OGH 6Ob309/05t

OGH6Ob309/05t26.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ewald B*****, vertreten durch Dr. Guntram Lins und Dr. Thomas Lins, Rechtsanwälte in Bludenz, gegen die beklagte Partei Josef S*****, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 16. September 2003, GZ 2 R 31/03d-58, womit das Urteil des Bezirksgerichts Bludenz vom 25. Februar 2003, GZ 2 C 1318/00m-50, und die in diesem Urteil enthaltene Zurückweisung eines Zwischenantrags der beklagten Partei auf Feststellung bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Revision wird in Ansehung des Räumungsbegehrens Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Begehren, der beklagten Partei aufzutragen, die Liegenschaften Grundstück Nr 328/1 und .106 mit dem darauf errichteten Wohnhaus O***** samt Stallungen in EZ 115 Grundbuch *****, der klagenden Partei geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben, abgewiesen wird. Dem gegen die Bestätigung der Zurückweisung des Zwischenantrags auf Feststellung gerichteten Rechtsmittel wird nicht Folge gegeben.

2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.784,94 EUR (darin 519,67 EUR Umsatzsteuer) bestimmten anteiligen Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist grundbücherlicher Eigentümer einer bebauten Liegenschaft in Vorarlberg (Österreich), die er mit Übergabsvertrag vom 9. 11. 1995 von seiner Mutter übertragen erhalten hatte. Der Beklagte, ein deutscher Staatsangehöriger, war mit den Eltern des Klägers (den damaligen Grundeigentümern) 1974 übereingekommen, das Objekt um 250.000 ATS zu kaufen. Das etwa 1784 erbaute Haus war damals seit drei Jahren unbewohnt und in einem sehr schlechten Zustand. Der Beklagte begann 1974 mit umfangreichen Instandsetzungsarbeiten und benutzt das Objekt seither mit seiner Familie als Ferienwohnung. Er leistete auch eine vom Vater des Klägers verlangte Erhöhung um weitere 100.000 ATS. Am 16. 6. 1975 unterfertigten die Eltern des Klägers und der Beklagte zwei Vereinbarungen. In der als "Mietvertrag" bezeichneten Vereinbarung erklärten die Eltern des Klägers, dem Beklagten das näher beschriebene Objekt um einen monatlichen Bestandzins von 291 ATS ab 1. 1. 1975 auf die Dauer von 99 Jahren beiderseits unkündbar zu vermieten. Dabei wurde festgehalten, dass die vertragliche Verpflichtung auch auf die beiderseitigen Rechtsnachfolger übergeht. Der Beklagte verpflichtete sich zu einer Mietzinsvorauszahlung von 350.000 ATS. Neben den mit der Benützung des Mietobjekts verbundenen Betriebskosten und den darauf entfallenden Steuern und öffentlichen Abgaben übernahm der Beklagte auch die Kosten der ordnungsgemäßen Erhaltung, aller Reparaturen und Neuherstellungen und der natürlichen Abnutzung und der Beseitigung aller am Mietobjekt entstehender Schäden. Für den Fall vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses war vereinbart, dass der unverbrauchte Teil der nicht zu verzinsenden Mietzinsvorauszahlung an den Mieter zurückerstattet werden sollte. In der zugleich mit dem "Mietvertrag" abgeschlossenen weiteren Vereinbarung hielten die Vertragspartner fest, dass für den Mieter aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften keine Möglichkeit bestehe, das Mietobjekt käuflich ins Eigentum zu erwerben. Für den Fall, dass der Mieter die rechtliche Möglichkeit erlangen sollte, das Mietobjekt zu kaufen, verpflichteten sich die Vermieter, dem Mieter (oder einem von ihm namhaft gemachten Dritten) das Objekt um einen Kaufpreis von 350.000 ATS käuflich zu überlassen. Vereinbart war auch, dass die Rechte und Pflichten aus dieser Vereinbarung auf die beiderseitigen Gesamtrechtsnachfolger übergehen.

Der Vater des Klägers verstarb 1979, die Mutter 1998. Der Übergabsvertrag vom 9. 11. 1995 an den Kläger verwies darauf, dass die Liegenschaft mit Mietvertrag vom 16. 6. 1975 auf die Dauer von 99 Jahren beiderseits unkündbar an den Beklagten vermietet wurde und die Mutter des Klägers eine Mietzinsvorauszahlung für die gesamte Mietdauer erhalten hatte. Der Kläger erklärte als Übernehmer, in alle Rechte und Pflichten des Mietvertrags einzutreten.

Mit Bescheid der örtlichen Gemeinde vom 12. 7. 1994 wurde die Nutzung der Räumlichkeiten als Ferienwohnung unter Hinweis auf die Bestimmungen der Vorarlberger Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl 27/1993 untersagt. Die Behörde vertrat die Auffassung, der mit dem Beklagten abgeschlossene Mietvertrag habe die Wirkung eines Kaufvertrags und stelle eine Umgehung der Bestimmungen über den Grundstückserwerb durch Ausländer dar. Nach § 14 Abs 14 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes sei die Nutzung von Wohnungen oder Wohnräumen als Ferienwohnung unter anderem dann unzulässig, wenn die bisherige Nutzung als Ferienwohnung - wie hier - unter Umgehung der Bestimmungen über den Grunderwerb durch Ausländer stattgefunden habe. Die Bezirkshauptmannschaft wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Vorstellung ab. Die an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde war nicht erfolgreich.

Mit der am 11. 9. 2000 bei Gericht eingelangten Klage begehrt der Kläger Räumung. Der Beklagte nutze das Objekt titellos, weil die mit den Rechtsvorgängern des Klägers in Umgehung der Bestimmungen über den Grunderwerb geschlossenen Vereinbarungen von Anfang an nichtig seien.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Die 1975 mit den Rechtsvorgängern des Klägers getroffenen Vereinbarungen bedeuteten keine Umgehung der Grundverkehrsbestimmungen. Die Übertragung des Grundstücks ins Eigentum des Beklagten sei nun aufgrund der geänderten Gesetzeslage möglich. Die Weigerung des Klägers, seiner dementsprechenden Verpflichtung nachzukommen, verstoße gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Selbst wenn der Beklagte zur Räumung verpflichtet wäre, hätte diese nur Zug um Zug gegen Rückzahlung des nicht verbrauchten Benützungsentgelts und gegen Abgeltung der getätigten Investitionen zu erfolgen.

Im ersten Rechtsgang beurteilten sowohl das Berufungsgericht als auch der Oberste Gerichtshof die 1975 geschlossenen Vereinbarungen als Umgehungsgeschäft. 1975 sei es für den Beklagten als deutschem Staatsbürger ausgeschlossen gewesen, die grundverkehrsbehördliche Zustimmung für den Ankauf einer bebauten Liegenschaft in Vorarlberg zu erhalten. Die gewählte vertragliche Konstruktion habe ihm eine Rechtsstellung verschafft, die der eines Eigentümers gleichkomme und damit den vom damaligen Gesetz verpönten Erfolg herbeigeführt. Das Umgehungsgeschäft unterliege nach ständiger Rechtsprechung den auf das in Wahrheit beabsichtigte Geschäft anzuwendenden Rechtsnormen. Im vorliegenden Fall bedeute dies, dass die Rechtswirkungen der Vereinbarungen so lange in Schwebe seien, als nicht die Genehmigung erteilt oder versagt oder festgestellt werde, dass es keiner Genehmigung bedürfe. Nach Anpassung des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes an die bereits mit dem EWR-Abkommen übernommene Verpflichtung, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr, das Aufenthaltsrecht und die Kapitalverkehrsfreiheit zu garantieren, bedürfe der Eigentumserwerb an bebauten Grundstücken nicht mehr der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung. Es reiche vielmehr eine der zuständigen Behörde gegenüber abgegebene und von dieser bestätigte Erklärung des Erwerbers nach § 7 Abs 2 Vbg GVG (Vorarlberger Grundverkehrsgesetz). Sie sei Voraussetzung der grundbücherlichen Eintragung. Werde die Erklärung nicht fristgerecht abgegeben, so sei das Rechtsgeschäft nach § 25 Abs 2 Vbg GVG rückwirkend rechtsunwirksam. Diese Rechtsfolge diene offensichtlich der Schaffung klarer Verhältnisse im Grundverkehrsrecht und damit der Rechtssicherheit. Der ungenützte Ablauf der für eine Erklärung nach § 7 Vbg GVG zur Verfügung stehenden Zweijahresfrist führe nach dem ausdrücklichen Wortlaut und dem in den Materialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers zur Beendigung des Schwebezustandes des Umgehungsgeschäftes und somit zur rückwirkenden Unwirksamkeit der Verträge. Der Beklagte hätte daher die Erklärung nach § 7 Abs 2 Vbg GVG innerhalb von zwei Jahren nach Einführung des "Erklärungsmodells" durch LGBl 61/1993 - somit ab 1. 1. 1994 -, spätestens aber mit Inkrafttreten des BGBl 29/2000 abgeben müssen, um der aus Gründen der Rechtssicherheit vorgesehenen Sanktion der Unwirksamkeit nicht angezeigter (oder nicht genehmigter) Verträge zu entgehen. Er habe diese Erklärung bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im ersten Rechtsgang nicht abgegeben. Damit habe er jenen Titel verloren, der ihn noch weiter berechtigen könnte, den Vertragsgegenstand zu behalten, sodass sich eine Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts unter Feststellung der vom Kläger getätigten Aufwendungen als erforderlich erweise.

Im zweiten Rechtsgang brachte der Beklagte vor, die Nichtabgabe einer Erklärung nach § 7 Vbg GVG innerhalb der Zweijahresfrist ändere zivilrechtlich nichts an der Verpflichtung des Klägers, die Liegenschaft an ihn zu übertragen. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang sei rechtlich falsch und wegen einer Änderung der Rechtslage keineswegs bindend. Für den Fall, dass das Erstgericht seine (neuerliche) Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht aufgreifen sollte, werde ein Zwischenantrag auf Feststellung gestellt, dass der Kläger verpflichtet sei, die näher bezeichneten, ihm allein gehörenden Liegenschaften samt dem darauf befindlichen Wohnhaus mit Stall um einen Kaufpreis von 350.000 ATS an den Beklagten zu verkaufen und in dessen Alleineigentum zu übertragen. Vom Bestehen dieser Verpflichtung hänge die Entscheidung über das Räumungsbegehren ab. Das strittige Recht sei daher für die Entscheidung über das Klagebegehren präjudiziell, die Wirkung der begehrten Feststellung reiche über den konkreten Rechtsstreit hinaus.

Das Erstgericht ermittelte die Aufwendungen des Beklagten auf die Liegenschaft. Es verpflichtete den Beklagten zur Räumung Zug um Zug gegen Bezahlung von 38.280,57 EUR. Den Zwischenantrag auf Feststellung wies es zurück. Nach der bindenden Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs seien die zwischen den Eltern des Klägers und dem Beklagten geschlossenen Vereinbarungen rückwirkend unwirksam geworden. Den Kläger treffe somit keine Verpflichtung, das Kaufobjekt an den Beklagten zu verkaufen und/oder in sein Eigentum zu übertragen. Über die im Zwischenantrag begehrte Feststellung sei daher bindend abgesprochen, sodass der Zwischenantrag des Beklagten zurückgewiesen werde.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Gegenstand des zweiten Rechtsgangs sei nur mehr die Höhe des Bereicherungsanspruchs, der keine erheblichen Rechtsfragen aufwerfe. Das Berufungsgericht bejahte die vom Beklagten erstmals in seiner Berufung bezweifelte inländische Gerichtsbarkeit und örtliche Zuständigkeit. Der Kläger mache mit seiner Räumungsklage sein Eigentumsrecht, somit ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache im Sinn des Art 16 EuGVÜ geltend. Durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang stehe bindend fest, dass das Räumungsbegehren berechtigt sei und der Kläger (gemeint der Beklagte) keinen Anspruch auf die Liegenschaft habe. Die Vereinbarung, wonach der Beklagte berechtigt sein solle, das Mietobjekt zu kaufen, sei nämlich ebenfalls unwirksam. Dem zufolge sei auch der Zwischenfeststellungsantrag unberechtigt. Der rechtskräftigen Entscheidung über die Berechtigung des Räumungsbegehrens könne auch die spätere Entscheidung des EuGH vom 15. 5. 2003 (C-300/01 - Salzmann II) nicht entgegengehalten werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten. Er macht geltend, eine Bindung an die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang bestehe angesichts der danach ergangenen neueren Rechtsprechung des EuGH nicht. Der EuGH habe nämlich jüngst in seiner Entscheidung Salzmann II klargestellt, dass eine Genehmigungspflicht im Baulandverkehr der Kapitalverkehrsfreiheit widerspreche und demnach gemeinschaftsrechtswidrig sei. Bestehe aber keine Genehmigungspflicht, sei auch die Nichtigkeitssanktion des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes obsolet, zumal die Verletzung von Formvorschriften nach ständiger Rechtsprechung des EuGH nicht zum Rechtsverlust führen könne.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil die durch die Entscheidung des EuGH vom 15. 5. 2003 in der Rechtssache C-300/01 - Salzmann II geschaffene neue Rechtslage eine neuerliche Beurteilung darüber erfordert, ob die Rechtsfolge des § 25 Abs 2 Vbg GVG idF LGBl 61/1993 (= § 29 Abs 2 idF LGBl 21/2000) (nachträgliche Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts bei nicht fristgerechter Abgabe der Erklärung nach § 7 Abs 2 Vbg GVG) gemeinschaftsrechtskonform ist. Das Rechtsmittel ist in Ansehung des Ausspruchs über die Räumung berechtigt, in Ansehung der Entscheidung über den Zwischenantrag auf Feststellung nicht berechtigt.

1. Zur Revision des Beklagten gegen die Bestätigung des Ausspruchs über die Räumung:

Vorauszuschicken ist, dass gegen die vom Beklagten erstmals in seiner Berufung im zweiten Rechtsgang bezweifelte inländische Gerichtsbarkeit und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts keine Bedenken bestehen. Unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Klageeinbringung (11. 9. 2000) findet das EuGVÜ Anwendung, nach dessen Art 16 für Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen oder die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaats ausschließlich zuständig sind, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Darunter fallen auch Klagen, die Miete und Pacht unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben. Art 16 erfasst auch Klagen über das Bestehen eines Vertrags oder die Räumung der Sache (Czernich/Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel, Art 16 Rz 15). Im Übrigen hat der Beklagte unter Hinweis auf seinen allgemeinen Gerichtsstand den Einwand der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit erstmals in seiner Berufung im zweiten Rechtsgang erhoben. Es besteht somit kein Zweifel daran, dass die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts schon durch rügelose Einlassung im Sinn des Art 18 EuGVÜ begründet wäre. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wurde über das Räumungsbegehren im ersten Rechtsgang keineswegs endgültig und rechtskräftig entschieden. Die Rechtsausführungen des Senats in seiner Entscheidung 6 Ob 251/01g entfalteten nur insoweit bindende Wirkung, als die im zweiten Rechtsgang befassten Vorinstanzen - wie auch der Oberste Gerichtshof selbst - bei ihrer Entscheidung von dieser Rechtsansicht auszugehen haben. Der Senat ist an seine im ersten Rechtsgang vertretene Rechtsauffassung insoweit aber nicht gebunden, als zwischenzeitig eine Änderung der Rechtslage eingetreten ist (RIS-Justiz RS0031419, RS0007010); diese kann auch in einer bindenden Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs bestehen. Der Senat erblickt in der in der Entscheidung vom 15. Mai 2003, C-300/01 - Salzmann II, weiterentwickelten Rechtsprechung des EuGH eine derartige, noch im Rechtsmittelverfahren aufzugreifende Änderung der Rechtslage. Er hat daher mit seiner Entscheidung vom 29. April 2004, GZ 6 Ob 300/03s dem EuGH nachstehende (im vorliegenden Fall entscheidende) Frage gemäß Art 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„Ist Art 56 EG so auszulegen, dass er einer nationalen Regelung (Vorarlberger Grundverkehrsgesetz) entgegensteht, nach der im Fall eines rechtsgeschäftlichen Grunderwerbs, der keine grundverkehrsbehördliche Genehmigung erfordert, die nicht fristgerechte Abgabe einer Erklärung des Erwerbers, dass das Grundstück bebaut ist, der Erwerb nicht zu Ferienzwecken erfolgt und er österreichischer Staatsbürger oder mit einem solchen gleich zu behandeln ist, zur rückwirkenden Rechtsunwirksamkeit des Rechtsgeschäfts führt?" Im Ersuchen wurde dazu ausgeführt, dass angesichts der Entscheidung Salzmann II nunmehr Bedenken bestünden, ob § 29 Abs 2 Vbg GVG idF LGBl 29/2000 (gleichlautend mit § 25 Abs 2 idF LGBl 61/1993), wonach das Unterbleiben der Anzeige eines an sich nicht einmal bewilligungspflichtigen Grundverkehrsgeschäfts zur (rückwirkenden) Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts führt, mit dem Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit in Einklang zu bringen sei. In seiner Entscheidung Salzmann II fordere der EuGH nämlich auch im Zusammenhang mit einem Anmeldeverfahren nach § 7 Vbg GVG die Angemessenheit der für dieses Verfahren vorgesehenen rechtlichen Möglichkeiten. Dass die in den angeführten Bestimmungen vorgesehene Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts infolge Ablaufs der Frist für die Erklärung geeignet sei, die Ziele des Gesetzgebers (Bekanntgabe des Rechtserwerbs) zu erreichen, sei nicht zweifelhaft. Zweifelhaft sei allerdings, ob diese Maßnahme (Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts und damit Rechtsverlust bei nicht rechtzeitiger Abgabe der Erklärung) im Hinblick auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel auch in Fällen noch verhältnismäßig sei, in denen die Durchführung des Rechtsgeschäfts von vornherein keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe und nur eine formale Erklärung erfordere. Die Verletzung der Formvorschrift führe nämlich zum Rechtsverlust.

Der EuGH hat mit Urteil vom 1. 12. 2005, C-213/04 wie folgt erkannt:

„Art 56 Abs 1 EG steht der Anwendung einer nationalen Regelung wie dem Vorarlberger Grundverkehrsgesetz vom 23. September 1993 in geänderter Fassung entgegen, wonach die bloße verspätete Abgabe der geforderten Erklärung über den Erwerb zur rückwirkenden Rechtsunwirksamkeit des betreffenden Grundverkehrsgeschäfts führt". Er hat dazu ausgeführt, dass sich eine Regelung wie die hier zu beurteilende, mit der der Grundstückserwerb zum Zweck der Errichtung von Zweitwohnungen untersagt oder von speziellen Voraussetzungen abhängig gemacht werden solle, in den Grenzen der Vorschriften des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr zu halten habe (Rn 39). Die Erklärung sei zwar keine materielle Voraussetzung für die Durchführung des Rechtsgeschäfts, wohl aber eine zwingende Formvorschrift, die vor Eintragung des Verkaufs ins Grundbuch erfüllt sein müsse und die allein die Wirksamkeit dieses Rechtsakts gegenüber dem Staat und Dritten gewährleiste. Mit dieser Erklärung gehe überdies die Verpflichtung einher, das Grundstück nicht in einer anderen als der erklärten Art und Weise zu nutzen. Ein solches Erfordernis einer Erklärung bewirke daher bereits durch ihren Gegenstand eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs (Rn 43) und sei nur zulässig, wenn mit dieser nationalen Maßnahme ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt werde, sie in nicht diskriminierender Weise angewandt werde und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachte; sie müsse daher geeignet sein, die Erreichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten und dürfe nicht über das hinausgehen, was hiezu erforderlich sei (Rn 44). Beschränkungen der Errichtung von Zweitwohnungen in einem bestimmten geographischen Gebiet, die in Verfolgung raumplanerischer Ziele zur Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung und einer vom Tourismus unabhängigen Wirtschaftstätigkeit verfügt würden, könnten als Beitrag zu einem im Allgemeininteresse liegenden Ziel angesehen werden. Es bestehe auch kein Zweifel daran, dass das Bestreben der nationalen Behörden, die Anwendung des Planungsrechts unter Beachtung des Erfordernisses der Rechtssicherheit der Rechtsgeschäfte sicherzustellen, ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel darstelle (Rn 46). Die hier zu beurteilende Vorschrift werde auch in nicht diskriminierender Weise angewendet. Das Erklärungserfordernis sei als solches keine unverhältnismäßige Maßnahme. Die an eine verspätete (nicht fristgerechte) Abgabe der Erklärung geknüpfte Sanktion der Unwirksamkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts könne jedoch nicht als unerlässlich angesehen werden, um die Verpflichtung zur Abgabe der Erklärung sicherzustellen und das vom Gesetz angestrebte im Allgemeininteresse liegende Ziel zu erreichen. Sie stehe daher in keinem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen des Allgemeininteresses (Rn 61).

Die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs schafft insoweit eine neue Rechtslage, als § 25 Abs 2 Vbg GVG idF LGBl 61/1993 (gleichlautend § 29 Abs 2 idF LGBl 21/2000), wonach die nicht fristgerechte Abgabe der Erklärung nach § 7 Abs 2 Vbg GVG zur rückwirkenden Rechtsunwirksamkeit des Rechtsgeschäfts führt, im vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist. Dass der Beklagte diese Erklärung im Jänner 2003 (nach Auffassung des Senats daher nicht fristgerecht) abgegeben hat, ist nach dem Akteninhalt nicht zweifelhaft. Die mangelnde Fristwahrung hat aber keinen Einfluss auf die Rechtswirksamkeit des 1975 geschlossenen Rechtsgeschäfts. Die in der Entscheidung 6 Ob 251/01g vertretene Auffassung, der durch die fehlende Bewilligung hervorgerufene Schwebezustand sei durch den ungenutzten Ablauf der Frist beendet und der Vertrag sei unwirksam geworden, ist daher - zufolge der durch die Vorabentscheidung bewirkten Änderung der Rechtslage - nicht mehr aufrechtzuerhalten. Damit bleibt aber auch der Titel für die weitere Benutzung der Liegenschaft aufrecht. Das auf titellose Benützung gestützte Räumungsbegehren ist in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen abzuweisen.

2. Zum Zwischenantrag des Beklagten auf Feststellung, dass der Kläger verpflichtet sei, die Liegenschaft ins Alleineigentum des Beklagten zu übertragen:

Der Beklagte hat im zweiten Rechtsgang unter Hinweis auf die 1975 zugleich mit dem Mietvertrag geschlossene (weitere) Vereinbarung einen Übereignungsanspruch geltend gemacht. Er vertritt die Auffassung, die begehrte Feststellung reiche über den Rechtsstreit hinaus und sei präjudiziell für die Entscheidung über das Räumungsbegehren.

Das Erstgericht hat den Antrag zugleich mit der Entscheidung in der Hauptsache zurückgewiesen. Das Gericht zweiter Instanz hat dem dagegen gerichteten Rechtsmittel des Beklagten anlässlich seiner Berufungsentscheidung nicht Folge gegeben. Das dagegen erhobene Rechtsmittel des Beklagten ist nicht berechtigt. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Zwischenantrags auf Feststellung ist gemäß § 236 Abs 1 iVm § 259 Abs 2 ZPO seine - gänzliche oder teilweise - Präjudizialität für die Entscheidung über das Klagebegehren. Diese (besondere) Prozessvoraussetzung ist in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen zu prüfen (4 Ob 116/01i mwN;

Rechberger/Frauenberger in Rechberger ZPO² § 236 Rz 5 mwN). Für die Beurteilung der konkreten Präjudizialität ist die Rechtsansicht des im Instanzenzug zuletzt mit der Hauptsache befassten Gerichts entscheidend (SZ 40/28; SZ 51/142; 4 Ob 116/01i). Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 40/28; 4 Ob 116/01i; 4 Ob 21/02w; RIS-Justiz RS0039531) ist es bei der Beurteilung der Präjudizialität eines Zwischenfeststellungsantrags ohne Bedeutung, ob etwa der Beklagte gegen den Klageanspruch mehrere Rechtsverhältnisse oder Rechte eingewendet hat und nach den Regeln der Logik jedes von ihnen selbständig für die Entscheidung über das Klagebegehren eine Vorfrage bildet. Maßgeblich ist vielmehr, welcher der mehreren Einwendungen des Beklagten die konkrete Entscheidung über das Klagebegehren die ausschlaggebende Bedeutung beigemessen und sie so zur alleinigen Grundlage des Erkenntnisses gemacht hat. Andere eingewendete Rechtsverhältnisse oder Rechte, die vom Gericht als Vorfrage für die Entscheidung nicht herangezogen und behandelt wurden, können trotz ihrer theoretischen Präjudizialität nicht zum Gegenstand eines Zwischenfeststellungsantrags gemacht werden.

Im vorliegenden Fall war die Räumungsklage schon deshalb abzuweisen, weil der Beklagte aufgrund des 1975 geschlossenen (und nachträglich nicht rechtsungültig gewordenen) Rechtsgeschäfts über einen Benutzungstitel verfügt. Auf die Frage, ob die im Zwischenantrag auf Feststellung formulierte Verpflichtung des Klägers den Klageanspruch auf Räumung hindert, kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an. Diese Frage ist daher auch nicht präjudiziell für die Entscheidung in der Hauptsache. Das Erstgericht hat daher den Zwischenantrag auf Feststellung im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen. Dem Rechtsmittel gegen die Bestätigung seiner Entscheidung ist ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 43 Abs 1 und 50 ZPO. Der Beklagte hat bis zum Zeitpunkt seines Zwischenantrags auf Feststellung zur Gänze obsiegt, für den Zeitraum danach ist er mit seinem Zwischenantrag unterlegen, sodass die Kosten gegenseitig aufzuheben waren.

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