OGH 3Ob6/06p

OGH3Ob6/06p15.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus K*****, vertreten durch Steiner & Steiner Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei Stadt Wien, Wiener Wohnen, Wien 8, Doblhoffgasse 6, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, und die Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei

1. W***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Vera Kremslehner ua Rechtsanwälte in Wien, und 2. Felix S***** GmbH in Liquidation, ***** vertreten durch Dr. Dietmar Rom, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.475,55 EUR, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 6. September 2005, GZ 40 R 218/05p-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Liesing vom 5. Mai 2005, GZ 3 C 395/03v-29, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei sowie der ersten Nebenintervenientin die jeweils mit 665,66 EUR (darin jeweils 110,94 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Ehegattin des Klägers hatte von der beklagten Partei eine Wohnung samt Kellerabteil gemietet, in dem Gegenstände des Klägers gelagert waren. Dieses Kellerabteil wurde im Zuge einer Exekution gegen einen anderen Mieter am 20. und 22. April 1998 irrtümlich geräumt. Die Gegenstände des Klägers wurden von der beklagten Partei in Verwahrung genommen. In der über mehrere Jahre geführten Korrespondenz zwischen dem Kläger und seiner Ehegattin einerseits sowie der beklagten Partei und ihrem Haftpflichtversicherer andererseits behauptete der Kläger den teilweisen Verlust sowie die Beschädigung der ihm gehörigen Gegenstände.

Mit der am 12. Dezember 2002 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Zahlung von 8.475,44 EUR (den Wiederbeschaffungswert der in Verlust geratenen Fahrnisse: 2.556 EUR; Schadenersatz für durch

Transport und Lagerung entstandene Schäden: 690 EUR; Kosten des Rücktransports und der Inventur: 1.368 EUR; Zeitaufwand und sonstige

Kosten: 1.456,38 EUR; Kosten der außergerichtlichen

Betreibungsmaßnahmen: 2.405,06 EUR). Der Irrtum sei aufgrund von Äußerungen der Hauswartinnen der beklagten Partei entstanden. Die beklagte Partei setzte dem auf Schadenersatzrecht gestützten Klagebegehren u.a. die Einrede der Verjährung entgegen. Der Kläger habe spätestens am 9. Juni 1998 vom Eintritt des Schadens und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt.

Der Kläger replizierte, dass er vor der Klageführung keine Möglichkeit zur Feststellung gehabt habe, welche Gegenstände fehlten. Die Verjährung sei wegen Vergleichsverhandlungen gehemmt gewesen. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Für die im Revisionsverfahren allein entscheidungswesentliche Verjährungsfrage ist aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt, insbesondere der umfangreichen Korrespondenz, Folgendes gekürzt und zusammengefasst hervorzuheben:

Schon im Schreiben vom 4. Juni 1998 hatte die beklagte Partei gegenüber der Ehegattin des Klägers als ihrer Mieterin die Bereitschaft bekundet, „die Angelegenheit in Zusammenarbeit mit unserer Versicherung möglichst kulant zu erledigen". Im Schreiben des Rechtsvertreters des Klägers und seiner Ehegattin vom 9. Juni 1998 ist „vorbehaltlich der genauen Detaillierung von einem „Schaden bei S 200.000 bis S 250.000" die Rede. Die folgenden Schreiben bis ins Jahr 2000 hatten im Wesentlichen die Abholung und die Rückstellung der bei der beklagten Partei verwahrten Sachen zum Gegenstand. Das Schreiben der beklagten Partei vom 5. Juli 2000 enthält u.a. den Wortlaut: „In der Beilage finden Sie ein Delogierungsverzeichnis, welches den Wert des Delogierungsgutes mit S 3.000 beziffert. Ein von Ihnen genannter Schaden in der Höhe von S 200.000 bis S 250.000 ist ha. nicht nachvollziehbar. Weiters ist zu bemerken, daß Herr Klaus K***** mit einem Ausfolgeschein folgende Gegenstände vom Wiener Hafen abholte:

eine Holztruhe, ein Handrasenmäher, einen Vertikutierer, einen Sessel und einen Beistelltisch ....". Am 19. November 2002 kündigte der Kläger die Einbringung seiner Klage an und schlug - ohne Details zu nennen - eine außergerichtliche Regelung vor. Die beklagte Partei teilte daraufhin am 25. November 2002 mit, den Akt ihrem Rechtsreferat übergeben zu haben und erklärte ihr Interesse an einer außergerichtlichen Einigung.

Das Berufungsgericht beurteilte das Schreiben vom 4. Juni 1998 als ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis der beklagten Partei zum Grund der Ansprüche. Die Verjährungsfrist habe am 4. Juni 2001 geendet. Zu einer weiteren Unterbrechung sei es weder durch die Ausstellung von Ausfolgungsscheinen bezüglich der verwahrten Sachen noch durch das Schreiben der beklagten Partei vom 5. Juli 2000 gekommen. In diesem seien die vom Kläger behaupteten Schäden als nicht nachvollziehbar bezeichnet worden. Die zugestandene Tragung der Übersiedlungskosten sei zwar ein Anerkenntnis dem Grunde nach, dies gelte wegen der Bestreitung nur der Höhe nach grundsätzlich auch für die anderen Schadenersatzforderungen. Die Wiederholung des schon am 4. Juni 1998 abgegebenen Anerkenntnisses unterbreche aber die Verjährungsfrist nicht neuerlich. Der Sachverhalt unterscheide sich von demjenigen, wie er in der Entscheidung ZVR 1996/24 (= 2 Ob 26/94) zu beurteilen gewesen sei. Dort seien mehrfache Teilzahlungen (jeweils) als Anerkenntnis dem Grunde nach gewertet worden. Dem sei die bloße Bezugnahme auf Forderungen im Rahmen einer längeren Korrespondenz nicht gleichzuhalten. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vergleichsverhandlungen berufen. Zwischen dem 5. April 2001 und dem 4. März 2002 hätten keine Vergleichsverhandlungen über die Klageforderungen stattgefunden. Selbst wenn man das Schreiben des Klägers vom 19. November 2002 als Wiederaufnahme von Vergleichsverhandlungen auffasste, wären diese verspätet, weil die Verjährungsfrist schon abgelaufen gewesen sei.

Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision unzulässig, weil es entscheidungswesentlich nicht um die ohnehin zu bejahende Frage geht, ob es nach einer schon erfolgten Unterbrechung der Verjährung innerhalb der Verjährungsfrist zu einer neuerlichen Unterbrechung der Verjährungsfrist kommen kann, sondern darum, ob aus den Erklärungen der beklagten Partei, insbesondere derjenigen vom 5. Juli 2000 (Beil. /F), ein neuerliches Anerkenntnis der Ansprüche des Klägers dem Grunde nach zu erblicken ist. Diese Frage hängt aber von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei der Auslegung dieser Erklärung ist keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen.

Rechtliche Beurteilung

1. Vorauszuschicken sind folgende in der oberstgerichtlichen Rsp zur Unterbrechung der Verjährung vertretenen Grundsätze:

Ein Anerkenntnis unterbricht den Lauf der Verjährung, es beginnt wieder die dreijährige Verjährungsfrist (RIS-Justiz RS0032394, zuletzt 3 Ob 121/04x). Ein deklaratives Anerkenntnis genügt (RIS-Justiz RS0033015). Für die Unterbrechung genügt jede Handlung des Schuldners, die sein Bewusstsein, dem Gläubiger verpflichtet zu sein, zum Ausdruck bringt (RIS-Justiz RS0034516). Die Absicht des Schuldners muss deutlich erkennbar sein (2 Ob 242/99y; RIS-Justiz RS0034477). Durch Vergleichsverhandlungen tritt eine Ablaufshemmung der Verjährung ein (7 Ob 219/04p). Vergleichsverhandlungen unterbrechen die Verjährungsfrist, wenn nach ihrem Scheitern in angemessener Frist die Klage erhoben wird (RIS-Justiz RS0034450). Wenn nach dem Scheitern der Vergleichsverhandlungen innerhalb von drei Monaten die Klage erhoben wird, ist dies gerade noch angemessen (1 Ob 107/04y). Zuwarten mit mehr als drei Monaten bedeutet Rechtsverlust (RIS-Justiz RS0020748).

2. Zunächst ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, dass die in der zitierten Erklärung der beklagten Partei vom 5. Juli 2000 vorgenommene Bewertung des von ihr verwahrten Delogierungsgutes (mit 3.000 S) nur die dem Kläger ohnehin schon zurückgestellten Gegenstände betrifft und mit den geltend gemachten Schäden wegen Verlusts der Sachen nichts zu tun hat. Die weitere Erklärung, dass die vom Kläger genannte Schadenshöhe nicht nachvollziehbar sei, ist eine Erklärung zur Höhe eines allfälligen möglichen Schadens und keine über die schon im Juni 1998 erfolgte Anerkennung dem Grunde nach hinausgehende weitere Anerkennung von Schadenersatzansprüchen. Gleiches gilt für die erklärte Bereitschaft der beklagten Partei, die „Kosten für die Übersiedlung" tragen zu wollen. Der ersten Erklärung aus dem Jahr 1998 folgte inhaltlich keine neue Erklärung, die nachfolgende ist aber auch kein zum Grund des Anspruchs abgegebenes, wiederholendes Anerkenntnis, weil für eine solche Wiederholung keinerlei Anlass ersichtlich ist und der Hinweis auf die fehlende Nachvollziehbarkeit des vom Kläger relevierten exorbitanten Schadens sogar gegen ein Anerkenntnis spricht. Der Rechtsstandpunkt des Revisionswerbers liefe darauf hinaus, dass nach einem Anerkenntnis dem Grunde nach die nachfolgende und zur Höhe der Ansprüche im Regelfall auch stattfindende Korrespondenz die Verjährungsfrist auf unbestimmte Zeit verlängert. Dies stünde aber mit dem Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften, die u.a. zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten die Herbeiführung eines gesicherten Rechtszustands innerhalb kurzer Frist bezwecken, in Widerspruch. Von einem wiederholenden Anerkenntnis dem Grunde nach könnte nur gesprochen werden, wenn sich der Sachverhalt in der Zwischenzeit geändert hätte und der Erklärende eine Rechtsfolge auslösen wollte, sei es, dass der Anspruch zwischen den Parteien wieder strittig wurde oder dass der Anerkennende zu erkennen geben will oder nach dem objektiven Erklärungswert zu erkennen gibt, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Derartiges kann der von der Revision in den Vordergrund gestellten strittigen Erklärung vom 5. Juli 2000 genauso wenig entnommen werden wie der gesamten festgestellten Korrespondenz. Entgegen den Revisionsausführungen kann auch nicht der festgestellten Übermittlung von Ausfolgescheinen ein die Verjährung neuerlich unterbrechender Erklärungswert entnommen werden, weil diese Ausfolgescheine nur die zurückgestellten, nicht aber die in Verlust geratenen Gegenstände betrafen, also nicht die Grundlage der verfahrensgegenständlichen Schadenersatzforderungen bildeten. Dazu und zur Verneinung einer weiteren Unterbrechung aus dem Grund geführter Vergleichsverhandlungen kann auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts und die schon eingangs zitierte oberstgerichtliche Judikatur verwiesen werden. Eine vom Schuldner geäußerte Vergleichsbereitschaft ist nicht als ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis zu werten (RIS-Justiz RS0032582). Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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