OGH 9ObA61/05v

OGH9ObA61/05v16.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. Udo W*****, Pensionist, *****, vertreten durch Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Post AG, Postgasse 8, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Gottfried Bischof, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 1.168,10 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2004, GZ 9 Ra 95/04p-18, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 7. November 2003, GZ 4 Cga 134/03h-14, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 300,10 (darin EUR 50,02 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 20. 7. 1941 geborene Kläger trat 1970 in den Dienst der Post- und Telegraphenverwaltung (PTV). Er stand als Beamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Mit Bescheid der PTV vom 27. 12. 1995 wurde er definitiv gestellt.

Am 24. 11. 1997 schlossen die Post und Telekom Austria AG (PTA) - eine Rechtsnachfolgerin der PTV bzw eine Rechtsvorgängerin der Beklagten - und der Zentralausschuss des Betriebsrats der PTA eine Betriebsvereinbarung (Sozialplan). Die „Präambel" dieser Betriebsvereinbarung wies darauf hin, dass das Unternehmen gemäß Businessplan der PTA zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Steigerung der Produktivität eine deutliche Reduktion des Personalstands vornehmen müsse. Um die durch die erforderlichen Rationalisierungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen frei werdenden Mitarbeiter sozial verträglich abbauen zu können, werde dieser Sozialplan vereinbart. Für Beamte "im Dienst der Post" sollte ein Anreiz geschaffen werden, in den Ruhestand zu treten. Dazu wurde in der Betriebsvereinbarung eine Vorruhestandsregelung getroffen. Sie galt gemäß Pkt 1. ("Persönlicher Geltungsbereich") für alle Beamten und Angestellten, die vor dem 1. 1. 1995 in die PTA/PTV eingetreten waren. Pkt 4. der Betriebsvereinbarung („Vorruhestandsregelung [VRR] für Beamte") lautet auszugweise wie folgt:

„4.1. Angesprochener Personenkreis:

Diese Regelung gilt für Beamte, die bis zum 31. 12. 1998 das 55. Lebensjahr vollendet haben werden und zum Zeitpunkt der Karenzierung nicht älter als 59,5 Jahre sind. Der kürzeste Zeitraum für die Inanspruchnahme der VRR ist somit 6 Monate. ...

4.2. Karenzierung:

Während der Zeit des Vorruhestandes sind die Beamten unter Entfall der Bezüge beurlaubt (karenziert). In diesem Zeitraum hat der Beamte Anspruch auf ein Vorruhestandsentgelt gem. Pkt 4.3.

4.3. Vorruhestandsentgelt:

Das monatliche Bruttovorruhestandsentgelt beträgt 80 % des für September 1997 gebührenden Monatsbezuges gem. § 3 Gehaltsgesetz 1956 (GG). Hinzu kommt ein Betrag, welcher dem Wert der Nebengebührenzulage (Umrechnung der NG-Werte zum 30. 9. 1997) entspricht (jedoch max. 20 % des Monatsbezuges 9/97). ...

4.8. Pflichten der Beamten:

Die Beamten stimmen vor Antritt des Karenzurlaubes der Karenzierung schriftlich zu und erklären sich schriftlich unwiderruflich bereit, spätestens mit dem 30. Juni oder 31. Dezember, welcher auf die Vollendung des 60. Lebensjahres folgt, aus dem Dienststand durch Ruhestandsversetzung auszuscheiden. ...

4.11. Ausfallshaftung für Verschlechterungen beim Pensionsbezug:

Diesem Vorruhestandsmodell wird zugrundegelegt, daß die Beamten nach dem vollendeten 60. Lebensjahr einen Bruttoruhegenuß erhalten werden, wie er sich aufgrund der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Betriebsvereinbarung geltenden gesetzlichen Regelungen errechnet hätte.

Falls insbesondere infolge von Abschlagsfaktoren bei einer Ruhestandsversetzung mit 60 oder infolge Einführung eines Durchrechnungszeitraumes ein geringerer Bruttoruhegenuß anfällt, wird die Differenz mit einer versicherungsmathematisch berechneten und barwertmäßig abgezinsten Bruttoeinmalzahlung innerhalb von 6 Monaten nach Pensionierung abgegolten.

Dies Ausfallshaftung erlischt jedenfalls mit der Zuerkennung der Pension gem. Pensionsgesetz 1965 und einer allfälligen Auszahlung der oben genannten Bruttoeinmalzahlung. ..."

Im Dezember 1997 gab der Kläger eine Vorruhestandserklärung ab, die ab dem 1. 4. 1998 gelten sollte, und eine unwiderrufliche Erklärung enthielt, dass er sich mit dem Ende des Vorruhestands in den Ruhestand versetzen lassen werde. Auf Grund der damals geltenden gesetzlichen Bestimmungen wurde das Vorruhestandsende des Klägers mit dem 31. 7. 2001 errechnet. Mit Bescheid des beim Vorstand der Beklagten eingerichteten Personalamts vom 11. 2. 1998 wurde dem Kläger auf Grund seiner Erklärung ein Urlaub unter Entfall der Bezüge für die Zeit vom 1. 4. 1998 bis 31. 7. 2001 gewährt. Mit weiterem Bescheid des Personalamts vom 18. 7. 2001 wurde der dem Kläger zunächst bis zum 31. 7. 2001 gewährte Karenzurlaub bis zum 31. 12. 2001 verlängert. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass gemäß § 10 Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, BGBl I 2001/6, iVm §§ 236b und 236c BDG 1979 an die Stelle des vom Beamten in seiner Erklärung festgelegten Monatsletzten derjenige Monatsletzte trete, zu dem der Beamte frühestmöglich seine Versetzung in den Ruhestand durch Erklärung bewirken könne. Da der Kläger zum ursprünglichen Ende des Karenzurlaubs eine beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit in der Dauer von 39 Jahren, 7 Monaten und 17 Tagen aufweise, verlängere sich sein Karenzurlaub nach den genannten gesetzlichen Bestimmungen bis zum 31. 12. 2001.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage, gestützt auf die vom Arbeitgeber in der Betriebsvereinbarung übernommene Ausfallshaftung, den Betrag von EUR 1.168,10 sA. Nach dem Antritt des Ruhestands seien das BDG 1979 sowie das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz dahin geändert worden, dass er auf Grund seines Geburtsdatums erst mit 60,6 Jahren die Pension antreten konnte. Der bis 31. 7. 2001 vorgesehene Vorruhestand sei daher bis 31. 12. 2001 verlängert worden. Ihm sei hieraus ein monatlicher Ausfall von EUR 344,31 (Differenz zwischen dem Pensionsgenuss und dem geringeren Vorruhestandsentgelt), abgezinst EUR 233,62, für den Zeitraum August bis Dezember 2001 erwachsen.

Die Beklagte stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit. Dem Grund nach wendet sie ein, dass sich die Ausfallshaftung ausschließlich auf Verschlechterungen beim Pensionsbezug beziehe. Solche seien jedoch nicht eingetreten. Der Pensionsbezug des Klägers sei in keiner Weise (zB durch Abschläge etc) gekürzt worden. Eine gesetzliche Verlängerung des Vorruhestandsentgelts habe sie nicht zu vertreten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung der wiedergegebenen Feststellungen ab. Die Betriebsvereinbarung erfasse nicht die gesetzliche Verlängerung der Vorruhestandsdauer infolge Anhebung des Ruhestandsantrittsalters von 60 auf 61,5 Jahre. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Betriebsvereinbarungen seien nach den Regeln der §§ 6, 7 ABGB auszulegen. Die Ausfallshaftung der Beklagten beziehe sich ausschließlich auf Verschlechterungen beim Pensionsbezug, nicht aber auf die Abwehr von Folgen einer möglichen Hinaufsetzung des Pensionsantrittsalters. Eine Regelungslücke liege nicht vor. Es sei nicht Aufgabe der Rechtsprechung, eine unbefriedigende Regelung des Gesetzes zu korrigieren. Für den Klageanspruch fehle es an einer Grundlage in der Betriebsvereinbarung. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil eine einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen die Berufungsentscheidung erhobene Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig. Diese Bestimmung ist gemäß Art XI Abs 6 ZVN 2002, BGBl I 2002/76, anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung zweiter Instanz - wie hier - nach dem 31. 12. 2002 liegt; § 46 Abs 3 Z 3 ASGG wurde mit der ZVN 2002 aufgehoben und ist daher entgegen der Annahme des Klägers nicht mehr anwendbar. Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie bereits ausgeführt, wurde der Kläger ab 1. 4. 1998 in den „Vorruhestand" (Karenzierung laut Betriebsvereinbarung vom 24. 11. 1997) versetzt; dies bei Entfall der Bezüge, jedoch bei gleichzeitigem Anspruch auf ein Vorruhestandsentgelt. Diesem Vorruhestand lag folgende Rechtslage zugrunde (vgl dazu auch das den Kläger betreffende Erkenntnis des VwGH 24. 4. 2002, 2002/12/0097):

Nach § 2 Abs 1 des BG über dienstrechtliche Sonderregelungen für ausgegliederten Einrichtungen zur Dienstleistung zugewiesene Beamte und eine Änderung des Poststrukturgesetzes (= Art 14 des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl I 1997/138) konnten einer ausgegliederten Einrichtung zur dauernden Dienstleistung zugewiesene Beamte frühestens mit dem Monatsersten, der der Vollendung ihres 55. Lebensjahres folgt, von Amts wegen unter Entfall der Bezüge beurlaubt (karenziert) werden; dies unter den Voraussetzungen, dass keine wichtigen dienstlichen Gründe entgegenstehen und der Beamte der Karenzierung vor Antritt des Karenzurlaubs schriftlich zustimmt, abweichend von § 15 BDG 1979 gleichzeitig die schriftliche Erklärung abgibt, spätestens mit dem 30. 6. oder 31. 12., der jeweils auf die Vollendung seines 60. Lebensjahres folgt, aus dem Dienststand ausscheiden zu wollen und sich vor Antritt des Karenzurlaubs schriftlich verpflichtet, während des Karenzurlaubs keine erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung auszuüben, aus der er ein die jeweilige Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 ASVG übersteigendes Entgelt bezieht. Nach § 9 Abs 1 leg cit hatte der Beamte gegenüber der PTA oder einem Unternehmen, an dem diese Gesellschaft zumindest mehrheitlich beteiligt war, für die Dauer des Karenzurlaubs nach § 2 Anspruch auf monatlich wiederkehrende Geldleistungen in der Höhe von 80 % des Monatsbezugs gemäß § 3 Abs 2 des Gehaltsgesetzes 1956, der seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Zeitpunkt der Karenzierung entsprach, und der Sonderzahlungen.

Während sich der Kläger im Vorruhestand befand, änderte sich die einschlägige Rechtslage wie folgt:

Nach § 10 Abs 1 Bundesbediensteten-Sozialplangesetz (BB-SozPG; früherer Gesetzestitel: BG über dienstrechtliche Sonderregelungen für ausgegliederten Einrichtungen zur Dienstleistung zugewiesene Beamte), BGBl I 2001/6, in der bei Erlassung des Bescheids des Personalamts vom 18. 7. 2001 geltenden Fassung war dieses Bundesgesetz auf Beamte, die am 31. 12. 2000 nach § 2 dieses Bundesgesetzes in der an diesem Tag geltenden Fassung karenziert waren, in der am 31. 12. 2000 geltenden Fassung sowie die Betriebsvereinbarungen nach § 4 Abs 1 und 2 in der am 31. 12. 2000 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Nach § 10 Abs 3 BB-SozPG trat für einen am 1. 10. 2000 in einem Karenzurlaub nach § 2 in der am 31. 12. 2000 geltenden Fassung befindlichen Beamten - wie den Kläger - an die Stelle des in seiner Erklärung nach § 2 Abs 1 Z 2 in der am 31. 12. 2000 geltenden Fassung festgelegten Monatsletzten derjenige Monatsletzte, zu dem der Beamte frühestmöglich seine Versetzung in den Ruhestand durch Erklärung (§ 15 iVm §§ 236b oder 236c BDG 1979) bewirken könnte. Nach § 236b Abs 1 BDG 1979 idF BGBl I 2001/87 sind die §§ 15 und 15a (wonach eine Versetzung in den Ruhestand frühestens mit Ablauf des Monats möglich ist, in dem der Beamte seinen 738. Lebensmonat vollendet) auf vor dem 1. 10. 1945 geborene Beamte mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Versetzung in den Ruhestand durch Erklärung oder von Amts wegen frühestens mit Ablauf des Monats erfolgen kann, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet, wenn er zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in der Ruhestand eine beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit von 40 Jahren aufweist. Nach der weiteren Übergangsbestimmung des § 236c BDG 1979 tritt für Beamte, die in den tabellarisch näher wiedergegebenen Zeiträumen geboren sind, an die Stelle des in § 15 Abs 1 und 4 und in § 15a Abs 1 Z 1 angeführten 738. Lebensmonats der jeweils angeführte Lebensmonat, für den Kläger der 728. Monat. Der Kläger wies mit Ablauf des 31. 7. 2001, dem Ende seines mit Bescheid vom 11. 2. 1998 gewährten Karenzurlaubs, weder die Voraussetzung nach §§ 15 oder 15a BDG 1979 (die Vollendung des 738. Lebensmonats) noch die Voraussetzungen nach § 236b Abs 1 leg cit (die Vollendung des 60. Lebensjahres und eine beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit von 40 Jahren) auf. Allerdings konnte er in den Genuss des § 236c Abs 1 leg cit (der Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des Monats, in dem er seinen 728. Lebensmonat vollendet) kommen (VwGH 24. 4. 2002, 2002/12/0097). Dieser geänderten Rechtslage trug das beim Vorstand der Beklagten eingerichtete Personalamt mit weiterem Bescheid vom 18. 7. 2001 Rechnung, womit der dem Kläger zunächst bis zum 31. 7. 2001 gewährte Karenzurlaub bis zum 31. 12. 2001 verlängert wurde. Der Kläger verbrachte daher fünf weitere Monate (1. 8. bis 31. 12. 2001) im Vorruhestand und bezog in dieser Zeit Vorruhestandsentgelt. Dieses blieb der Höhe nach hinter dem Pensionsbezug zurück. Zwischen den Parteien ist nun strittig, ob der Kläger die dabei entstandene Differenz in Höhe des Klagebetrags auf der Grundlage der die Beklagte gemäß Betriebsvereinbarung treffenden „Ausfallshaftung" fordern kann. Der normative Teil von Betriebsvereinbarungen ist - wie jener von Kollektivverträgen - nach den für die Interpretation von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6, 7 ABGB) auszulegen. Die für die Interpretation von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen normierten Grundsätze der §§ 914, 915 ABGB haben daher hier keine Anwendung zu finden (RIS-Justiz RS0050963 ua). In erster Linie ist bei der Auslegung einer Betriebsvereinbarung der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text der Betriebsvereinbarung ergebende Absicht der Betriebsparteien zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0010089 ua). An dieser Stelle muss auch der Revisionswerber einräumen, dass der gegenständliche Fall nach dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung „nicht explizit" berücksichtigt wurde. Die Normadressaten, denen nur der Text der Betriebsvereinbarung zur Verfügung steht, können aber die allenfalls anderen Vorstellungen, welche die Betriebsparteien beim Abschluss besessen haben, weder kennen noch feststellen. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat. Eine aus dem Text nicht hervorgehende subjektive Absicht der Betriebsparteien hat außer Betracht zu bleiben (RIS-Justiz RS0010088 ua).

Der Revisionswerber meint nun, dass eine Regelungslücke vorliege, die durch Analogie zu schließen sei. Es sollte jeder Ausfall der Pension von der Beklagten aufgefangen werden. Auch der gänzliche Entfall des Pensionsbezugs für einen bestimmten Zeitraum stelle eine Verschlechterung beim Pensionsbezug dar. Dieser Auslegung kann nicht beigetreten werden. Richtig ist zwar der Hinweis des Revisionswerbers, dass bei der Auslegung einer Betriebsvereinbarung den Betriebsparteien zumindest im Zweifel unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RIS-Justiz RS0008897 ua). Dieser Auslegungsgrundsatz spricht aber eher gegen die Annahme, die Betriebsparteien hätten eine bloß lückenhafte Regelung getroffen.

Ausgangspunkt der Auslegung hat hier die „Präambel" zu sein, die die Betriebsparteien ihrer Betriebsvereinbarung voranstellten. Nach dieser Präambel stand für sie fest, dass das Unternehmen zur Sicherstellung seiner Wettbewerbsfähigkeit und zur Steigerung der Produktivität eine deutliche Reduktion des Personalstands vornehmen musste. Um die durch die erforderlichen Rationalisierungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen frei werdenden Mitarbeiter sozial verträglich abbauen zu können, sollte ein Sozialplan mit einem Bündel möglicher Maßnahmen vereinbart werden. So sollte etwa durch eine Vorruhestandsregelung für Beamte - wie den Kläger - ein Anreiz geschaffen werden, in den Vorruhestand zu treten. Laut Pkt 4.1. der Betriebsvereinbarung war die Dauer dieses Vorruhestands nicht für alle Beamte, für die sie in Frage kam, gleich lang. Sie hing vom jeweiligen Geburtsdatum des Beamten ab. Der kürzeste Zeitraum betrug 6, der längste 60 Monate. Der Kläger hätte sich laut ursprünglicher Vorstellung 40 Monate lang im Vorruhestand befinden sollen (1. 4. 1998 - 31. 7. 2001). Selbst mit den fünf weiteren Monaten bis zum 31. 12. 2001, die durch die nachträgliche gesetzliche Erhöhung des Pensionsalters dazukamen, lag er noch immer innerhalb der in der Betriebsvereinbarung normierten Bandbreite der möglichen Dauer des Vorruhestands. Die Annahme einer Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit drängt sich daher nicht auf (vgl RIS-Justiz RS0008866 ua). Die wesentlich brisantere Frage der Weitergewährung des Vorruhestandsentgelts über das 60. Lebensjahr hinaus bis zur Versetzung in den Ruhestand war sichtlich kein Streitpunkt (vgl Schneller, infas 2000, 147; Alvarado-Dupuy, DRdA 2000, 444 ua). Im Übrigen rechtfertigt die bloße Meinung des Klägers, eine Regelung sei wünschenswert, noch nicht die Annahme einer Regelungslücke. Die „Systematik" der gegenständlichen Betriebsvereinbarung gibt für seinen Standpunkt ebenfalls nichts her. Die Frage „fehlender Versicherungszeiten" (Pkt 6. der Betriebsvereinbarung) stellt sich hier nicht.

Betriebsvereinbarungen sind als Ergebnis der Verhandlung der Betriebsparteien regelmäßig Kompromisse (vgl 9 ObA 214/88 ua). Ein solcher Kompromiss wurde hier darin gefunden, dass ein Beamter, der zwischen 55 und 59,5 Jahre alt ist und sich in Vorbereitung des Ruhestands bereits ab dem 60. Lebensjahr auf einen Vorruhestand einlässt, trotz Entfall der Arbeitsverpflichtung weiterhin ein (gekürztes) Entgelt erhalten soll. Dazu kam noch eine Ausfallshaftung der Arbeitgeberin für allfällige „Verschlechterungen beim Pensionsbezug". Sie geht - zu Lasten der Arbeitgeberin - über das schlichte Grundkonzept „Vorruhestand gegen Vorruhestandsentgelt" hinaus. Was die Betriebsparteien mit dieser Ausfallshaftung meinten, erläuterten sie in Pkt 4.11. näher anhand von zwei Beispielen: Falls insbesondere infolge von Abschlagsfaktoren bei einer Ruhestandsversetzung mit 60 ein geringerer Bruttoruhegenuss anfällt, sollte die Differenz mit einer versicherungsmathematisch berechneten und barwertmäßig abgezinsten Bruttoeinmalzahlung abgegolten werden; Gleiches sollte bei einem geringeren Bruttoruhegenuss infolge Einführung eines Durchrechnungszeitraums gelten. Es wird nicht verkannt, dass es sich dabei um keine abschließende Liste von Fällen der Verschlechterung beim Pensionsbezug handelte (arg insbesondere). Allerdings kann der hier strittige Fall der gesetzlichen Erhöhung des Pensionsalters weder diesen noch anderen denkbaren Beispielen zum Pensionsbezug unterstellt werden.

Die Betriebsparteien legten ihrem Vorruhestandsmodell zugrunde, dass die Beamten nach dem vollendeten 60. Lebensjahr einen Bruttoruhegenuss erhalten werden, wie er sich auf Grund der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Betriebsvereinbarung geltenden gesetzlichen Regelungen errechnet hätte. Diese Formulierung kann nur als Wissenserklärung (vgl Schneller, infas 2000, 147) bzw - soweit sie in die Zukunft gerichtet ist - als Prognose qualifiziert werden; sie entsprach dem damaligen Informationsstand der Betriebsparteien, entzog sich jedoch im Übrigen völlig ihrem Einfluss. Gutgläubig gingen offenbar beide Seiten von stabilen Pensionsaltersregelungen aus. Nicht jede gemeinsame Wissenserklärung oder Prognose muss mit einer „Sanktion" für einen der Erklärenden verknüpft werden, wenn sie nicht zutrifft. Sozialpläne dienen in erster Linie dem Schutz der wirtschaftlich Schwachen. Zahlreiche Ansprüche, die Sozialpläne gewähren, verfolgen das Ziel, den Arbeitnehmern bisher zugestandene Rechtspositionen solange wie möglich zu erhalten bzw deren Verlust auszugleichen (RIS-Justiz RS0107237 ua). Der typische Zweck eines Sozialplans, die sich aus einer betrieblichen Änderung für alle oder einen erheblichen Teil der Arbeitnehmerschaft ergebenden wesentlichen Nachteile zu verhindern, zu beseitigen oder zu mildern, ist bei der Auslegung des Sozialplans zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0010088 ua). Im vorliegenden Fall fand dieser Zweck seinen sichtbaren Ausdruck in der Regelung, dass die wirtschaftlich gebotene „deutliche Reduktion des Personalstands" nicht durch Kündigung, sondern durch mildere Beendigungsmodelle herbeigeführt werden sollte; eines davon war der Vorruhestand. Eine zusätzliche „Ausfallshaftung für Verschlechterungen beim Pensionsbezug" wäre grundsätzlich nicht „notwendig" gewesen, wenn man das Primärziel berücksichtigt, dass Sozialpläne dem Arbeitnehmer bisher zugestandene Rechtspositionen solange wie möglich erhalten bzw deren Verlust ausgleichen sollen (vgl RIS-Justiz RS0107237 ua). So hätte etwa auch jeder Beamter, der ohne vorher das Vorruhestandsmodell auf Grund des Sozialplans in Anspruch genommen zu haben, mit 60 Jahren in den Ruhestand versetzt worden wäre, einen allfälligen geringeren Bruttoruhegenuss infolge von seit der Betriebsvereinbarung eingeführten Abschlagsfaktoren oder einem eingeführten Durchrechnungszeitraum - ohne jegliche Ausfallshaftung - in Kauf nehmen müssen. Offenbar sollte die Ausfallshaftung hinsichtlich bestimmter die Pensionshöhe beeinträchtigenden Faktoren den Anreiz, das Vorruhestandsmodell in Anspruch zu nehmen, noch etwas verstärken. Für die Annahme des Revisionswerbers, mit der Ausfallshaftung für Verschlechterungen beim Pensionsbezug sollte "jeder Ausfall" der Pension von der Beklagten aufgefangen werden, den der Kläger hier in einer Erhöhung des Pensionsalters erblickt, bestehen jedoch keine überzeugenden Anhaltspunkte. Sie geht über einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten hinaus (vgl RIS-Justiz RS0008897 ua) und findet keine Grundlage in der gegenständlichen Betriebsvereinbarung. Das Klagebegehren wurde daher von den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen. Der Revision des Klägers muss ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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