OGH 4Ob190/05b

OGH4Ob190/05b29.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M. R. D*****, vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte OEG in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 1. August 2005, GZ 5 R 102/05i-17, womit der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 31. März 2005, GZ 20 Cg 49/05z-4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben, die Rechtssache wird an das Erstgericht zurückverwiesen und diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Beide Streitteile beschäftigen sich mit der Vermietung, dem Verkauf und dem Service von Baumaschinen und Baugeräten. Die Beklagte wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 21. 12. 2004 von Hubert Peter M*****, einem früheren leitenden Angestellten der Klägerin - er war am 8. 9. 2004 aus ihrem Unternehmen ausgeschieden - und einem weiteren Gesellschafter errichtet. Hubert Peter M***** ist Geschäftsführer der Beklagten.

Im Hauptverfahren begehrt die Klägerin, der Beklagten aufzutragen, es zu unterlassen, a) Arbeitskräfte und Franchisenehmer der klagenden Partei planmäßig abzuwerben und in den Betrieb der beklagten Partei aufzunehmen, b) planmäßig Kunden der klagenden Partei unter Verwendung entzogener Kundendaten abzuwerben, c) bestimmte - namentlich genannte - Mitarbeiter der klagenden Partei in einem mit der klagenden Partei im Wettbewerb stehenden Unternehmensbereich zu beschäftigen und d) mit bereits abgeworbenen Dienstnehmern - sie sind namentlich genannt - planmäßig Kunden der klagenden Partei abzuwerben und die bislang von ihren Mitarbeitern betreuten Kunden zu sich herüberzuziehen. Die Klägerin begehrt ferner Urteilsveröffentlichung.

Zur Sicherung ihres Anspruchs auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen begehrt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Klaus S***** bis 31. 12. 2005 in einem mit der klagenden Partei im Wettbewerb stehenden Unternehmensbereich (Verkauf, Einkauf, Mitarbeiterführung, technische Beratung und örtliche und überörtliche Betriebsleitung) zu beschäftigen.

Die Klägerin macht geltend, Klaus S***** habe als Mitarbeiter der Klägerin Zugang zu den Daten von Großkunden und Lieferanten wie auch zu technischen und wirtschaftlichen Daten gehabt. Er habe noch während aufrechten Dienstverhältnisses gemeinsam mit dem späteren Geschäftsführer der Beklagten die Gründung der Beklagten organisiert, Kundendaten illegal mitgenommen und planmäßig Dienstnehmer und Kunden der Klägerin abgeworben. Er habe das Dienstverhältnis zur Klägerin am 30. 11. 2004 zum 31. 12. 2004 aufgekündigt und sei nun bei der Beklagten beschäftigt. Seine Beteiligung an der Gründung und „Führung" der Beklagten verstoße gegen das mit ihm für die Dauer von 12 Monaten nach Beendigung des Dienstverhältnisses vereinbarte Konkurrenzverbot. Mit ihrer Zusage, allfällige Nachteile aus der Beendigung des Dienstverhältnisses, insbesondere Abfertigungen, zu übernehmen, habe die Beklagte einen aktiven Beitrag zum Bruch des Konkurrenzverbots geleistet. Sie beschäftige Klaus S***** in Kenntnis der Konkurrenzklausel und habe planmäßig einen Großteil der Belegschaft abgeworben, um die Klägerin zu schädigen und das eigene Geschäft aufzubauen.

Die Beklagte beantragt Abweisung des Sicherungsantrags. Sie habe Klaus S***** weder zum Vertragsbruch verleitet noch seinen Kündigungsentschluss bewusst gefördert und auch in keiner anderen Weise sittenwidrig gehandelt. Auch zu einer planmäßigen Abwerbung von Kunden unter Verwendung entzogener Kundendaten der Klägerin sei es nicht gekommen.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 20.000 EUR, aber insoweit eingeschränkt, als es eine Beschäftigung im Unternehmensbereich Einkauf nicht untersagte. Es stellte fest, dass der davor ebenfalls bei der Klägerin beschäftigte Geschäftsführer der Beklagten die Dienstverträge und damit die darin enthaltene Konkurrenzklausel gekannt habe. Auch der Dienstvertrag Klaus S*****s habe eine derartige Klausel enthalten, wonach er für die Dauer von 12 Monaten nach Beendigung des Dienstverhältnisses eine Tätigkeit, wie er sie bei der Klägerin ausgeübt habe, in einem Konkurrenzunternehmen nicht übernehmen oder ausüben dürfe, und ein derartiges Unternehmen nicht - auch nicht durch Mittelsmänner - errichten, betreiben oder sich daran beteiligen dürfe. Im Fall des Zuwiderhandelns sei er zur Zahlung einer Konventionalstrafe in Höhe der letzten sechs Monatsbezüge verpflichtet. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, dem neuen Arbeitgeber könne die Beschäftigung eines durch Konkurrenzklausel gebundenen Angestellten nach § 1 UWG untersagt werden. Das Beschäftigungsverbot sei jedoch um den Unternehmensbereich „Einkauf" einzuschränken, weil Klaus S***** bei der Klägerin nicht im Einkauf beschäftigt gewesen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es das Begehren, auch eine Beschäftigung im Einkauf zu verbieten, abwies. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil zur Wettbewerbs- und Sittenwidrigkeit von Konkurrenzklauseln im Zusammenhang mit dem Abwerben von Dienstnehmern Rechtsprechung vorliege und die konkrete Lösung in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinausreiche. Das Rekursgericht beurteilte das Verhalten der Beklagten bei Eingehen des Dienstverhältnisses als bewusste Förderung des Vertragsbruchs und damit als sittenwidrige Handlung im Sinn des § 1 UWG. Der Abschluss des Dienstvertrags in Kenntnis der den Dienstnehmer bindenden Konkurrenzklausel sei zwar noch nicht sittenwidrig im Sinn dieser Bestimmung, sittenwidrig sei es jedoch, wenn der neue Dienstgeber den Vertragsbruch bewusst fördere oder sonst in irgendeiner Weise aktiv dazu beitrage. Die Klägerin habe vorgebracht, dass die Beklagte trotz Kenntnis der Konkurrenzklausel Mitarbeitern der Klägerin ausdrücklich zugesichert habe, allfällige Nachteile aus der Beendigung des Dienstverhältnisses, insbesondere Abfertigungen, zu übernehmen. Dieser Behauptung habe die Beklagte nichts entgegengesetzt, obwohl ihr das ohne weiteres in ihrer Äußerung möglich und auch zumutbar gewesen wäre. Wie schon in der Entscheidung 4 Ob 290/02d - sie habe einen insoweit ähnlich gelagerten Fall betroffen - sei auch hier davon auszugehen, dass die Beklagte die behauptete Zusage im Verfahren schlüssig zugestanden habe. Mit dieser Zusage habe sie aber den Bruch der Konkurrenzklausel aktiv gefördert; ihr Verhalten sei wettbewerbswidrig.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil das Rekursgericht die zitierte Rechtsprechung auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt unrichtig angewendet hat; das Rechtsmittel ist im Sinn des Eventualantrags auf Aufhebung auch berechtigt.

Der Sicherungsantrag ist gerichtet auf ein Verbot der Beschäftigung eines bestimmten Dienstnehmers während der Dauer des mit ihm vereinbarten Konkurrenzverbots. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat die Beklagte den Dienstnehmer der Klägerin in Kenntnis des ihn bindenden Konkurrenzverbots abgeworben und beschäftigt ihn nunmehr. Die Kenntnis des Konkurrenzverbots bei Abschluss des neuen Dienstvertrags reicht nach neuerer Rechtsprechung nicht aus, um ein sittenwidriges Verhalten im Sinn des § 1 UWG anzunehmen. Sittenwidrig handelt der neue Dienstgeber nur dann, wenn er über den bloßen Abschluss des Anstellungsvertrags hinaus den Vertragsbruch bewusst gefördert oder sonst in aktiver Weise dazu beigetragen hat (4 Ob 2358/96k = ÖBl 1998, 22 - Elektronik Aktuell; 4 Ob 130/01y = ÖBl-LS 2001/159; 4 Ob 290/02d = SZ 2003/12). Eine bewusste Förderung des Bruchs einer Konkurrenzklausel wird angenommen, wenn sich der neue Dienstgeber verpflichtet hat, die für den Fall des Bruchs des Konkurrenzverbots vereinbarte Konventionalstrafe zu zahlen (4 Ob 290/02d = SZ 2003/12 mwN).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin eine Zusage der Beklagten behauptet, sie werde allfällige Nachteile aus der Beendigung des Dienstverhältnisses, insbesondere eine Abfertigung, übernehmen. Das Erstgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen; das Rekursgericht ging - insoweit aktenwidrig - von einem schlüssigen Zugeständnis aus, obgleich der Beklagte das Vorbringen der Klägerin zur Veranlassung des Vertragsbruchs mehrfach bestritten hat. Ob die Beklagte die Zusage, Abfertigungsansprüche zu übernehmen, tatsächlich gemacht hat, ist nur dann entscheidend (und müsste im Verfahren noch geklärt werden), wenn diese Zusage einer Übernahme der für den Fall des Bruchs der Konkurrenzklausel vereinbarten Konventionalstrafe gleichzuhalten wäre. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall:

Die Konventional-(Vertrags-)strafe legt für den Fall der Nicht- (oder nicht gehörigen) Erfüllung der getroffenen Vereinbarung vorweg pauschalierten Schadenersatz fest. Sie dient nach herrschender Auffassung der Befestigung der Verbindlichkeit (Koziol/Welser II12, 21; 1 Ob 170/00g = ecolex 2001, 433; Reischauer in Rummel ABGB³ § 1336 Rz 24 mwN). Ihr Zweck besteht darin, Druck auf den Vertragspartner im Hinblick auf die Einhaltung der Vereinbarung auszuüben (1 Ob 170/00g = ecolex 2001, 433). Gerade dieser Erfüllungsdruck wird dem einem Konkurrenzverbot unterliegenden Dienstnehmer genommen, wenn der abwerbende neue Dienstgeber sich bereit erklärt, die Konventionalstrafe zu übernehmen. In einem solchen Fall hat der Dienstnehmer die vereinbarten Konsequenzen seines vertragswidrigen Verhaltens nicht mehr zu befürchten und wird umso eher bereit sein, vertragsbrüchig zu werden. Es besteht daher kein Zweifel, dass ein Dienstgeber, der die für den Fall des Bruchs der Konkurrenzklausel vereinbarte Konventionalstrafe zur Zahlung übernimmt, einen aktiven Beitrag zum Vertragsbruch leistet und diesen aktiv fördert. Schon die enge Verknüpfung der vertraglichen Verpflichtung mit der für den Fall ihrer Nichterfüllung vereinbarten Vertragsstrafe lässt keine andere Sichtweise zu.

Davon unterscheidet sich die Zusage des neuen Dienstgebers, allfällige Abfertigungsansprüche zu übernehmen, grundlegend. Zum einen fehlt es an jeglicher Verknüpfung der verletzten vertraglichen Verpflichtung (Konkurrenzklausel) mit der zugesagten Leistung. Zum anderen ist die nach einem Vielfachen des Monatsentgelts berechnete Abfertigung nach altem Recht (nach dem Akteninhalt unterlag das Dienstverhältnis Klaus S*****s zur Klägerin dem alten Abfertigungsrecht, weil das betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz - BMVG mangels gegenteiliger Vereinbarung nicht für die zum 31. 12. 2002 bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse gilt) ein außerordentliches Entgelt aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Überbrückungs-, Versorgungs- und Treueprämiencharakter (Spielbüchler/Grillberger, Arbeitsrecht I4 234 f; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht 576 f; Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 23 Rz 2 ff).

Die Zusage der Beklagten, allfällige Abfertigungsansprüche zu übernehmen, stellt auch allein auf die Tatsache der Selbstkündigung des Dienstnehmers ab. Sie stellt damit keinen unmittelbaren Bezug zum vertraglich übernommenen Konkurrenzverbot her und leistet schon deshalb keinen aktiven Beitrag zum Bruch der Konkurrenzklausel. Mangels eines derartigen unmittelbaren Bezugs zwischen dem Entfall der Abfertigung und dem Bruch der Konkurrenzklausel kann die behauptete Zusage auch keine bewusste Förderung des Vertragsbruchs verwirklichen.

Die Klägerin hat zur Begründung ihres Sicherungsbegehrens aber auch vorgebracht, die Beklagte habe planmäßig einen Großteil ihrer Belegschaft - so auch den namentlich im Sicherungsantrag genannten Klaus S***** - abgeworben, um Zugang zu den Unternehmensdaten der Klägerin zu erhalten, die Klägerin zu schädigen und ein eigenes Geschäft aufzubauen. Zu diesem Zweck habe etwa der Mitarbeiter Klaus S***** gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Beklagten Kundendaten illegal mitgenommen. Die Klägerin macht damit geltend, die Abwerbung der Mitarbeiter verfolge verwerfliche Ziele und sei auch deshalb im Sinn des § 1 UWG sittenwidrig. Sie hat zu diesem Vorbringen Bescheinigungsmittel angeboten.

Die Vorinstanzen haben - von der (unrichtigen) Rechtsansicht ausgehend, das Unterlassungsgebot sei schon deshalb berechtigt, weil die Beklagte den Bruch der Konkurrenzklausel aktiv gefördert habe - zu diesen Behauptungen keine Feststellungen getroffen. Insoweit ist ihr Verfahren mangelhaft geblieben.

Dass derjenige unlauter handelt, der durch planmäßiges Abwerben von Arbeitskräften seines Mitbewerbers dessen Erfahrungen und Leistungen nutzbar machen oder den Geschäftsbetrieb des Mitbewerbers ernsthaft beeinträchtigen will, entspricht ständiger Rechtsprechung (8 ObA 122/01a = RdW 2002/94; 4 Ob 196/01d = ÖBl-LS 2002/36 - Radiomoderatoren; 4 Ob 290/02d = SZ 2003/12).

Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren unter Berücksichtigung der von der Klägerin angebotenen Bescheinigungsmittel Feststellungen zu treffen haben, die eine Beurteilung darüber zulassen, ob die Beklagte Dienstnehmer der Klägerin - darunter auch Klaus S***** - planmäßig abgeworben hat, um den Geschäftsbetrieb der Klägerin ernsthaft zu beeinträchtigen oder um Zugang zu Unternehmensgeheimnissen zu erhalten, um sich deren Erfahrungen und Leistungen nutzbar zu machen.

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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