OGH 4Ob196/01d

OGH4Ob196/01d25.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****gmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Haslinger, Nagele & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 450.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 28. Juni 2001, GZ 3 R 126/01x-10, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass keine Rechtsprechung zum Abwerben von Radiomoderatoren bestehe. Radiomoderatoren seien mit anderen Berufsgruppen nicht vergleichbar, weil die "Gunst und Werbewirksamkeit" eines Radiosenders von der Medienwirksamkeit seiner Moderatoren abhänge. Keine Rechtsprechung bestehe auch zur Frage, wie sich Abwerbemaßnahmen bei einem ganz eng begrenzten Marktbereich oder Marktsegment auswirkten. Die Sittenwidrigkeit müsse insoweit strenger beurteilt werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin zeigt damit Besonderheiten des zu beurteilenden Sachverhalts auf; sie zieht aber nicht in Zweifel, dass die für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit von Abwehrmaßnahmen erarbeiteten Grundsätze auch im vorliegenden Fall von Bedeutung sind. Danach ist das Abwerben von Beschäftigten eines Mitbewerbers grundsätzlich erlaubt; es verstößt aber dann gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG, wenn verwerfliche Mittel angewendet oder verwerfliche Ziele verfolgt werden (stRspr ÖBl 1997, 158 - S-Powerfrauen mwN).

Dass die Beklagte verwerfliche Mittel angewandt hätte, wird nicht behauptet; verwerfliche Ziele werden dann verfolgt, wenn Mitarbeiter eines Mitbewerbers planmäßig abgeworben werden, um den Geschäftsbetrieb des Mitbewerbers ernsthaft zu beeinträchtigen oder um dessen Leistungen und Erfahrungen nutzbar zu machen. Für die Sittenwidrigkeit genügt es, wenn diese Auswirkungen in Kauf genommen werden (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht22 § 1 dUWG Rz 588 f mwN).

Werden besonders wichtige Mitarbeiter eines Unternehmens (Schlüsselkräfte) abgeworben, gilt nichts Anderes. Auch in diesem Fall ist ein auf ordnungsgemäße Lösung des Arbeitsverhältnisses gerichtetes Abwerben nicht unlauter, solange nicht besondere Umstände hinzutreten (Baumbach/Hefermehl aaO § 1 dUWG Rz 586). Solche Umstände liegen (ua) vor, wenn fremde Beschäftigte planmäßig abgeworben werden, um den Mitbewerber zu schädigen.

Die zur Annahme unlauterer Behinderung nötige Schädigungsabsicht kann sich darin zeigen, dass der zur Kündigung veranlasste Spezialist für das neue Unternehmen gar nicht benötigt wird, dem Abwerbenden es also nur darauf ankommt, seinen Mitbewerber zu behindern (Baumbach/Hefermehl aaO § 1 dUWG Rz 588). Um unlauter zu sein, muss das Vorgehen demnach eine wettbewerbliche Kampfmaßnahme sein, die erkennen lässt, dass der Abwerbende den Mitbewerber durch planmäßiges Ausspannen eingearbeiteter Arbeitskräfte schädigen will (ÖBl 1997, 158 - S-Powerfrauen mwN).

Die Frage, ob der Abwerbende in Schädigungsabsicht handelt, kann eine Rechts- oder eine Tatfrage sein. Wird aus dem Verhalten des Abwerbenden auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Schädigungsabsicht geschlossen, so wird damit der festgestellte Sachverhalt rechtlich beurteilt; wird hingegen - wie im vorliegenden Fall - aufgrund von Bescheinigungsmitteln festgestellt, dass der Abwerbende nur an den Personen selbst und an deren hoher Qualifikation interessiert war und den Geschäftsbetrieb seines Mitbewerbers nicht schädigen wollte, so liegt eine Tatsachenfeststellung vor. Um eine Tatsachenfeststellung wirksam zu bekämpfen, muss dargelegt werden, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird, auf Grund welcher Beweis- ergebnisse und Erwägungen diese begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (Kodek in Rechberger, ZPO2 § 471 Rz 8 mwN).

Die Klägerin hat sich in ihrem Rekurs nur in der Rechtsrüge mit der vom Erstgericht verneinten Schädigungsabsicht der Beklagten befasst. Daraus muss - wie die Klägerin zu Recht ausführt - noch nicht folgen, dass keine wirksame Beweisrüge erhoben wurde; die Ausführungen in der Rechtsrüge müssen aber den Anforderungen entsprechen, die eine gesetzmäßige Beweisrüge erfüllen muss.

Die Klägerin hat in ihrem Rekurs (Punkt III lit e und f) dargelegt, dass es der Beklagten auf die Publikumsgunst der abgeworbenen Moderatoren angekommen sei. Publikumsgunst heiße, dem Konkurrenten Radiohörer und Werbekunden abzujagen. Der bescheinigte Sachverhalt sei rechtlich richtig dahin zu beurteilen, dass die Beklagte die bekanntesten Moderatoren der Klägerin zu sich hinübergezogen habe, um ihre Marktposition einerseits zu verbessern und um andererseits die Klägerin wirtschaftlich zu schädigen.

Die Klägerin hat damit nur die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts und nicht auch die Feststellung bekämpft, dass die Beklagte nur an der Verbesserung ihrer Marktposition interessiert gewesen sei und nicht auch die Schädigung des Geschäftsbetriebs der Klägerin bezweckt habe. Das Rekursgericht hatte diese Feststellung demnach nicht zu überprüfen; sie ist - wie das Rekursgericht zu Recht hervorhebt - bindend und hindert eine Beurteilung des Verhaltens der Beklagten als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.

Es ist daher nicht richtig, dass - wie die Klägerin behauptet - dem Rekursgericht ein krasser Denkfehler unterlaufen wäre. Die Klägerin hat nach ihrem eigenen Rechtsmittelvorbringen ihren Anspruch primär darauf gestützt, dass die Beklagte durch das planmäßige Abwerben von Schlüsselmitarbeitern den Geschäftsbetrieb der Klägerin massiv und vorsätzlich beeinträchtigt bzw geschädigt habe; es ist ihr aber nicht gelungen, einen Sachverhalt zu bescheinigen, der eine solche Beurteilung zuließe.

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