OGH 9Ob60/05x

OGH9Ob60/05x25.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Annemarie S*****, Hausfrau, *****, vertreten durch MMag. Dr. Verena Rastner, Rechtsanwältin in Lienz, gegen die beklagte Partei Dipl. Ing. E.T.H. Franz S*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Herwig Fuchs, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. April 2005, GZ 3 R 54/05w-18, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 21. Dezember 2004, GZ 1 C 68/04i-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Ausspruch der Scheidung als unangefochten von dieser Entscheidung unberührt bleiben, werden im Ausspruch über das Verschulden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

„Die zwischen den Parteien am ***** vor dem Standesamt ***** zu EhebuchNr. ***** geschlossene Ehe wird aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten mit der Wirkung geschieden, dass sie mit Rechtskraft dieses Urteils aufgelöst ist.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.076,40 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin EUR 155,56 USt und EUR 143,25 Barauslagen) und die mit EUR 291,48 bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz (darin EUR 48,58 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die von ihr getragenen Pauschalgebühren zweiter Instanz im Umfang von EUR 63,25 binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 484,87 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 33,31 USt und EUR 285 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt die Scheidung ihrer am 26. 5. 1995 mit dem Beklagten geschlossenen Ehe aus dessen alleinigem Verschulden. Er habe sie ständig herabgewürdigt, sie wegen Nichtigkeiten beleidigt und tagelang nichts mit ihr gesprochen. Er habe ihr Schmarotzertum vorgeworfen und ständig in zutiefst beleidigender Weise an ihr herumgenörgelt.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Klagebehauptungen seien unzutreffend; er habe keine Eheverfehlungen begangen. Im Laufe des Verfahrens stellte er für den Fall der Scheidung den Antrag auf Feststellung, dass das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung die Klägerin treffe. Sie habe seit Anfang 2004 den ehelichen Verkehr verweigert. Zudem habe sie sich 2002 über vier Wochen geweigert, dem Beklagten und dessen Bruder die übliche Verpflegung zu bieten. Im Bruder des Beklagten habe sie ein Feindbild erblickt.

Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten aus. Es traf folgende Feststellungen:

Die Ehe wurde von der damals 39jährigen Klägerin und dem damals 53jährigen Beklagten 1995 geschlossen. Ihr entstammen zwei Kinder (geboren 1996 und 1998). Vor der Eheschließung war die Klägerin, die damals Selbstmordabsichten geäußert hatte, vom Beklagten „aufgepäppelt" und aufgemuntert worden. Nach der Hochzeit zog die Klägerin, die aus einer einfachen Bauernfamilie stammt, in das Haus des Beklagten ein, das eine Wohnfläche von 450 m² und 20 Räume aufweist. Die Klägerin war früher Kellnerin und gelernte Köchin. Der Beklagte war 25 Jahre lang Beamter und als Amtssachverständiger für Seilbahnen tätig. Aus seiner Kenntnis des Förderungswesens bezeichnete er der aus bäuerlichen Kreisen stammenden Klägerin gegenüber die Bauern als Schmarotzer. Er bestreitet, Standesdünkel zu kennen, erklärte aber, der Klägerin gegenüber das Wort Akademiker nie verwendet zu haben, weil sie „gar nicht weiß, was das Wort Akademiker bedeutet". Dennoch verlief die Ehe zunächst harmonisch. Vor der Geburt der mj. Christina (28. 5. 1998) verspürte die Klägerin jedoch ein gewisses Unbehagen wegen des Standesdünkels des Beklagten. Sie schrieb ihm damals, am Ende ihrer Kraft zu sein und keinen Lebenswillen mehr zu haben. „Du hast mich in letzter Zeit zutiefst verletzt und missachtet. Du hast mich bis heute noch nie so umarmt, so wie du es mit manchen anderen machst. Ich bin hier nicht die Richtige an diesem Platz".

Der Beklagte verachtete die Familie der Klägerin, die er als „Hungerleider" bezeichnete. Er sah es äußerst ungern, dass die Klägerin zu ihrer Familie Kontakt hielt. Trotzdem besuchte die Klägerin dreimal in der Woche ihre Geschwister und stand ihnen gelegentlich - beim Ernten oder beim Wäsche waschen - bei. Die Klägerin ihrerseits entwickelte „einen Hass" gegen den nebenan wohnenden Bruder des Beklagten, den der Beklagte ständig aufsuchte und mit dem er viele Aktivitäten verrichtete. Die Klägerin war der Überzeugung, dass sie vom Beklagten zum sparsamen Wirtschaften angehalten wurde, während er seinem Bruder jegliche Geldzuwendungen machte. Dieser Umstand verärgerte sie manchmal derart, dass sie am 27. 3. 2004 vom Beklagten für den Bruder zugeschnittene Bretter auf den Boden der Werkstätte schleuderte oder dass sie die Gartentür hinter dem Beklagten lautstark zuschlug, wenn dieser zu seinem Bruder ging, oder auch sonst Türen und Schränke krachend zuschlug. Dieser Unmut resultierte aus der Hilflosigkeit der Klägerin gegenüber dem Beklagten, der sie in allem spüren ließ, dass sie in seinem Haus wohne und dass er bestimme, was im Haus zu geschehen und dass nur er allein immer Recht habe. Dem konnte die Klägerin nichts entgegenhalten. Sie konnte sich einfach nicht durchsetzen. Einmal, im Jahr 2002, als der Beklagte wiederum vier Wochen lang mit seinem Bruder eine Gartenmauer errichtete, setzte sie sich auf die ihr mögliche Weise zur Wehr, indem sie sich weigerte, den beiden die übliche Verpflegung zu bieten.

Bis zur Pensionierung des Beklagten im Herbst 2003 konnte die Klägerin mit dessen despotischen Verhalten halbwegs zurecht kommen, weil der Beklagte zumindest die Hälfte der Woche berufsbedingt außer Haus war. Bis dahin führte sie den Haushalt allein, zog die gemeinsamen Kinder auf, verfügte über eine eigene Bankomatkarte und über ein eigenes Auto, besuchte ihre Familie und gestaltete sich so ihr Leben so selbständig und erträglich wie möglich. Dies änderte sich aber schlagartig, als sich der Beklagte nun jeden Tag im Haus aufhielt. Er bestimmte, dass sie beide nur mehr eine Bankomatkarte benötigten, und kam dahinter, dass die Familienbeihilfe am Konto fehlte, welche der Klägerin zugewiesen wurde. Er bezichtigte sie seither, davon S 300.000,- im Laufe der Jahre unterschlagen zu haben. Nachdem die Klägerin in der Folge Familienausflüge mit Übernachtung verweigerte, meldete er das Familienauto auf ein Wechselkennzeichen um, sodass nur mehr ein Auto für beide zur Verfügung stand. Dies veranlasste die Klägerin, sich ein eigenes Auto anzuschaffen. Des weiteren hielt der Beklagte die Klägerin beim Warmwasser in der Küche zum sparsamen Wirtschaften an. Er selbst benutzt zB zum Zähneputzen Wasser aus einem Behälter des Küchenofens, weil er die übliche Form der Warmwasseraufbereitung angesichts der benötigten Menge und der mit deren Transport verbundenen Wärmeverluste als unwirtschaftlich betrachtete. Ferner bemängelte der Beklagte, das „Restelessen" am Abend, also das Essen der Reste des Mittagessens, die jedoch die Klägerin zu verwenden hatte. Schaffte die Klägerin billige Sachen für die Kinder an, fühlte sich der Beklagte genötigt, teurere zu kaufen. Es gab keine gemeinsamen Absprachen; alles musste nach den Vorstellungen des Klägers geschehen. Die Klägerin fühlte sich durch diese Machtfülle des Beklagten so eingeengt, dass sie immer mehr abmagerte, immer stiller wurde und Anfang 2004 aus dem gemeinsamen Schlafzimmer auszog. Seither fand auch - wegen der Weigerung der Klägerin - kein ehelicher Verkehr zwischen den Streitteilen statt. Hauptgrund für den Auszug der Klägerin aus dem Schlafzimmer war die Gewohnheit des Beklagten, „ungehemmt im ganzen Haus und auch im Schlafzimmer Winde, vom Kläger bezeichnet als C²H4-Methangase, von sich zu geben". Er war der Meinung, dass er dies in seinem eigenen Haus tun dürfe, weil er sonst gleich in ein Hotelzimmer ziehen könne. Im Februar 2004 begann die Klägerin, sukzessive ihre Fahrnisse in Schachteln zu räumen, da ihr das Zusammenleben mit dem Beklagten nicht mehr erträglich war.

Einmal musste die Klägerin, als sie spät nachts von einem Treffen mit ehemaligen Kolleginnen heim kam, im Fahrzeug übernachten, da offenbar versehentlich alle Türen versperrt waren. Die Klägerin verfügte damals über kein Handy, weil der Beklagte dies für unnötig hielt. Der Beklagte ist gegen eine Ehescheidung, aber nur, weil er um das Wohl der Kinder besorgt ist, deren Trennung von den Eltern er für eine Katastrophe hält. An der Klägerin hat er kein Interesse. Aufgrund des Verhaltens des Beklagten ist die Ehe völlig zerrüttet. Die Klägerin betrachtet sie als gescheitert und möchte sie nicht fortsetzen.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass der Beklagte durch sein Verhalten die Ehe unheilbar zerrüttet habe. Er habe die Verpflichtung, dem Ehepartner Respekt entgegenzubringen, auf das Gröblichste verletzt. Dazu komme seine Abneigung gegenüber der Familie der Klägerin, die nicht seinem Stande zu entsprechen scheine. Schließlich habe der Beklagte dadurch, dass er ungehemmt vor der Klägerin seine Winde auslasse, deren Anstand und Würde verletzt, sodass ihr Auszug aus dem gemeinsamen Schlafzimmer und die Verweigerung des ehelichen Verkehrs nicht als Eheverfehlung, sondern als verständliche Reaktion gegenüber dem respektlosen Verhalten des Beklagten zu werten sei. Auch die sonst vom Beklagten behaupteten Eheverfehlungen der Klägerin seien nur eine Reaktion darauf gewesen, dass der Beklagte seinen Bruder dem Ehepartner vorgezogen habe. Dem Kläger sei daher das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzulasten.

Das Berufungsgericht änderte dieses - vom Beklagten nur im Verschuldensausspruch angefochtene - Urteil iS des Ausspruchs des gleichteiligen Verschuldens beider Ehepartner ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und vertrat folgende Rechtsauffassung:

Auch der Klägerin sei ein Verschulden an der Zerrüttung anzulasten. Dass sie „einen Hass" gegen den Bruder des Beklagten entwickelt habe, könne nicht als gerechtfertigte oder entschuldbare Reaktion auf das Verhalten des Beklagten gegenüber seinem Bruder angesehen werden. Schließlich haben beide Ehepartner die vom jeweils anderen als zu intensiv betrachteten Kontakte zu ihren Geschwistern aufrechterhalten. Dazu komme, dass die Klägerin für den Bruder des Beklagten zugeschnittene Bretter zu Boden geschleudert und Türen und Schränke lautstark zugeschlagen habe. All dies könne nicht mit dem Hinweis auf eine gewisse Hilflosigkeit ihrerseits gegenüber dem Beklagten entschuldigt werden. Zudem sei die Klägerin in das fertig eingerichtete Haus des Beklagten eingezogen, sodass sein bestimmendes Verhalten zwar nicht gerechtfertigt, aber doch etwas relativiert werde. Auch die Verweigerung der Verpflegung des Beklagten und seines Bruders, als diese die Gartenmauer errichteten, sei keine entschuldbare Reaktionshandlung, ebenso wenig die Verweigerung von Familienausflügen mit Übernachtung und der Auszug aus dem Schlafzimmer sowie die Verweigerung des ehelichen Verkehrs. Auch die Klägerin habe sich daher in Konfliktsituationen nicht in der einer partnerschaftlichen Beziehung entsprechenden Weise verhalten, sodass insgesamt vom gleichteiligen Verschulden beider Parteien auszugehen sei.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen seinen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen, hilfsweise, das überwiegende Verschulden des Beklagten festzustellen. Der Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsauffassung der zweiten Instanz mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht in Einklang steht. Sie ist im Sinne des Eventualantrags auch berechtigt. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen, an Hand derer sich die Entwicklung der Zerrüttung der Ehe anschaulich nachvollziehen lässt, war es der Beklagte, der durch sein beherrschendes Verhalten und durch den demonstrativ zur Schau getragenen Mangel an Respekt den Zerrüttungsprozess eingeleitet und vorangetrieben hat. Dem Berufungsgericht ist durchaus zuzustimmen, dass dessen ungeachtet das im Berufungsurteil hervorgehobene Verhalten der Beklagten nicht in jeder Hinsicht als Reaktionshandlung gerechtfertigt bzw entschuldigt werden kann. Die daraus vom Berufungsgericht gezogenen Schlüsse auf die Gewichtung des beiderseitigen Verschuldens sind aber unzutreffend: Nach der Rechtsprechung kann sich diese Gewichtung nicht in einem Abzählen der beiderseitigen Eheverfehlungen erschöpfen. Vielmehr muss das Verhalten der Ehegatten in seinem Zusammenhang gesehen werden, wobei das Gesamtverhalten und nicht eine Gegenüberstellung der einzelnen Verfehlungen maßgebend ist. Entscheidend ist der Grad ihrer Vorwerfbarkeit und ihr Schuldgehalt. Vor allem ist zu berücksichtigen, welche Partei mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe begonnen und wer den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung geleistet hat. Hat das schuldhafte Verhalten eines Teils das des anderen nach sich gezogen, so ist dem Beitrag des ersten in der Regel größeres Gewicht beizumessen (RIS-Justiz RS0057223; zuletzt etwa SZ 2003/83).

Hauptursache des Zerrüttungsprozesses ist hier das von beiden Vorinstanzen zu Recht als ehewidrig qualifizierte beherrschende und durch das Fehlen von Respekt gekennzeichnete Verhalten des Beklagten, das - wie schon ausgeführt - den Zerrüttungsprozess auch eingeleitet hat. Richtig ist allerdings, dass - wie das Berufungsgericht hervorhebt - dieses Verhalten die negative Einstellung der Klägerin zur Aufrechterhaltung des engen Kontaktes zwischen dem Beklagten und seinem Bruder nach den Feststellungen nicht rechtfertigen kann. Schließlich hat die Klägerin - ebenfalls gegen den Willen des Ehepartners - auch zu ihren Geschwistern enge Kontakte gepflogen. Die aus diesem Verhalten der Klägerin resultierenden Eheverfehlungen - sie hat Türen lautstark zugeschlagen, dem Beklagten und seinem Bruder aus Anlass des Baus einer Mauer die Verpflegung verweigert und aus Zorn Bretter zu Boden geschleudert (letzteres allerdings erst 2004, im Spätstadium der Ehe) - kann daher nicht unberücksichtigt bleiben. Diesem Verhalten kommt aber für die Zerrüttung der Ehe bei weitem nicht jene Bedeutung zu, wie dem Verhalten des Beklagten, der seine Frau weitgehend beherrschte, dominant und respektlos war und seine verächtliche Einstellung gegenüber ihrer Familie in beleidigender Weise auslebte. Dass die Klägerin nach der Eheschließung in das Haus des Beklagten einzog, vermag dieses Verhalten auch nicht annähernd zu entschuldigen, weil ihm dieser Umstand nicht das Recht gibt, seiner Frau gegenüber dominant und respektlos aufzutreten. Dass die Beklagte im letzten Stadium der Ehe Familienausflüge mit Übernachtung verweigerte, fällt bei der Gewichtung des beiderseitigen Verschuldens nicht mehr entscheidend ins Gewicht, zumal zu diesem Zeitpunkt der Zerrüttungsprozess bereits weit fortgeschritten war. Unmittelbar vorher hatte sich die Krise im Zusammenhang mit der Pensionierung des Beklagten noch verschärft; zuletzt hatte er sie durch seine Entscheidung, nur mehr eine Bankomatkarte für beide Eheleute zu halten, weiter in ihrer Freiheit eingeschränkt. Noch weniger Bedeutung kommt dem Auszug aus dem ehelichen Schlafzimmer und der Verweigerung des ehelichen Verkehrs durch die Klägerin zu. Dieses Verhalten setzte die Klägerin Anfang des Jahres 2004, also kurz vor der Erhebung der Scheidungsklage. Die Bedeutung dieses Verhalten für den Zerrüttungsprozess ist daher weitgehend vernachlässigbar. Zudem ist dieses Verhalten angesichts der damals bereits offenen Krise der Ehe auch verständlich, was umso mehr gilt, als es nach den Feststellungen des Erstgerichtes wesentlich dadurch motiviert war, dass sich der Beklagte - seiner generell respektlosen Einstellung gegenüber seiner Frau entsprechend - das Recht heraus nahm, „hemmungslos" von ihm als solche bezeichnete „Methangase" zu verbreiten.

Alles in allem trifft es daher zu, dass auch das Verschulden der Klägerin insgesamt ein nicht zu vernachlässigendes Gewicht hat. Es auch nur annähernd mit dem Verschulden des Beklagten gleichzusetzen, ist aber im Sinne der wiedergegebenen Rechtsprechung verfehlt. Die Ausführungen des Beklagten in der Revisionsbeantwortung, mit denen er jegliches Verschulden an der Zerrüttung der Ehe bestreitet, gehen zu einem erheblichen Teil nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und werden im Übrigen in ihrer das Verhalten des Beklagten verharmlosenden Weise den Feststellungen der Vorinstanzen nicht gerecht. Auf die von ihm behaupteten Feststellungsmängel, die im Übrigen schon vom Berufungsgericht mit zutreffenden Ausführungen verneint wurden, kommt der Beklagte in dritter Instanz nicht mehr zurück.

In teilweiser Stattgebung der Revision waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne des Ausspruchs des überwiegenden Verschuldens des Beklagten abzuändern.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Bei überwiegendem Verschulden eines der Ehegatten ist die Ausmessung des Kostenersatzes dem begründeten Ermessen des Gerichtes zu überlassen, das hiebei auf die besonderen Umstände des Falles, insbesondere auf den Grad des Verschuldens Bedacht zu nehmen hat (8 Ob 8/02p; SZ 2003/83). Danach entspricht es der Billigkeit, den Prozesserfolg der Klägerin mit drei Viertel zu bewerten und dementsprechend dem Beklagten die Hälfte der Kosten der Klägerin - mit Ausnahme der Gerichtsgebühren - aufzuerlegen (vgl 7 Ob 645/94; SZ 2003/83). Die jeweils von den Parteien getragenen Gerichtsgebühren waren gemäß § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO im Verhältnis des Obsiegens zuzusprechen. Dabei waren die in zweiter und in dritter Instanz verzeichneten Gerichtsgebühren auf die im GGG vorgesehenen Werte (EUR 253 und EUR 380) zu reduzieren.

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