, Manfred S*****, zwecks Abholung des Perforieraggregats mit einem LKW auf das Gelände der Firma S*****. Deren Mitarbeiter Siegfried H***** transportierte das Perforieraggregat mit einem Hubstapler zum LKW und stellte es auf dessen hinterer Ladebordwand etwa in der Mitte ab. S***** forderte H***** auf, das Perforieraggregat mit dem Hubstapler noch weiter in Richtung Ladefläche zu heben. Da H***** dieser Aufforderung nicht nachkam, versuchte S***** selbst, mit seinem Hubwagen die Palette mit der Maschine auf die Ladefläche zu bewegen. Nachdem er einmal ausgerutscht und gestürzt war, gelang es ihm mit einem ihm behilflichen Mitarbeiter der Firma S*****, die Maschine von der Ladebordwand auf die Ladefläche hineinzuziehen.

Um zu vermeiden, dass die Maschine bei deren weiterer Positionierung dem auch auf die Ladefläche hineinpeitschenden Regen ausgesetzt wird, beabsichtigte S*****, den LKW unter eine überdachte Fläche zu bringen, um dort witterungsgeschützt die Maschine weiter verschieben zu können. Aus diesem Grund fuhr er den LKW - mit geöffneter Ladebordwand - ein Stück zurück. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Maschine bereits im ganz hinteren Bereich der Ladefläche, unmittelbar am Rand zur angrenzenden, nach wie vor geöffneten Ladebordwand. Aufgrund beeinträchtigter Sichtverhältnisse beim Zurückfahren stieß S***** mit einer Kante der Ladebordwand seines LKW gegen die rechte Seite des in unmittelbarer Nähe stehenden Hubstaplers und beschädigte dabei dessen Seitenfenster. Nach Aufnahme dieses Unfalls fuhr er mit dem LKW vorwärts weg. Die Palette mit dem Perforieraggregat befand sich nach wie vor in unveränderter Position auf dem angehobenen Hubwagen. Nach ca zwei Meter Fahrt kam der Hubwagen samt Palette und Perforiergerät ins Rollen und fiel die Maschine vom LKW herunter. Die klagende Partei, der Transportversicherer der Absenderin (Firma S*****), verlangt als deren Zessionarin Schadenersatz im Umfang der Reparaturkosten in Höhe von EUR 11.050,75 s.A..

Die beklagte Partei brachte vor, nicht als Frachtführer, sondern ausschließlich als Spediteur tätig geworden zu sein. Gemäß den AÖSp sei der Schadenersatzanspruch verjährt. Auf das Verhalten des Frachtführers N***** und deren Fahrer habe sie keinen Einfluss gehabt.

Das Erstgericht gab der Klage im Umfang der Reparaturkosten von EUR 11.050,75 s.A. statt. Da der Verladevorgang ungeachtet der noch geöffneten Ladebordwand als bereits beendet anzusehen sei, habe der Haftungszeitraum nach Art 17 Abs 1 CMR bereits begonnen; demnach hafte die beklagte Partei. Die gemäß Art 25 Abs 1 CMR zu ersetzende Wertminderung sei hier nach Lage des Falles mit den Reparaturkosten gleichzusetzen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass der Ladevorgang zum Zeitpunkt des Absturzes der Maschine zwar noch nicht beendet gewesen sei, weil die mittels Hubwagen angehobene Last noch nicht auf die Ladefläche abgelassen gewesen sei. Dies nütze der beklagten Partei allerdings nichts, weil die Frachtführerhaftung nach Art 17 CMR nicht von einer Beendigung des Verladevorgangs abhänge. Vielmehr hafte der Frachtführer nach Art 17 Z 1 CMR für Beschädigung des Gutes, sofern die Beschädigung zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintrete. Gemäß Art 17 Z 4 lit c CMR sei der Frachtführer haftungsfrei, wenn die Beschädigung aus den mit dem Verladen des Gutes durch den Absender verbundenen besonderen Gefahren entstanden sei. Im vorliegenden Fall sei die Beschädigung nicht beim Verladen des Transportgutes, sondern beim Losfahren des LKW entstanden. Dass der Frachtführer bei noch nicht beendetem Verladevorgang mit dem LKW losfahren dürfe, könne weder aus Art 17 CMR noch aus einer anderen Bestimmung entnommen werden. Während des noch nicht abgeschlossenen Ladevorgangs loszufahren sei prinzipiell sorgfaltswidrig, weil die Schadenswahrscheinlichkeit hoch sei. Dies sei aber nicht einmal entscheidungswesentlich; maßgebend sei vielmehr, dass der Mitarbeiter des Frachtführers durch das Losfahren mit dem LKW die Gewahrsame am Transportgut übernommen habe. Auf das Ladegut eines in Fahrt befindlichen LKW habe nämlich der Verlader keine Einflussmöglichkeit mehr, zumindest was die Positionierung des Ladegutes auf der Ladefläche betreffe. Die Beschädigung habe sich demnach nach Beginn des Obhutszeitraums des Frachtführers (Art 17 Z 1 CMR) ereignet, weshalb die beklagte Partei für den Schaden einzustehen habe.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil sich die Lösung der entscheidungswesentlichen Rechtsfragen nicht unmittelbar aus der oberstgerichtlichen Judikatur zum CMR-Frachtrecht ergebe. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die klagende Partei, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt. Die von der Revisionswerberin geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht ist nicht verpflichtet, sich im Rahmen der Überprüfung der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen mit jedem einzelnen Beweisergebnis bzw mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0043162).

In ihrer Rechtsrüge macht die beklagte Partei im Wesentlichen geltend, dass der Frachtführer zum Zeitpunkt des Schadensfalls das Ladegut noch nicht übernommen gehabt habe, weil der Ladevorgang noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Das Ladegut sei nämlich ohne geeignete Hilfe des Versenders nicht transporttauglich auf der Ladefläche platzierbar gewesen, weshalb der Lkw-Fahrer nicht in der Lage gewesen sei, den Transport durchzuführen. Der Frachtführer habe daher noch nicht tatsächlich über das Ladegut verfügen und die Gewahrsame darüber ausüben können. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, durch das (in einem Zusammenhang mit der vorherigen Kollision mit dem Stapler stehende) Fahrmanöver habe der Fahrer die Gewahrsame am Transportgut übernommen, sei unrichtig.

Hiezu wurde erwogen:

Nach der Bestimmung des Art 17 Z 1 CMR, die nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine Haftung für vermutetes Verschulden

mit verschärftem Sorgfaltsmaßstab normiert (1 Ob 502, 503/87 = SZ

60/64 mwN; 1 Ob 579/91 = SZ 64/95), haftet der Frachtführer für eine Beschädigung des Transportgutes, sofern diese zwischen der Übernahme des Gutes zur Erfüllung der frachtvertraglichen Verpflichtungen und seiner Ablieferung eintritt. Dieser Obhutszeitraum beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem das Gut aus der Gewahrsame des Absenders in die Gewahrsame des Frachtführers übergeht (Jesser, Frachtführerhaftung nach der CMR [1992] 53); ohne Bedeutung ist, wann die eigentliche Beförderung beginnt (Thume/Seltmann in Thume, Kommentar zur CMR [1995] Art 17 Rz A16).

Die CMR enthält keine Regelung, ob das Beladen in den Obhutszeitraum fällt. Obliegt die Be- bzw Entladung dem Frachtführer, untersteht die Ladetätigkeit bereits seiner Obhut (3 Ob 347/85 = ZVR 1986/97; Schütz in Straube, HGB I3 § 429 Rz 9). Hat dagegen der Absender zu be- und entladen, erfolgt dies außerhalb des Obhuts- und Haftungszeitraums des Frachtführers; in diesem Fall beginnt die Übernahme des Gutes erst mit dem Zeitpunkt, in dem die Beladung abgeschlossen ist (Thume in Thume aaO Rz 30). Auch zur Frage, welcher der Beteiligten bei fehlender Vereinbarung zum Be- und Entladen verpflichtet ist, enthält die CMR keine Regelung (RIS-Justiz RS0073725), weshalb insoweit die (nach dem IPR zur Anwendung gelangenden) Bestimmungen des nationalen Rechts heranzuziehen sind (Helm, Frachtrecht II/CMR2 [2002] Art 17 CMR Rz 193; Thume in Thume aaO Rz 36; Piper, Probleme der CMR unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, insbesondere zur Ersatzverpflichtung des CMR-Frachtführers, TranspR 1990, 357 [359]), hier des österreichischen Rechts (Art 4 Abs 4 EVÜ). Eine allgemein gültige Aussage, wer nach österreichischem Recht - bei Fehlen einer Vereinbarung - zur Beladung verpflichtet ist, lässt sich nicht treffen (siehe die Übersicht von Schütz in Straube aaO § 429 Rz 9; Helm aaO Rz 195). Im Zweifel wird die Verladung eher als Sache des Absenders angesehen (1 Ob 577/84 = SZ 57/150). Dieser hat jedenfalls zu beweisen, dass das Transportgut in der Obhut des Frachtführers Schaden genommen hat (Giefers, Beweislast und Beweisführung bei der Haftung des Frachtführers nach der CMR [1997] 150; Koller, Transportrecht5 [2004] Art 17 CMR Rz 12), weshalb ihn bei Schäden während eines Ladevorgangs auch die Behauptungs- und Beweislast dafür trifft, dass der Ladevorgang bereits in den Obhutszeitraum des Frachtführers fällt.

Selbst wenn für den vorliegenden Fall eine Verladepflicht des Absenders angenommen wird, ändert dies nichts am Verfahrensausgang:

Nach herrschender Ansicht sind der Abschluss der Verladung und die Übernahme des Transportgutes regelmäßig anzunehmen, wenn das Gut auf der Ladefläche des LKW abgesetzt ist (Piper aaO, TranspR 1990, 360). Nach den Feststellungen befand sich zum Zeitpunkt des Schadenseintritts das Aggregat zwar schon auf der Ladefläche des LKW, wohin es der Fahrer gezogen hatte; es war allerdings noch nicht „abgesetzt". Zutreffenderweise hat aber schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass der Mitarbeiter des Frachtführers durch das Losfahren mit dem LKW - und sei es nur für eine kurze Strecke, die nicht der eigentlichen Beförderung, sondern ihrer Vorbereitung diente - die Gewahrsame am Ladegut übernommen hat, weil die Absenderin, selbst wenn sie zur Beladung verpflichtet gewesen ist, keine Einflussmöglichkeit mehr auf die „fixe" Positionierung des Ladegutes auf der Ladefläche hatte; der Fahrer hatte schon die tatsächliche Gewalt über das Gut übernommen (vgl Piper aaO, TranspR 1990, 360). Demnach hat sich das Schadensereignis entgegen der Ansicht der Revisionswerberin im Obhutszeitraum ereignet, weshalb der Revision nicht Folge zu geben ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO.

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