OGH 9ObA151/05d

OGH9ObA151/05d16.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Monika M*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Gerhard Kucher und Dr. Gerd Mössler, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen EUR 143.650,91 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Juni 2005, GZ 7 Ra 43/05f-33, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor. Da das Berufungsgericht die Entlassung als verspätet erachtete, brauchte es auf die von der Berufungswerberin gerügten bzw vermissten Feststellungen zur Frage der Berechtigung der Entlassung nicht einzugehen. Auch jene in zweiter Instanz vorgebrachten Feststellungswünsche, die die Revisionswerberin für die Frage der Rechtzeitigkeit der Entlassung als wesentlich erachtet (siehe im Detail Punkt II lit a - f der Revision), sind - mit einer noch zu erörternden Ausnahme - nicht entscheidungswesentlich.

Richtig ist, dass die Revisionswerberin in zweiter Instanz die Feststellung vermisst hat, dass Dr. K***** der Klägerin bei einem Gespräch am 4. 6. 2003 angekündigt habe, sie müsse - wenn sie ihre Haltung nicht ändere - mit ihrer Entlassung rechnen (Punkt II e der Revision). Die entsprechenden Ausführungen der Berufung wurden zwar als Tatsachenrüge bezeichnet; sie erweisen sich inhaltlich aber als Behauptung des Fehlens von für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen, zumal das Erstgericht zu dieser Frage gar keine Feststellungen getroffen hat. Dazu war es allerdings mangels eines entsprechenden Tatsachenvorbringens der Klägerin auch nicht verpflichtet. Demgemäß kann sich die Revisionswerberin durch das Unterbleiben einer entsprechenden Feststellung nicht als beschwert erachten.

Die erstgerichtliche Feststellung, dass die Klägerin am 5. und am 6. 6. 2003 ihre Arbeit unbeanstandet verrichtet hat, wurde vom Berufungsgericht überprüft und übernommen.

Die Beurteilung, ob eine Entlassung rechtzeitig oder verspätet ausgesprochen wurde, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls erfolgen (9 ObA 163/01p; RIS-Justiz RS0031571). Dieser Frage kommt daher - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu (9 ObA 163/01p; 9 ObA 65/03d; 8 ObA 96/03f). Von einer krassen Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes kann hier keine Rede sein.

Dass in einem österreichweit tätigen Unternehmen mit 4000 Mitarbeitern nur eine einzige Person zur Entscheidung über Entlassungen berechtigt ist, ist in der Tat „nicht unzulässig". Der Arbeitgeber kann aber aus einer derartigen Organisationsstruktur nicht das Recht ableiten, mit einer wegen eines im Wesentlichen nicht strittigen Verhaltens des Arbeitnehmers ins Auge gefassten Entlassung längere Zeit (hier: 14 Tage) zuzuwarten, ohne den betroffenen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsleistung während der gesamten Zeit angenommen wird, auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass sein Verhalten zu einer Entlassung führen könne. Dass die Klägerin darauf hingewiesen wurde, der Vorfall vom 28. 5. 2005 könne arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, steht aber nicht fest. Vor diesem Hintergrund kann von einer unvertretbaren Rechtsauffassung der zweiten Instanz keine Rede sein.

Die Behauptung, die Klägerin habe nach dem 28. 5. 2003 einen Entlassungsgrund verwirklicht, sodass die Entlassung rechtzeitig sei, ist durch die insoweit nicht bekämpften bzw vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen nicht gedeckt. Dass die Klägerin bei einem Gespräch mit dem Landesdirektor erklärte, sie sei wegen ihrer „kaputten" Finger nicht in der Lage, bestimmte feinmanipulative Tätigkeiten zu verrichten, verwirklicht für sich allein keinen Entlassungstatbestand, zumal darin keine endgültige Arbeitsverweigerung erblickt werden kann. Dass die Klägerin in der Folge ihr aufgetragene Arbeiten verweigert hat, steht nicht fest.

Stichworte