OGH 6Ob297/05b

OGH6Ob297/05b16.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. Bartolome M*****, und 2. Merlyn M*****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Seidel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Bewilligung der Annahme an Kindesstatt der Caroline B*****, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. Oktober 2005, GZ 45 R 237/05v-6, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 15. März 2005, GZ 1 FAM 2/05k-2, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die beiden Antragsteller sind seit 10. 9. 1990 verheiratet und seit 30. 7. 2001 österreichische Staatsangehörige. Sie waren zuvor philippinische Staatsangehörige und leben seit 1994 in Österreich. Am 30. 7. 2003 schlossen die Antragsteller als Wahleltern mit der am 23. 12. 1986 geborenen, philippinischen Staatsbürgerin Caroline B***** einen Adoptionsvertrag. Das Wahlkind ist die Nichte der Zweitantragstellerin und lebt auf den Philippinen. Am 27. 10. 2003 beantragten die Wahleltern zu 1 P 157/03f des Erstgerichts die Bewilligung der Annahme an Kindes statt. Dieser Antrag wurde vom Erstgericht rechtskräftig mit der Begründung zurückgewiesen, dass nach dem am 1. 5. 1995 in Kraft getretenen und hier anzuwendenden Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (BGBl III 1999/145) die Adoptiveltern zunächst das Verfahren bei der zentralen Behörde des Aufnahmestaates, also beim Landesjugendwohlfahrtsträger, einzuleiten gehabt hätten, welcher die Voraussetzungen der Adoption prüfen und in einem Bericht festhalten hätte müssen.

Mit dem am 24. 2. 2005 beim Erstgericht eingelangten Antrag wiederholen die Wahleltern unter Bezugnahme auf ihren ersten Antrag im Vorverfahren den Antrag auf Bewilligung der Adoption. Dort hatten die Wahleltern folgenden wesentlichen Sachverhalt behauptet:

Die leibliche Mutter des Wahlkindes habe nach dessen Geburt studiert, weshalb ihre Schwester (die Zweitantragstellerin) die Sorge und Pflege des Kindes übernommen hätte. Es habe sich ein Mutter-Tochter-Verhältnis entwickelt. Seit 1994 sei die Zweitantragstellerin in Österreich aufhältig und hier ständig beschäftigt. Mit dem Wahlkind habe ein regelmäßiger Brief- und Fernsprechkontakt bestanden. Die Zweitantragstellerin sei wiederholt zu Besuch auf die Philippinen gereist. Auch der Erstantragsteller habe seit den ersten Lebensmonaten des Wahlkindes zu diesem ein gutes Verhältnis gehabt. Die Einkommensverhältnisse der Wahleltern seien gesichert. Das Wahlkind solle in Österreich eine qualifizierte Ausbildung erhalten.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Bewilligung der Adoption schon aufgrund des Antragsvorbringens ab. Aufgrund der erfolgten Änderung des IPRG sei eine Erwachsenenadoption nur mehr dann zulässig, wenn auch das Recht des Wahlkindes eine solche erlaube. Das Wahlkind sei philippinische Staatsbürgerin. Es sei entsprechend den Artikeln 234 und 236 des Family Court of the Philippines mit 18 Jahren volljährig geworden. Art 187 der Norm schließe die Adoption einer volljährigen Person aus, außer diese sei, solange sie noch minderjährig gewesen sei, vom Adoptionswilligen ständig wie ein eigenes Kind angesehen und behandelt worden (also von diesem aufgezogen worden). Dies sei aber hier nicht der Fall.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Gemäß § 179a ABGB komme die Annahme an Kindesstatt durch schriftlichen Vertrag zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind und durch gerichtliche Bewilligung auf Antrag eines Vertragsteils zustande. Die Adoption werde im Fall ihrer Bewilligung mit dem Zeitpunkt der vertraglichen Willenseinigung wirksam. Daraus ergebe sich, dass die Voraussetzungen zur Bewilligung der Adoption nicht nur im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegeben sein müssten, sondern auch zum Zeitpunkt des Adoptionsvertrags. Im vorliegenden Fall würde durch eine gerichtliche Bewilligung des Adoptionsvertrags vom 30. 7. 2003 die Adoption wirksam, obwohl zum Zeitpunkt des Abschlusses im Hinblick auf die damalige Minderjährigkeit des Wahlkindes die Voraussetzungen für eine rechtswirksame Adoption nicht vorgelegen seien. Dem Adoptionsvertrag könne daher auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Wahlkindes die Genehmigung nicht erteilt werden. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Bedeutung der Rückwirkung einer gerichtlichen Genehmigung auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Adoptionsvertrags eine oberstgerichtliche Judikatur nicht vorliege.

Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragen die Wahleltern die Abänderung dahin, dass die Adoption bewilligt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zwar mit der oberstgerichtlichen Entscheidung 5 Ob 18/05s eine einschlägige Vorentscheidung schon vorliegt, der zu beurteilende Sachverhalt aber in dem (auch relevierten) Punkt unterschiedlich ist, dass der Adoptionsvertrag hier schon vor dem 1. 7. 2004 abgeschlossen worden war. Damit argumentieren die Revisionsrekurswerber erkennbar für ihren Standpunkt, dass die in der Zwischenzeit erfolgte Änderung des § 26 IPRG nicht entscheidungswesentlich sei. Der Revisionsrekurs ist jedoch aus folgenden Gründen nicht berechtigt:

Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer beantragten Adoption sind nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz zu beurteilen und vom Rechtsmittelgericht zu überprüfen (RIS-Justiz RS0048768; 1 Ob 145/03k).

Gemäß Art IV § 2 Abs 2 Satz 1 FamErbRÄG 2004 sind dessen Art I Z 2 (§ 180a Abs 1 ABGB) und Art II (§ 26 Abs 1 IPRG) anzuwenden, wenn die Sache nach dem 30. Juni 2004 anhängig gemacht wurde. Mit der Neufassung des § 26 IPRG wollte der Gesetzgeber einer missbräuchlichen Praxis bei Erwachsenenadoptionen entgegenwirken, die vielfach zur Umgehung der fremden- und staatsbürgerschaftsrechtlichen Regelungen angestrebt wurden. Nunmehr ist eine Erwachsenenadoption in Österreich nicht mehr möglich, wenn das anzuwendende fremde Recht eine solche Adoption nicht oder nur unter restriktiven Bedingungen vorsieht. Gemäß § 26 Abs 1 IPRG sind die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt kumulativ nach dem Personalstatut der Wahleltern und demjenigen des Wahlkindes zu beurteilen. Nach dem Heimatrecht des Wahlkindes unzulässige Erwachsenenadoptionen können - auch wenn sie nach österreichischem Recht zulässig sein sollten - nicht mehr bewilligt werden (Verschraegen in Rummel ABGB³ Rz 3 und 4 zu § 26 IPRG unter Hinweis auf die EBzRV). Der hier zu beurteilende Antrag wurde nach dem 30. 6. 2004 gestellt, sodass die Adoptionsvoraussetzungen nach der geltenden neuen Rechtslage zu beurteilen sind. Schon an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber auf die Einleitung des Verfahrens und nicht auf den Abschlusszeitpunkt des Adoptionsvertrags abstellt.

In der zitierten Vorentscheidung 5 Ob 18/05s war ein überaus ähnlicher Sachverhalt zu beurteilen. Auch dort war die Wahlmutter Tante des philippinischen erwachsenen Wahlkindes. Die in Österreich lebenden Wahleltern waren vor Erlangung der österreichischen Staatsangehörigkeit philippinische Staatsangehörige. Der 5. Senat des Obersten Gerichtshofs legte (entgegen den EBzRV, in denen davon die Rede ist, dass auf den Philippinen die Erwachsenenadoption generell unzulässig sei) die Rechtslage nach philippinischem Recht zusammengefasst dahin dar, dass nach dem Gesetz über die Adoption philippinischer Kinder durch Ausländer vom 25. Juli 1994 (Inter-Country Adoption Act of 1995) Subjekt einer zwischenstaatlichen Adoption nur ein „gesetzlich freies Kind" sein könne, das sei eine Person von weniger als 15 Jahren, welche dem Jugendwohlfahrtsgesetz freiwillig oder unfreiwillig anvertraut sei. Regeln für die Adoption auch volljähriger Personen fänden sich im Family Code of Philippines, Executive Order Nr 209 vom 6. Juli 1987 und im Gesetz über die Adoption philippinischer Kinder im Inland vom Februar 1998 (Inlandsadoptionsgesetz von 1998). Danach könnten ehemalige philippinische Staatsangehörige einen Blutsverwandten nur unter der Voraussetzung adoptieren, dass dieser seit seiner Minderjährigkeit als eigenes Kind angesehen und behandelt worden sei. Ungeachtet dieser Vorschriften müssten aber nach Auffassung des 5. Senats jedenfalls auch die Voraussetzungen des § 180a Abs 1 Satz 2 ABGB idgF vorliegen, die Wahleltern müssten also nachweisen, dass bereits ein enges, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechendes Verhältnis vorliegt, insbesondere wenn Wahlkind und Annehmender während fünf Jahren entweder in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft Beistand geleistet haben. Nach den Gesetzesmaterialien, die auf Art 266 des schweizerischen Zivilgesetzbuches verwiesen, sei zwar nicht eine Haushaltsgemeinschaft in der Dauer von fünf Jahren unbedingt nötig, wohl aber regelmäßiger persönlicher Kontakt im Zusammenhalt mit weiteren Hinweisen auf ein enges Eltern-Kind-Verhältnis, wie etwa bei einer vorliegenden Pflege oder Betreuung und wirtschaftlichen Beitragsleistungen. Nach Ansicht des 5. Senats reichten die von den Wahleltern behaupteten Umstände, dass die Wahleltern das Wahlkind seit Jahren bei der Finanzierung des Lebensaufwandes sowie der Berufsausbildung unterstützten und im Übrigen regelmäßig Urlaube in der Dauer von sechs Wochen im Jahr gemeinsam verbracht hätten, nicht aus, dass das erforderliche persönliche Naheverhältnis bejaht werden könnte. Dieser Rechtsansicht des 5. Senats ist auch im vorliegenden Fall zu folgen. Auch hier lassen die behaupteten Kontakte zum Wahlkind nicht auf eine solche Intensität schließen, die es erlaubten, das Verhältnis zum Wahlkind einer in den Gesetzesmaterialien angeführten Haushaltsgemeinschaft über einen relevanten Zeitraum gleichzustellen. Mangels näherer Revisionsrekursausführungen zu diesem Thema, die hinsichtlich einer Nachtragung eines entscheidungswesentlichen weiteren Sachverhalts allerdings dem Neuerungsverbot des § 49 Abs 2 AußStrG unterlägen, braucht zu diesem Thema nichts weiter ausgeführt werden. Entgegen den Revisionsrekursausführungen sind auch die Umstände, dass der Adoptionsvertrag schon vor Inkrafttreten der zitierten Änderung der Rechtslage (§ 180a ABGB; § 26 IPRG) geschlossen wurde und dass der erste Antrag zur Bewilligung des Adoptionsvertrags nur aus dem formellen Grund der Nichtbefassung der Zentralstellen des Aufnahmestaats zurückgewiesen wurde, nicht geeignet, eine für die Revisionsrekurswerber günstige Entscheidung herbeizuführen:

Die Rekurswerber stehen offenbar auf dem Standpunkt, dass schon aus dem Grund der Minderjährigkeit des Wahlkindes zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die neue Rechtslage nicht anzuwenden sei. Dem steht jedoch entgegen, dass der Gesetzgeber - wie schon ausgeführt - in den Übergangsbestimmungen auf die Einleitung des Verfahrens abstellt und es nach Zurückweisung eines Antrags verfahrensrechtlich nur auf den Zeitpunkt der Stellung des neuen Antrags, auch wenn dieser nur den schon zurückgewiesenen ersten Antrag wiederholt, ankommen kann. Die gegenteilige Auffassung bedeutete eine Durchbrechung der Rechtskraft. Der nicht zu teilende Rechtsstandpunkt der Revisionsrekurswerber läuft auf die Umgehung zwingender Gesetzesbestimmungen hinaus, nämlich durch Nichtbefassung der Zentralstellen im Zeitraum der Minderjährigkeit des Wahlkindes sowie durch Nichtanwendung der Bestimmungen über die Erwachsenenadoption trotz Volljährigkeit des Wahlkindes zum Entscheidungszeitpunkt. Beides wäre mit der zitierten Vorjudikatur nicht in Einklang zu bringen. Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

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