Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und gemäß § 43a Abs 3 StGB der Vollzug eines siebenmonatigen Teiles der verhängten Freiheitsstrafe von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Im Übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthält, wurde Engelbert F***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1989/242 (Punkt I des Urteilssatzes) und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Deliktsfall StGB idF BGBl 1974/60 (II) schuldig erkannt. Danach hat er zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen Mitte April 1995 und Ende September 1995 in Adnet den am 7. Juli 1991 geborenen und somit unmündigen Christian-Maria H*****
I. mit Gewalt, indem er ihn auf das Bett drückte, ihn dort am Bauch liegend niederhielt, ihm teilweise den Kopf in den Kopfpolster presste und teilweise auch den Mund zuhielt, um ein Schreien zu verhindern, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich des Einführens eines Astes in den After, genötigt und II. hiedurch eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil aus Z 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Die Verfahrensrüge (Z 4), mit welcher der Beschwerdeführer die Ablehnung des Antrages auf Einholung eines Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen kritisiert, schlägt fehl. Denn der durch die beantragte Beweisaufnahme angestrebte Nachweis, dass das Einführen eines Astes in den After des Minderjährigen notwendig zu schweren, ärztlich zu versorgenden Verletzungen und Narbenbildungen im Analbereich geführt hätte, weshalb deren Fehlen den Tatvorwurf widerlege, ist mangels Kenntnis der konkreten Beschaffenheit des in Rede stehenden Gegenstandes und der näheren Modalitäten des Geschehens, wie Heftigkeit, Intensität und Tiefe der Penetration von vornherein aussichtslos. Der Beschwerdeführer zeigt im Übrigen nicht auf, warum die offenbar eingetretene Läsion im Analbereich ungeachtet des bereits verstrichenen Zeitraumes noch diagnostizierbar sein sollte, zumal deren Umfang nicht bekannt ist und auch der von der Kindesmutter konsultierte Arzt laut deren Aussage keine körperliche Untersuchung des Unmündigen vorgenommen hat (vgl US 13). Der Einwand (Z 5, der Sache nach Z 5a), die Zeugen seien unzureichend zu den Verletzungsfolgen befragt worden, lässt unbegründet, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Frage- oder sonstigen Antragsrechtes gehindert war, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu erwirken.
Weshalb angesichts der dem Angeklagten zur Last liegenden Delikte Feststellungen zu einer allfälligen Narbenbildung geboten gewesen wären, wird nicht nachvollziehbar dargelegt.
Die vermisste Begründung, der Angeklagte habe zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes gehandelt, betrifft keine schuld- oder strafsatzrelevante Tatsache, weil das Gesetz eine auf geschlechtliche Erregung und Befriedigung gerichtete Tendenz nur in den hier nicht aktuellen, auf die Verleitung des Opfers zur Selbstvornahme von geschlechtlichen Handlungen abstellenden Fällen der §§ 207 Abs 2 zweiter Fall sowie 212 Abs 1, Abs 2, jeweils letzter Fall, StGB verlangt. Hingegen erfordern die Tatbestände der §§ 201 Abs 2, 207 Abs 1 erster Deliktsfall StGB in der oben jeweils genannten Fassung keine solche sexuelle Tätermotivation (14 Os 2/04, vgl auch 14 Os 126/04). Überdies haben die Tatrichter die Konstatierung, dass es dem Angeklagten um die Befriedigung seines Geschlechtstriebes zu tun war (US 4), sehr wohl begründet (US 14).
Welche weiteren Feststellungen zur subjektiven Tatseite und zum Tathergang über die vom Schöffengericht ohnedies getroffenen Konstatierungen hinaus (US 4) geboten gewesen wären, wird in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht aufgezeigt.
Der Subsumtionsrüge (Z 10), in der der Beschwerdeführer die Unterstellung des festgestellten Tatverhaltens, nämlich Einführen eines Astes in den After des Knaben, unter § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 kritisiert, kommt ebenfalls keine Berechtigung zu. Der hier zur Anwendung gekommene Tatbestand des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 betrifft die mit Gewalt oder qualifizierter gefährlicher Drohung bewirkte Nötigung einer Person zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung. Die geschlechtsneutrale Formulierung umfasst nicht nur den Schutz weiblicher, sondern auch männlicher Opfer. Zur Auslegung des (normativen, wenngleich deskriptive Elemente enthaltenden, vgl Schick in WK² § 201 Rz 40) Tatbestandsmerkmales „einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung" bietet sich § 206 Abs 4 StGB idgF an. In der dort vorgesehenen Privilegierung der Verhaltensweisen nach § 206 Abs 1, Abs 2 StGB, in denen ausschließlich von „Beischlaf" oder diesem „gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen" die Rede ist, wird nämlich der Fall ausgeschlossen, dass die geschlechtliche Handlung in der Penetration mit einem Gegenstand bestanden hat. Daraus folgt zwingend, dass die Penetration mit einem Gegenstand das Tatbestandsmerkmal „einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung" erfüllt, sofern sie ein zur Geschlechtssphäre gehörendes Organ des Opfers betrifft (aA Schick aaO Rz 41).
Nach neuerer - auf die Gesetzesmaterialien zur StGNov 1989 und später zum StRÄG 1998 Bezug nehmender - Judikatur (etwa 12 Os 55/91; 15 Os 11/92, EvBl 1992/180, 766; 13 Os 78/92, JBl 1994, 56; 13 Os 84/92; 13 Os 162/00, SSt 63/126 = EvBl 2001/152, 651; 13 Os 90/01; 14 Os 126/04, EvBl 2005/90, 393; RIS-Justiz RS0095213) gehört der Anus eines Menschen zur unmittelbaren Geschlechtssphäre. Dies ergibt sich nicht nur aus den allgemein bekannten homo- und heterosexuellen Sexualpraktiken, sondern auch aufgrund der räumlichen und sensitiven Nähe dieser Körperöffnung zu den geschlechtsspezifischen Genitalien (vgl zum unterschiedlichen Meinungsstand im Schrifttum Schick aaO Rz 38). Die Analpenetration - selbst wie im vorliegenden Fall mit einem Gegenstand - ist daher eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung. Das Vorliegen weiterer Tatmodalitäten, die eine Sexualbezogenheit ausdrücken, ist nicht erforderlich.
Auf die subjektive Vorstellung des Täters kommt es nicht an: eine Vaginalpenetration bleibt eine geschlechtliche Handlung, auch wenn der Täter ausschließlich aus sexualfremden Gründen gehandelt hat; nichts anderes kann daher für die Analpenetration gelten. Medizinisch indizierte und lege artis durchgeführte Heileingriffe iwS sowie diagnostische und prophylaktische Eingriffe - so etwa das in der Beschwerde erwähnte Einführen eines Fieberthermometers - verwirklichen kein tatbestandsmäßiges Unrecht iS der in Betracht kommenden Delikte des 10. Abschnittes des Besonderen Teiles des Strafgesetzbuches, weil sie sozialadäquate, sohin rechtlich nicht missbilligte Verhaltensweisen darstellen (vgl in diesem Sinn zur dogmatisch identen Situation bei den Körperverletzungsdelikten Burgstaller in WK² § 83 Rz 19, 30 sowie jüngst E. Steininger ÖJZ 2005, 825 [826, va FN 12]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten unter Anwendung des § 28 StGB nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe. Mildernd wertete es dabei den bisher ordentlichen Lebenswandel, erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen.
Die auf Sanktionsreduktion und bedingte Strafnachsicht gerichtete Berufung ist nur im letzteren Punkt teilweise berechtigt. Selbst unter Berücksichtigung des hohen Alters des Berufungswerbers - was dem Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB besonderes Gewicht verleiht - und dem langen Zurückliegen der einmaligen Tat (Z 18 leg cit) sieht der Oberste Gerichtshof in Anbetracht des aktuellen Schuldvorwurfs (§ 32 StGB) keinen Grund für eine Herabsetzung der Höhe der Unrechtsfolge.
Diese muss jedoch nach den spezial- und generalpräventiven Kriterien des § 43 Abs 1 StGB (§ 43a Abs 3 StGB) nicht zur Gänze sofort vollstreckt werden; ihren teilweisen Vollzug gebieten aber generalpräventive Erfordernisse. Die bedingte Nachsicht eines siebenmonatigen Strafteiles unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren erweist sich insofern als angebracht.
Dem weitergehenden Berufungsbegehren war ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung basiert auf § 390a Abs 1 StPO.
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