OGH 2Ob169/04y

OGH2Ob169/04y1.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Angela P*****, vertreten durch Behawy & Kump, Rechtsanwälte in Rohrbach, gegen die beklagten Parteien 1.) Land Oberösterreich, Klosterstraße 7, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz und Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, 2.) Marktgemeinde H*****, und 3.) Erich M*****, beide vertreten durch Dr. Günther Klepp, Dr. Peter Nöbauer, Mag. Franz Hintringer, Mag. Rupert Primetshofer, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 6.643,79 sA und Feststellung (Streitwert EUR 1.453,46), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 12. November 2003, GZ 37 R 44/03p-66, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Lembach vom 19. Dezember 2002, GZ C 202/03 b-50, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit EUR 682,31 (darin enthalten EUR 127,59 USt) und den zweit- und drittbeklagten Parteien die mit EUR 765,52 (darin enthalten EUR 127,59 USt) bestimmten Kosten der jeweiligen Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung der Streupflicht unter Einrechnung eines Mitverschuldens von 50 % in Anspruch.

Das Erstgericht wies im ersten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Es ging im Wesentlichen davon aus, der Drittbeklagte habe um 4.00 Uhr Früh mit seinem Privatfahrzeug die spätere Unfallstelle befahren und festgestellt, dass die Straße völlig trocken sei und sich kein Nebel gebildet habe. Kurz vor 6.00 Uhr Früh habe er festgestellt, dass sich Nebel gebildet hatte, wodurch die Bildung von Glatteis begünstigt worden sei. Er habe mit der Splittstreuung in Richtung A*****, in welcher Richtung auch der Postbus fahre, begonnen. Zum Unfallszeitpunkt sei die Unfallsstelle infolge starken Nebels stark vereist gewesen. Die vom Drittbeklagten verwendeten Streumittel seien eher für Schneeglätte verwendbar und für den gegebenen Eiszustand nur bedingt geeignet gewesen. Da es sich um einen Streckenbereich gehandelt habe, auf dem lediglich die Winterdienstkategorie D bzw die Betreuungsart 3 zum Einsatz kommt, seien Auftaumitteln wie zB Streusalz für die Räumung nicht vorgesehen gewesen.

Das Erstgericht verneinte ein Verschulden der zweitbeklagten Partei und des Drittbeklagten, weil einerseits auf Grund der Betreuungsart die Beobachtungen des Straßenzustandes auf ein Minimum zu reduzieren seien und außerdem verwendete Streumittel kaum Wirkung zeigten. Der Drittbeklagte habe bereits um 4.00 Uhr Früh die Straße abgefahren. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht erkennbar gewesen, dass es zu einer Glatteisbildung kommen könnte. Auf eine Nebelbildung habe er sofort reagiert und mit der Streuung der Straße begonnen. Da weder die zweitbeklagte Partei ihre Wegehalterpflichten verletzt noch der Drittbeklagte schuldhaft gehandelt habe, scheide eine Haftung der erstbeklagten Partei aus.

Das Berufungsgericht gab im ersten Rechtsgang der Berufung der Klägerin Folge und hob das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es legte seinen Ausführungen die Feststellungen des Erstgerichtes zugrunde und führte weiters rechtlich aus, den Drittbeklagten treffe überhaupt kein Verschulden, weshalb eine Haftung der erst- und zweitbeklagten Partei dahingestellt bleiben könne. Lege man zugrunde, dass der Drittbeklagte am Unfalltag um 4.00 Uhr Früh die spätere Kollisionsstelle befahren habe um diese Zeit die Straße noch völlig trocken gewesen sei und dass er sofort nach der Feststellung, dass sich Nebel gebildet habe, mit der Streuung begonnen habe, könne von einem fahrlässigen Handeln keine Rede sein. Eine verspätet begonnene Bestreuung sei dem Drittbeklagten nicht vorzuwerfen, wenn er noch um 4.00 Uhr Früh die Strecke überprüft habe. Es sei notwendig, dass in der für eine Glatteisbildung gefährlichen Zeit die zu betreuenden Straßen regelmäßig zu beobachten seien. Zur Frage der „Winterdienstkategorie" führte das Berufungsgericht noch aus, es stelle kein Fehlverhalten dar, wenn der Streudienst zuerst einen anderen Streckenabschnitt befahren habe, weil dort der Postbus fahre und der Drittbeklagte ohnehin kurz darauf die Unfallstelle befahren habe. Fragen der ausreichenden Beladung mit Streumittel und die Wahl des richtigen Streumittels seien nicht ausschlaggebend. Entscheidend sei, ob der Drittbeklagte tatsächlich um 4.00 Uhr Früh die spätere Unfallstelle kontrolliert habe.

Das Berufungsgericht erblickte in diesem Zusammenhang in der Unterlassung der Vernehmung des (damaligen) Zweitklägers einen primären Verfahrensmangel, weil die entscheidende Sachverhaltsfeststellung, der Drittbeklagte habe um 4.00 Uhr Früh kontrolliert, nur auf Grund dessen Aussage getroffen worden sei, obwohl ein anderes Beweismittel beantragt worden sei. Es führte weiters aus, das Ersturteil habe daher zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung (Einvernahme des damaligen) Zweitklägers aufgehoben werden müssen, „ohne auf die Sachverhaltsrüge näher eingehen zu müssen".

Im zweiten Rechtsgang traf das Erstgericht nach Verfahrensergänzung neuerlich die Feststellung, der Drittbeklagte habe am Unfallstag um 4.00 Uhr Früh die spätere Kollisionsstelle mit dem Privat-PKW befahren, wobei sich noch kein Nebel gebildet habe und die Straße völlig trocken gewesen sei. Ein Verschulden des Drittbeklagten wurde neuerlich verneint.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es änderte diesen Ausspruch über Antrag nach § 508 ZPO dahingehend ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei.

Das Berufungsgericht verneinte einen dem Erstgericht vorgeworfenen Verfahrensmangel und erledigte die Tatsachen- und Beweisrüge mit dem Hinweis darauf, dass der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes im ersten Rechtsgang lediglich im Umfang eines Teiles des rechtserheblichen Sachverhaltes ergangen sei, nämlich ob der Drittbeklagte seinen Sorgfaltsanforderungen, die spätere Unfallstelle zu kontrollieren, entsprochen habe. In diesem Zusammenhang habe das Berufungsgericht ausschließlich gegen das Zustandekommen der Sachverhaltsfeststellung des Erstgerichtes Bedenken gehabt, wonach der Drittbeklagte um 4.00 Uhr Früh die Unfallstelle kontrolliert habe.

Der übrige Teil des rechtserheblichen Sachverhaltes sei vom Berufungsgericht abschließend beurteilt worden. Infolge des Aufhebungsbeschlusses sei daher nur noch jener Tatsachenbereich zu prüfen, der die Kontrolle der Unfallstelle vor Beginn des Streuvorganges betroffen habe. Es hätten weder neues Tatsachenvorbringen erstattet noch neue Beweisanträge gestellt werden dürfen.

Da auch eine neuerliche Überprüfung der bereits im ersten Rechtsgang abschließend beurteilten Fragen nicht zulässig sei, sei auf die Argumentation zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht einzugehen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht möglicherweise von der Rechtsprechung zur Frage, ob eine abschließende Beurteilung eines Teiles des rechtserheblichen Sachverhaltes möglich sei, abgewichen sei.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revision die Stattgebung ihres Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.

Das Berufungsgericht hat im ersten Rechtsgang die Beweis- und Mängelrüge der Klägerin ausführlich behandelt und lediglich das Zustandekommen der Feststellung, der Drittbeklagte habe die spätere Unfallstrecke um 4.00 Uhr Früh abgefahren, bemängelt. Nur in diesem Zusammenhang hat es dazu festgehalten, auf die Tatsachenrüge nicht weiter eingehen zu müssen. Mit diesen Ausführungen hat das Berufungsgericht nur die Richtigkeit der vom primären Verfahrensmangel betroffenen Feststellung gemeint, nicht aber auch andere Tatsachenrügen der im ersten Rechtsgang erstatteten Berufung. Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgericht erfolgte daher nach § 496 Abs 1 Z 2 ZPO. Hier beschränkt § 496 Abs 2 ZPO das Verfahren auf den durch den Mangel betroffenen Teil des erstgerichtlichen Verfahrens und Urteils (Pimmer in Fasching/Konecny² IV//1 § 496 Rz 70) Die Neudurchführung des Verfahrens erstreckt sich auf jene Verfahrensteile, die im konkreten Fall unmittelbar oder mittelbar durch den Mangel berührt werden und deren Erneuerung oder Ergänzung sich notwendig aus der Behebung des Mangels ergibt (Pimmer aaO). Die vom Mangel nicht betroffenen Teile bleiben unberührt und dürfen auch nicht neuerlich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden. Bezüglich dieser schon erledigten und entscheidungsreifen Sachanträge kommt ein neues Vorbringen nicht mehr in Frage (E. Kodek in Rechberger, ZPO² § 496 Rz 5; RIS-Justiz RS0042493).

Im Zweifelsfall ist hier der Aufhebungsbeschluss die Abgrenzungsgrundlage. Was in ihm als abschließend erledigt oder zutreffend entschieden und unumstößlich erklärt wird, kann keinesfalls mehr Gegenstand des erneuerten Verfahrens sein. Nur Verfahrensabschnitte und -ergebnisse, die in diesem Beschluss nicht erwähnt oder abschließend gebilligt werden, können unter der Voraussetzung, dass ihre Überprüfung durch die Mängelbehebung erforderlich wird, zum Gegenstand der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung gemacht werden (Pimmer aaO Rz 73).

Welche Verfahrensabschnitte bzw Verfahrensergebnisse als vom Berufungsgericht abschließend erledigt angesehen wurden, ist nach dem Aufhebungsbeschluss im Einzelfall zu beurteilen und betrifft daher keine über diesen hinausreichende Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung.

Im hier zu beurteilenden Fall ist eindeutig erkennbar, dass das Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang ausschließlich das Zustandekommen der erwähnten Feststellung über die Kontrolltätigkeit des Drittbeklagten am Unfallstag bemängelte und daher nur in dieser Richtung einen Ergänzungsauftrag zur Behebung eines primären Verfahrensmangels erteilte.

Soweit im Zulassungsbeschluss und in der Revision auf die Entscheidung 7 Ob 18/98t verwiesen wird, ist dem entgegenzuhalten, dass dort ein Aufhebungsbeschluss im Sinne des § 496 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO zu beurteilen war. Bei einem derartigen Aufhebungsbeschluss tritt aber das Verfahren in den Stand vor Schluss der Verhandlung erster Instanz zurück, weshalb es den Parteien gestattet ist, neues Vorbringen zu erstatten (Pimmer aaO Rz 75). Ein derartiger Sachverhalt liegt aber hier nicht vor.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, weil die Beklagten auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen haben.

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