OGH 1Ob186/05t

OGH1Ob186/05t22.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Stefanie S*****, geboren am 22. März 1988, und der mj Irene S*****, geboren am 5. August 1990, beide *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Friedrich S*****, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Juni 2005, GZ 45 R 135/05v-24, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 17. Jänner 2005, GZ 7 P 110/04k-15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Revisionsrekurswerber ist der Vater der beiden Unterhalt begehrenden Minderjährigen. Die häusliche Gemeinschaft der Eltern ist aufgehoben. Die Kinder werden im Haushalt der Mutter betreut. Eine ziffernmäßig festgesetzte Unterhaltsverpflichtung des Vaters bestand vorerst nicht.

Am 18. 5. 2004 beantragten die Kinder, ihren Vater ab 1. 12. 2003 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von EUR 344 für Stefanie und EUR 309 für Irene zu verpflichten.

Der Vater sprach sich gegen die begehrte Unterhaltsfestsetzung aus und verwies auf seine noch bis Mai 2008 laufenden Verpflichtungen aus einem Zahlungsplan im Rahmen eines Schuldenregulierungsverfahrens. Die laut Zahlungsplan zu leistenden Raten würden die Unterhaltsbemessungsgrundlage verringern.

Über das Vermögen des Vaters wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Auf Grund des rechtskräftig bestätigten Zahlungsplans ist er verpflichtet, ab 1. 5. 2003 monatlich EUR 267 für die Dauer von fünf Jahren zu leisten. Nach Rechtskraft der Bestätigung des Zahlungsplans wurde das Schuldenregulierungsverfahren am 11. 3. 2003 gemäß § 196 KO aufgehoben. Das monatliche durchschnittliche Pensionseinkommen des Vaters beträgt EUR 1.722 netto (inklusive anteiliger Sonderzahlungen).

Das Erstgericht ging nach Abzug der laut Zahlungsplan zu leistenden 267 EUR von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von EUR 1.455 aus und setzte die Unterhaltsverpflichtung ab 1. 1. 2004 mit monatlich EUR 285 für Stefanie und EUR 256 für Irene fest. Die Entscheidung über den für Dezember 2003 zu leistenden Unterhalt 1. 12. 2993 bis 31. 12. 2003 wurde einer gesonderten Beschlussfassung vorbehalten.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Dem Unterhaltspflichtigen würden EUR 914 monatlich durchschnittlich verbleiben, sodass die Deckung seiner notwendigen eigenen Bedürfnisse gesichert sei. Eine Bemessung des Unterhalts derart, dass der Unterhaltszuspruch nur innerhalb der Differenz der Existenzminima nach § 291b Abs 2 EO und § 291a EO erfolgen könne - wie vom Rekurswerber angestrebt -, sei im vorliegenden Fall nicht vorzunehmen; die vom Erstgericht ausgemessenen Unterhaltsbeträge seien nach den Kriterien des § 140 ABGB angemessen.

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach einer neuen und bereits herrschenden Judikatur, die zunächst nur die Frage behandelte, ob gewährte Unterhaltsvorschüsse (Titelvorschüsse) gem. § 19 iVm § 7 UVG herabzusetzen seien, weil auf Grund der Konkurseröffnung begründete Bedenken gegen das Weiterbestehen der Unterhaltspflicht in Höhe des bisherigen Unterhaltstitels bestünden, wirkt sich die Konkurseröffnung typischerweise nicht nur auf die Einbringlichkeit des Unterhalts aus, sondern vermindert auch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners. Vom erzielbaren Einkommen verbleibe ihm nur das Existenzminimum (§ 291a EO). Für die Tilgung der Unterhaltsschulden stehe damit nur die Differenz zwischen Existenzminimum und Unterhaltsexistenzminimum (§ 291b EO), zur Verfügung. Der Unterhaltsvorschuss sei folglich herabzusetzen, wenn er die Differenz zwischen Existenzminimum und Unterhaltsexistenzminimum (ausgehend vom Durchschnittseinkommen eines Arbeiters) übersteige (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3, 51; JBl 2003, 461; 1 Ob 38/02y). Diese Judikatur wurde auf das Unterhaltsbemessungsverfahren übertragen: Da nur das eine bescheidene Lebensführung ermöglichende Existenzminimum nicht in die Konkursmasse falle und über die unpfändbaren Freibeträge hinausgehende Einkommensbestandteile in die Konkursmasse einzubeziehen seien, stehe während des Konkursverfahrens den Unterhaltsgläubigern für ihre Ansprüche nur jene Einkommensportion zur Verfügung, die den Differenzbetrag zwischen dem Existenzminimum nach § 291a EO und dem Unterhaltsexistenzminimum nach § 291b Abs 2 EO nicht übersteige. Der Unterhaltsanspruch könne nur in Höhe dieses Differenzbetrags bestehen (6 Ob 284/02m; 8 Ob 50/04t = EvBl 2005/1).

Die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens ist der Konkurseröffnung gleich zu halten (1 Ob 86/04k = JBl 2004, 730 mwN). Dennoch ist die wiedergegebene Judikatur auf den vorliegenden Sachverhalt schon deshalb nicht anwendbar, da das den Unterhaltspflichtigen betreffende Schuldenregulierungsverfahren bereits seit 11. 3. 2003 (somit schon vor Beginn des verfahrensgegenständlichen Unterhaltsbemessungszeitraums) gem § 196 Abs 1 KO aufgehoben worden war. Mit Rechtskraft der Aufhebung fallen die mit diesem Verfahren verbundenen Beschränkungen der Rechtsstellung des Schuldners weg; er wird wieder voll verfügungsfähig. Nach Aufhebung eines Schuldenregulierungsverfahrens gelten auch für die Unterhaltsbemessung die allgemeinen Regelungen wieder uneingeschränkt (vgl Schwimann/Kolmasch, aaO, 53; EF 65.230). Seit dem Aufhebungsbeschluss konnte der unterhaltspflichtige Vater sein Pensionseinkommen - abzüglich der ohnedies berücksichtigten, auf den Zahlungsplan entfallenden monatlichen Raten - für seine eigenen Zwecke verbrauchen. Ein Grund, die unterhaltsberechtigten Kinder an diesem Einkommen nicht im Rahmen der sogenannten „Prozentkomponente" teilhaben zu lassen, sondern sie mit ihren Ansprüchen auf die Differenz zwischen dem Existenzminimum und dem Unterhaltsexistenzminimum einzuschränken, ist nicht ersichtlich.

Da eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht vorliegt, ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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