OGH 9ObA214/88 (9ObA215/88, 9ObA216/88, 9ObA217/88, 9ObA218/88, 9ObA219/88, 9ObA220/88, 9ObA221/88)

OGH9ObA214/88 (9ObA215/88, 9ObA216/88, 9ObA217/88, 9ObA218/88, 9ObA219/88, 9ObA220/88, 9ObA221/88)14.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Kurt K***, Arbeiter, Ebergassing, Wienerherbergstraße 42, 2. Hermann P***, Arbeiter, Enzersdorf, Margarethenstraße 31, 3. Hans R***, Arbeiter, Wien 11, Trebulkagasse 6, 4. Franz K***, Arbeiter, Mannswörth, Franz Wlkgasse 14, 5. Johann D***, Arbeiter, Wien 21, Carabelligasse 75,

6. Friedrich H***, Arbeiter, Auersthal, Hauptplatz 143, 7. Ernst T***, Arbeiter, Wien 11, Thürnlhofstraße 20-24, 8. Karl S***, Arbeiter, Rannersdorf, Deimgasse 40, sämtliche vertreten durch Dr. Otto Philp, Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei ÖMV-Aktiengesellschaft, Wien 9, Otto Wagner Platz 5, vertreten durch Dr. Alfred Richter, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 312,18, S 297,28,

S 327,55, S 478,39, S 833,15, S 793,62, S 334,28 und S 735,54 sA sowie Feststellung (Streitwert diesbezüglich je S 30.001,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. November 1987, GZ 32 Ra 192/87-14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 2. April 1987, GZ 4 Cga 20-27/86-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß der zweite Absatz des Spruches zu lauten hat:

"Zwischen den Parteien wird festgestellt, daß für Überstunden die von den Klägern an einem Sonntag geleistet werden, zusätzlich zum Überstundenzuschlag der im Kollektivvertrag für erdölverarbeitende Industrie unter Punkt 33 festgelegte Sonntagszuschlag zu zahlen ist".

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 8.459,22 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 769,02 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Sämtliche Kläger sind Arbeiter der beklagten Partei. Auf ihr Dienstverhältnis findet der Kollektivvertrag für die Arbeiter der erdölverarbeitenden Industrie Österreichs (im folgenden kurz: Kollektivvertrag-Erdölverarbeitung) Anwendung, der unter anderem folgende Bestimmungen enthält:

"IV Überstunden Sonn- und Feiertagsarbeit

21) Überstunden sind über Anordnung der Betriebsleitung unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen zu leisten.

23) Als Überstunde gilt jene Arbeitszeit, welche über die auf Grundlage der 40-stündigen Wochenarbeitszeit unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des Abschnitt III vereinbarte tägliche Arbeitszeit hinausgeht.

28) Überstunden sind mit einer Grundvergütung und einem Zuschlag zu entlohnen.

29) Als Berechnungsgrundlage für den Überstundenzuschlag gilt der auf eine Stunde bezogene Monatslohn (Istlohn) gemäß Punkt 38.

30) Für jede geleistete Überstunde, sofern sie angeordnet wurde, wird ein Zuschlag von 50 % bezahlt. Überstunden, die in die Zeit von 20.00 bis 6.00 Uhr fallen, werden mit einem Zuschlag von 100 % entlohnt.

Dieser Zuschlag von 100 % gilt nicht für Übergabezeiten und die damit verbundenen notwendigerweise anfallenden sonstigen Zeiten. Für Abgeltung von Übergabezeiten können jedoch betriebliche Regelungen getroffen werden.

Werden bei mehrschichtiger Arbeit im Anschluß an die Nachtschicht Überstunden geleistet, so gebührt ein Zuschlag von 100 %, auch wenn diese Überstunden nicht in die Zeit nach 20.00 Uhr fallen.

Bei Fünftagewoche werden die ersten zwei Überstunden, die an einem sonst arbeitsfreien Samstag geleistet werden, mit einem Zuschlag von 50 %, die dritte und die folgenden Überstunden mit einem Zuschlag von 100 % entlohnt.

33) Bei Sonntagsarbeit gebührt sowohl bei kontinuierlicher als auch bei nichtkontinuierlicher Arbeitsweise für jede geleistete Arbeitsstunde ein Zuschlag von 100 %.

34) Wird ein Arbeitnehmer zur Leistung von Überstundenarbeit nach Verlassen der Arbeitsstätte zurückberufen, so gebührt ihm in jedem Fall ein Zuschlag von 100 %. Außerdem erhält der Arbeitnehmer die für den Hin- und Rückweg notwendige Wegzeit mit der Grundvergütung gemäß Punkt 38 bezahlt; ferner steht ihm der Ersatz des Bargeldes zu. .......

35) Für Arbeiten an gesetzlichen Feiertagen gelten die Bestimmungen des Feiertagsruhegesetzes und der Verordnung über die Lohnzahlung an Feiertagen in der derzeitigen Fassung. Darüber hinaus ist Arbeit an gesetzlichen Feiertagen mit einem Zuschlag von 100 % der Grundvergütung gemäß Punkt 38) zu entlohnen. Überstunden an gesetzlichen Feiertagen werden mit einem Zuschlag von 200 % entlohnt. Als Überstunde an gesetzlichen Feiertagen gilt jene Arbeitszeit, welche die für den betreffenden Werktag festgesetzte normale Arbeitszeit übersteigt.

36) Für Arbeitsstunden, die an arbeitsfreien Werktagen geleistet werden, gebührt ein Zuschlag von 100 %, jedoch nur dann, wenn dieser arbeitsfreie Tag als Ersatz für den Sonntag, an dem der betreffende Arbeitnehmer im Rahmen der Schichtarbeit zu arbeiten hatte, gilt."

Die klagenden Parteien begehrten die Feststellung, daß für Überstunden, die an einem Sonntag geleistet werden zusätzlich zum Überstundenzuschlag auch der im Kollektivvertrag-Erdölverarbeitung unter Punkt IV 33 vorgesehene Sonntagszuschlag gebühre, sowie die Zahlung der sich auf Grund dieser Kollektivvertragsauslegung ergebenden, der Höhe nach außer Streit stehenden Beträge an Entlohnungsdifferenz. Sie hätten an Sonntagen Überstunden geleistet; die beklagte Partei habe jedoch lediglich einen Zuschlag von 100 % zum Normallohn, nicht jedoch den vollen Betrag an Grundvergütung, Überstundenzuschlag und Zuschlag für Sonntagsarbeit gezahlt. Die von der beklagten Partei vertretene Auffassung über die Auslegung der betreffenden Kollektivvertragsbestimmungen sei nicht zutreffend; sie würde zu dem untragbaren Ergebnis führen, daß ein Arbeiter, der über seine gesetzliche Wochenarbeitszeit oder tägliche Arbeitszeit hinaus am Sonntag Überstunden leiste, nicht besser gestellt wäre als ein Arbeitnehmer, der innerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit im Rahmen des Schichtdienstes eine Arbeit am Sonntag verrichte. Die von der beklagten Partei vertretene Auffassung, daß der Sonntagszuschlag anstelle des Überstundenentgeltes zu leisten sei, sei mit dem Inhalt des Kollektivvertrages und den Motiven, die den Regelungen zugrunde lägen, nicht vereinbar.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Ein Anspruch der Kläger auf Überstundenzuschlag neben dem Sonntagszuschlag für am Sonntag geleistete Überstunden bestehe nicht. Der Kollektivvertrag biete keine Grundlage für die Leistung von zwei Zuschlägen. Der im Punkt IV 33) des Kollektivvertrages geregelte Zuschlag sei eine Abgeltung für Sonntagsarbeit schlechthin. Der Inhalt der in diesem Zusammenhang im Kollektivvertrag getroffenen Regelungen und der Aufbau dieses Abschnittes des Kollektivvertrages lasse eine Auslegung in dem von den Klägern gewünschten Sinn nicht zu. Für die Richtigkeit der von der beklagten Partei vertretenen Auslegung spreche auch die Tatsache, daß die Bestimmungen jahrelang ohne Einwand der Kläger und auch des Kollektivvertragspartners in dieser Form gehandhabt worden seien.

Das Erstgericht wies das Begehren der Kläger ab. Abschnitt IV Punkt 33) des Kollektivvertrages sehe einen Sonntagszuschlag von 100 % für jede Sonntagsarbeit sowohl bei kontinuierlicher wie auch nichtkontinuierlicher Arbeitsweise vor; nichtkontinuierliche Sonntagsarbeit gehe aber immer über die Normalarbeitszeit hinaus und sei daher immer Überstundenarbeit. In Punkt 30 werde nur der gesetzliche Überstundenzuschlag an Normalarbeitstagen behandelt. Punkt 34) und 35) enthielten Sonderregelungen für bestimmte Arten von Überstundenarbeit. Da Sonderbestimmungen für Überstundenarbeit bei Sonntagsarbeit fehlten, enthalte Punkt 33) eine abschließende Regelung. Ein Anspruch auf Überstundenzuschlag neben dem Zuschlag für Sonntagsarbeit bestehe daher nicht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Parteien Folge, erkannte im Sinn der Leistungsbegehren und stellte fest, daß die beklagte Partei für Überstunden, die die Kläger an einem Sonntag leisten, einen Überstundenzuschlag von 100 % und einen Sonntagszuschlag von weiteren 100 % zu gewähren habe. Die Gründe für die höhere Entlohnung von Überstundenarbeit und Sonntagsarbeit deckten sich nicht zur Gänze, sodaß für ein Nebeneinander der beiden Zuschläge gerechtfertigte Gründe sprächen. Eine unterschiedliche Behandlung der Feiertagsüberstunden, für die im Kollektivvertrag eine Sonderregelung vorgesehen sei, und der Sonntagsüberstunden würde zu Wertungswidersprüchen führen. Der Kollektivvertrag könne nur dahin ausgelegt werden, daß Punkt 33) nur den Sonntagszuschlag, nicht aber auch zusätzlich den Überstundenzuschlag behandle; dieser sei in Abschnitt IV Punkt 30) des Kollektivvertrages geregelt. Zur Vermeidung eines Wertungswiderspruches zwischen der entgeltrechtlichen Behandlung von Überstunden an Feiertagen und Überstunden an Sonntagen sei davon auszugehen, daß für Überstunden an Sonntagen unabhängig vom Sonntagszuschlag auch ein Überstundenzuschlag von 100 % gebühre. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagenden Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur teilweise berechtigt.

Soweit die Revisionswerberin sich dagegen wendet, daß grundsätzlich neben dem Sonntagszuschlag auch der Überstundenzuschlag zu leisten sei, kommt den Ausführungen allerdings keine Berechtigung zu. Bereits in der Entscheidung zu 14 Ob 31-40/86 (Arb. 10507 = RdW 1986, 249) hat sich der Oberste Gerichtshof mit dem hier strittigen Fragenkomplex auseinandergesetzt. Gegenstand jenes Falles war unter anderem ein (gegen die auch hier beklagte Partei) gerichtetes Begehren der (dortigen) Kläger auf Feststellung, daß - aufgrund der Bestimmungen des Kollektivvertrages für die erdölgewinnende Industrie Österreichs (im folgenden kurz: Kollektivvertrag-Erdölgewinnung) - für am Sonntag zu leistende Überstunden neben dem Überstundenentgelt der Sonntagszuschlag zu zahlen sei. Diesem Klagebegehren wurde in allen Instanzen stattgegeben; der Oberste Gerichtshof legte in der zitierten Entscheidung die grundsätzlichen Erwägungen für dieses Ergebnis dar. Diese Begründung ist in allen wesentlichen Punkten auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Auffassung der beklagten Partei, daß zufolge grundsätzlicher Unterschiede im Inhalt der beiden Kollektivverträge hier ein völlig anders gelagerter Fall vorliege, kann nicht gefolgt werden.

Der Kollektivvertrag-Erdölgewinnung sieht in XIV 5. einen Sonntagszuschlag für jede Sonntagsarbeit neben dem Arbeitsentgelt vor. Gemäß dem hier anzuwendenden Kollektivvertrag Abschnitt IV Punkt 33) gebührt ein Sonntagszuschlag für jede Sonntagsarbeit sowohl bei kontinuierlicher wie bei nichtkontinuierlicher Sonntagsarbeit. Aus dieser unterschiedlichen Diktion kann die von der beklagten Partei vermeinte Regelungsverschiedenheit nicht abgeleitet werden. Daß der Sonntagszuschlag neben dem Arbeitsentgelt zu leisten ist, ergibt sich bereits aus dem Begriff "Zuschlag" und bedarf keiner weiteren ausdrücklichen Erwähnung. Als Sonntagsarbeit kommt entweder kontinuierliche oder nichtkontinuierliche Arbeit in Frage. Mit der Anführung dieser beiden Möglichkeiten wird dasselbe umschrieben, das mit der Wendung "jede Sonntagsarbeit" im Kollektivvertrag-Erdölgewinnung zum Ausdruck gebracht wurde. Auch die aus der abweichenden Systematik - im Kollektivvertrag-Erdölgewinnung werden Überstundenzuschläge in Kapitel "XIV Zulagen und Zuschläge" in Punkt 4) und der Sonntagszuschlag in Punkt 5) behandelt, im hier anzuwendenden Kollektivvertrag werden Überstunden unter Punkt IV. (Überstunden Sonn- und Feiertagsarbeit) unter Punkt 30), Sonntagszuschläge in Punkt 33) behandelt - kann der von der beklagten Partei vertretene Regelungsunterschied nicht abgeleitet werden. Kollektivverträge sind als Ergebnis der Verhandlungen der Kollektivvertragsparteien häufig Kompromisse, wobei das Hauptaugenmerk regelmäßig mehr auf eine Festschreibung des gewonnenen Ergebnisses als auf eine durchgegliederte Systematik der Zusammenfassung gerichtet ist. Bei Kollektivvertragsverhandlungen liegt zumeist bereits ein bestehender Kollektivvertrag vor und die neugewonnenen Ergebnisse sind Ergänzungen oder Abänderungen von bereits bestehenden Regelungen, durch die das bereits vorgegebene Schema abgeändert wird. Die Neufassung unter Einbeziehung der neu erzielten Verhandlungsergebnisse orientiert sich in der Mehrzahl der Fälle am bereits bestehenden Vertrag und dessen oft nur historisch zu erklärendem Aufbau. Dies führt dazu, daß auch inhaltlich gleiche Regelungen in verschiedenen Kollektivverträgen systematisch unterschiedlich festgeschrieben werden. Ein abweichender Aufbau von zwei Kollektivverträgen kann daher kein gewichtiges Argument für eine inhaltliche Verschiedenheit der darin enthaltenen Regelungen bilden.

Jene Bestimmungen des Kollektivvertrages, die normative Wirkung haben sind nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten, auszulegen (Floretta-Strasser, ArbVG1, 33;

Arb. 10447, 10.494 uva). Eine lang dauernde Handhabung einer Kollektivvertragsbestimmung in einer bestimmten Form - bei privatrechtlichen Verträgen könnte allenfalls hieraus ein Rückschluß auf den Willen der Vertragspartner für die Auslegung des Vertrages gewonnen werden - kann bei der Auslegung von Kollektivverträgen nicht herangezogen werden. Daraus, daß in anderen Kollektivverträgen die Vertragspartner im Rahmen ihrer Regelungsfreiheit abweichende Bestimmungen getroffen haben, kann für die Auslegung der vorliegenden Bestimmungen nichts abgeleitet werden. Gemäß Abschnitt IV Punkt 28) des hier anzuwendenden Kollektivvertrages sind Überstunden mit einer Grundvergütung und einem Zuschlag zu entlohnen; gemäß Punkt 30) wird für jede Überstunde, sofern sie angeordnet wurde, ein Zuschlag von 50 % bezahlt; Überstunden, die in der Zeit von 20.00 bis 6.00 Uhr geleistet werden, werden mit einem Zuschlag von 100 % entlohnt. Damit wurde im Kollektivvertrag eine allgemeine Überstundenregelung getroffen. Bei Sonntagsarbeit hingegen gebührt sowohl bei kontinuierlicher wie auch bei nichtkontinuierlicher Arbeit für jede geleistete Arbeitsstunde ein Zuschlag von 100 %. Wird eine Überstunde an einem Sonntag geleistet, so ist sowohl die Voraussetzung für die Anwendung des Punktes 30) wie auch des Punktes 33) gegeben. Der Wortlaut der letztgenannten Bestimmung bietet keine Grundlage für die Annahme, daß durch den dort geregelten Zuschlag der allgemeine, für Überstunden zu leistende Zuschlag konsumiert würde. Die beklagte Partei verweist darauf, daß der Kollektivvertrag über die allgemeinen Bestimmungen des Punktes 30) hinaus Überstundenregelungen für mehrere Sonderfälle enthalte; aus dem Fehlen einer derartigen Sonderregelung für Sonntagsüberstunden ergebe sich, daß Punkt 30) für Überstunden, die am Sonntag geleistet werden, keine Anwendung finde; Punkt 33) enthalte für diesen Fall eine abschließende Regelung. Auch diese Argumentation überzeugt nicht. Alle Bestimmungen, auf die die beklagte Partei in diesem Zusammenhang verweist, treffen Regelungen für Überstundenentlohnungen, die von der im Punkt 30) Absatz 1 vorgesehenen allgemeinen Norm abweichen. So werden gemäß Punkt 30) Abs 3 teilweise Überstunden an Samstagen, auch wenn sie nicht in die Zeit zwischen 20.00 und 6.00 Uhr fallen, ebenso wie Überstunden, die im Anschluß an die Nachtschicht außerhalb des vorgenannten Zeitraumes geleistet werden, mit einem Zuschlag von 100 % entlohnt. Dieselbe Regelung gilt für Überstunden im Fall der Rückberufung. Für Überstunden, die an Feiertagen geleistet werden, wird ebenfalls eine Sonderregelung getroffen, wobei die Entlohnung über die allgemeine Überstundenentlohnung des Punktes 30) Abs 1 hinausgeht. Aus dem Fehlen einer besonderen Regelung für Sonntagsüberstunden kann nur abgeleitet werden, daß mangels eines entsprechenden Ausschlusses die allgemeine Überstundenregelung des Punktes 30) Abs 1 gilt, zumal es sich auch bei Überstunden, die am Sonntag geleistet werden, um Überstunden im Sinn dieser Bestimmung handelt. Dies ergibt sich aus der Wortinterpretation des Kollektivvertrages. Wie bereits in der Entscheidung 14 Ob 31-40/86 ausgeführt, spricht für das Nebeneinanderbestehen der Überstundenzuschläge und der besonderen Sonntagsentlohnung aber auch der verschiedene Zweck dieser Zuschläge. Die höhere Entlohnung einer Überstunde gegenüber einer normalen Arbeitsstunde ist im wesentlichen dadurch begründet, daß die mit der Arbeit verbundene Anstrengung und der Verbrauch an Arbeitsenergie bei längerer Arbeit nicht gleich bleiben, sondern für die spätere Arbeit verhältnismäßig mehr zunehmen (4 Ob 72/77, ferner Cerny, Arbeitszeitrecht 91 und Grillberger Arbeitszeitgesetz 76 f, die daneben auch die sozialpolitische Bedeutung der Überstundenvergütung betonen). Die höhere Entlohnung der Sonntagsarbeit (auch wenn sie nicht Überstundenarbeit ist) hat hingegen andere Gründe. Sie soll die Beeinträchtigung der dem Arbeitnehmer im Regelfall gebührenden Wochenendruhe, in die der Sonntag zu fallen hat (§ 3 Abs 1 ARG), abgelten. Auch bei Gewährung von Ersatzruhe (§ 6 Abs 1 ARG) in der folgenden Arbeitswoche wird es vom Arbeitnehmer im allgemeinen als erschwerend empfunden, wenn er an einem Sonntag, an dem der überwiegende Teil der arbeitenden Bevölkerung die Freizeit genießt, arbeiten muß. Die Gründe für die höhere Entlohnung von Überstundenarbeit und von Sonntagsarbeit gehen somit nicht (zur Gänze) ineinander auf. Abschnitt IV Punkt 30) und 33) des Kollektivvertrages sind daher dahin zu verstehen, daß bei kumuliertem Auftreten der erwähnten Erschwerungsgründe - wenn also Überstunden auf einen Sonntag fallen - sowohl der Überstundenzuschlag als auch der für die Sonntagsentlohnung vorgesehene Zuschlag zu gewähren sind. Die Klagebegehren sind daher berechtigt.

Zutreffend rügt die beklagte Partei allerdings die Überschreitung des Klagebegehrens durch die Entscheidung des Berufungsgerichtes. Die klagende Partei begehrte die Feststellung, daß für Überstunden, die an einem Sonntag geleistet werden, zusätzlich zum Überstundenzuschlag der im Kollektivvertrag für erdölverarbeitende Industrie unter Punkt 33) festgelegte Sonntagszuschlag zu zahlen ist. Das Berufungsgericht stellte demgegenüber fest, daß die beklagte Partei für Überstunden, die die Kläger an einem Sonntag leisten, einen Überstundenzuschlag von 100 % und einen Sonntagszuschlag von weiteren 100 % zu gewähren hat. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes geht daher über das Klagebegehren hinaus, zumal die klagenden Parteien die Feststellung eines Überstundenzuschlages in dieser Höhe nicht begehrten. Die teilweise Einschränkung der Klagebegehren im Verfahren vor dem Erstgericht läßt vielmehr erkennen, daß die Kläger den Standpunkt vertreten, daß ihnen neben dem Sonntagszuschlag nur der allgemeine Überstundenzuschlag gemäß Punkt 30) Abs 1 des Kollektivvertrages zusteht. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage ist jedoch auf der Grundlage der Formulierung des Klagebegehrens entbehrlich. Das Berufungsgericht hat durch die von ihm gewählte Fassung des Urteilsspruches gegen die Bestimmung des § 405 ZPO verstoßen. Dieser Verstoß ist nach ständiger Rechtsprechung ein Mangel der Entscheidung, der aber nicht zur Aufhebung der fehlerhaften Entscheidung führen muß; die höhere Instanz kann auch zu einer Abänderung gelangen, wenn eine Ergänzung der Entscheidungsgrundlage nicht erforderlich ist (8 Ob 130/82 u.a.). Das angefochtene Urteil war daher dahin abzuändern, daß sich der Ausspruch der Feststellung auf das erhobene Begehren beschränkt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei ist im Revisionsverfahren zu einem wesentlichen Teil unterlegen. Der Umfang des Teiles, mit dem die beklagte Partei hier durchgedrungen ist, rechtfertigt den Zuspruch von zwei Drittel der Kosten an die klagenden Parteien; im Hinblick darauf, daß acht Kläger am Verfahren beteiligt sind, besteht Anspruch auf Streitgenossenzuschlag im Ausmaß von 40 % der Verdienstsumme.

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