Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Im Strafverfahren AZ 291 Ur 360/04h des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gegen Ivan M***** und weitere Beschuldigte wurde mit Beschluss vom 28. Oktober 2004 das „I*****" zum Sachverständigen bestellt und diesem die Obduktion der Leiche des Miroslav M***** sowie die Erstattung von Befund und Gutachten über die Todesursache aufgetragen (S 1 unten, 1a). Am 19. Jänner 2005 überreichte der Sachverständige Dr. Wolfgang D***** das Obduktionsgutachten (ON 11) und die Kostennote (ON 13) samt einem Schreiben (S 67) des Inhaltes, er habe der Medizinischen Universität Wien (MUW) für die Inanspruchnahme der Räumlichkeiten und des Personals „vollen Kostenersatz" zu leisten, wobei seitens der Universität 565 Euro pro Obduktion gefordert werden. Laut einer mit „Kostenersatz 2004" betitelten Aufstellung der MUW (S 69) setze sich dieser Betrag - ohne Reagenzien - aus folgenden Einzelposten zusammen:
jeweils Kostenersatz für
Personal, Desinfektionsmittel, Wäsche 248 Euro
Prosekturgehilfe 90 Euro
Fotograf 51 Euro
Seziersaal 75 Euro
Infrastruktur 28 Euro
Geräte 22 Euro
Summe 514 Euro
Overheadanteil MUW (10 %) 51 Euro
Der Sachverständige setzte diesen Betrag in seiner Gebührennote als „Kostenersatz lt. beiliegender Aufstellung und Forderung der MUW" unter Hinweis auf § 31 GebAG an und begehrte den Zuspruch von Gebühren in einer Gesamthöhe von 1.238,07 Euro (exklusive Umsatzsteuer).
Nachdem die Staatsanwaltschaft Wien eine pauschal „ablehnende Stellungnahme" gegen den Zuspruch des „nach § 31 GebAG in der Gebührennote vom 17. Jänner 2005 veranschlagten Betrages von 565 Euro abgegeben hatte, bestimmte die Untersuchungsrichterin die Gebühren mit Beschluss vom 1. März 2005, GZ 291 Ur 360/04h-14, in Höhe von 915,70 Euro und wies das Mehrbegehren in Höhe von 678 Euro mit der Begründung ab, das Gutachten sei unter Zuhilfenahme der Spitalseinrichtung des Instituts für gerichtliche Medizin erstattet worden, welchem für „die Benützung eigener Geräte jedoch vom Gericht kein Gebührenanspruch" zustehe.
Das Oberlandesgericht Wien gab der sich gegen den abweislichen Teil des Beschlusses wendenden Beschwerde des Sachverständigen Dr. Wolfgang D***** (S 99 f) mit Beschluss vom 14. April 2005, AZ 21 Bs 90/05x (ON 17), Folge und erkannte dem Sachverständigen an „unumgänglich notwendigen sowie sonstigen Kosten weitere 678 Euro (darin enthalten 113 Euro USt)" zu. Begründend führte es aus, dass in „analoger Anwendung" der Bestimmungen des § 27 Abs 3 Universitätsgesetz 2002 vom Sachverständigen an die Universität zu leistende Kosten (deren nicht unbeträchtliche Höhe einer Überprüfung im Strafverfahren nicht zugänglich sei) dem Sachverständigen „teilweise für Arbeitsleistungen von Hilfskräften" (§ 30 Z 1 GebAG), „teilweise als sonstige Kosten iSd § 31 GebAG" zu ersetzen seien (S 3 f der Beschwerdeentscheidung).
Nach Ansicht der Generalprokuratur verletzt dieser Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 30, 31 und 39 Abs 1 GebAG. Sie führt hiezu aus:
Die Entscheidung über den Umfang des Gebührenanspruchs eines Sachverständigen für seine Tätigkeit in gerichtlichen Verfahren ist in Anwendung des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 zu treffen (§ 1 GebAG). Aus der vom Oberlandesgericht zitierten Regelung des § 27 UG 2002 ist für den Anspruchsumfang nichts zu gewinnen. Diese mit „Vollmachten" überschriebene Norm betrifft die Berechtigung des Leiters einer Organisationseinheit, im Namen der Universität und im Zusammenhang mit deren Aufgaben Verträge über die Durchführung wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeiten sowie über Untersuchungen und Befundungen im Auftrag Dritter abzuschließen, soweit sie der wissenschaftlichen Forschung dienen (Abs 1 Z 3 1. c.); im Abs 3 der Norm wird allgemein verfügt, dass für die Inanspruchnahme von Personal- und Sachmitteln der Universität zur Durchführung von Forschungsaufträgen oder künstlerischen Arbeiten im Auftrag Dritter voller Kostenersatz an die Universität zu leisten ist.
Der Umstand, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger bei seiner Tätigkeit Hilfskräfte und Arbeitsmittel benützt, die nicht seiner wirtschaftlichen Disposition unterliegen, sondern von einer anderen Person auf privatrechtlicher Basis gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden, vermag das genannte Entgelt keineswegs zu einem für das Gericht unüberprüfbaren Gebührenbestandteil zu machen und einen entsprechenden (pauschalen) Gebührenanspruch des Sachverständigen zu begründen. Das Gericht hat vielmehr eine Pauschalforderung - mag sie auch durch Mitteilung von Kalkulationsfaktoren rechnerisch aufgeschlüsselt sein - unter Heranziehung der §§ 30 und 31 GebAG in concreto zu prüfen und nicht bloß abstrahierend einer möglichen Anspruchsgrundlage zuzuordnen. Demgemäß sind vom geforderten Betrag zunächst jene Kosten für Hilfskräfte soweit zu ersetzen, als deren Beiziehung nach Art und Umfang der Tätigkeit unumgänglich notwendig war und soweit sie das übliche Ausmaß nicht übersteigen. Hinsichtlich der verbleibenden Forderung ist zu entscheiden, ob es sich dabei um die mit der Sachverständigentätigkeit notwendigerweise verbundenen Kosten handelt (§ 31 GebAG), wobei die Notwendigkeitsprüfung auch die Frage umfasst, inwieweit der Sachverständige bei zumutbarer wirtschaftlicher Sorgfalt die Obduktion, Befundung und Begutachtung mit einem niedrigeren Kostenaufwand hätte bewerkstelligen können. Dabei muss auch beachtet werden, dass die mit der Tätigkeit eines Sachverständigen „notwendigerweise" verbundenen Kosten nur jene Fremdleistungen erfassen können, die auch von einem Sachverständigen in Anspruch genommen werden müssen, der mit der üblichen Grundausstattung für seinen Fachbereich versehen ist (in diesem Sinne auch Krammer/Schmidt SDG/GebAG³ E 87 zu § 31).
Die gerichtliche Überprüfung derartiger Ersatzforderungen wird um so genauer erfolgen müssen, je pauschaler die Fremdleistungen bezeichnet werden, je weiter die Pauschalierung von einer Einzelleistung entfernt scheint und je auffälliger sie von gesetzlichen Vorgaben oder Erfahrungswerten abweicht. Hiezu mag der Hinweis genügen, dass in der Kostenersatzaufstellung der medizinischen Universität Wien der Ersatz „Prosekturgehilfe" mit einem höheren Betrag aufscheint, als das Gebührenanspruchsgesetz dem gerichtlichen Sachverständigen für eine Leichenöffnung samt Befund und Gutachten (§ 43 Abs 1 Z 2a). Schon das Erstgericht wäre bei dieser Sachlage verpflichtet gewesen, die Gebührenforderung „Kostenersatz laut Forderung der MUW" nach den dargelegten Kriterien zu prüfen sowie insbesondere auch den Sachverständigen vor Beschlussfassung gemäß § 39 Abs 1 dritter Satz GebAG aufzufordern, sich über diese für die Gebührenbestimmung bedeutsamen Umstände zu äußern und Bescheinigungen (§ 38 Abs 2 GebAG) über das Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme von Personal- und Sachressourcen vorzulegen. Das Beschwerdegericht hätte ohne erweiterte Basis für die Beurteilung der nach §§ 30, 31 GebAG maßgeblichen Faktoren keine endgültige Entscheidung treffen dürfen.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat hiezu erwogen:
Nachdem der Sachverständige anlässlich seines Auftrages durch das Gericht dieses darüber informiert hatte, dass mit einem Anfallen der verfahrensgegenständlichen durch die Medizinische Universität Wien (MUW) geforderte Kosten zu rechnen sein werde (ON 5), legte der Sachverständige anlässlich der Übersendung seines schriftlichen Gutachtens (ON 11) Kostennote (ON 13) wobei er zu der ihm verzeichneten Forderung dahin Stellung nahm (ON 10), dass er für die „Inanspruchnahme der Räumlichkeiten und des Personals der MUW" (in der Beschwerdeschrift ON 15: „die in Anspruch genommenen Ressourcen") vollen Kostenersatz leisten müsse, wobei er auf die von ihm angeschlossene, in sieben Kostenersatzpositionen aufgegliederte Aufstellung verwies, denen eine durchschnittliche Obduktionsdauer von zwei Stunden (Annahme 2004 mangels Aufzeichnungen in diesem Jahr, siehe Beilage zur Beschwerde ON 15, S 109) zugrundegelegt war.
Im Hinblick auf diese ausführliche Stellungnahme des Sachverständigen
und die von ihm bekundete Notwendigkeit der Benützung dieser
Ressourcen - der Zeitaufwand wurde vom Sachverständigen inhaltlich
seines Vorbringens ebenfalls bestätigt - und unter Berücksichtigung
der weiteren Erläuterungen in seiner Gebührenbeschwerde ON 15, dass
die Beträge nicht als Fixkosten (Pauschalkosten), sondern als
variable Kosten pro Obduktion anzusehen seien, kann der von der
Wahrungsbeschwerde vertretenen Meinung, das Beschwerdegericht hätte
(auch) den Sachverständigen vor Beschlussfassung gemäß § 39 Abs 1
dritter Satz GebAG aufzufordern gehabt, sich (neuerlich) über die für die Gebührenbestimmung bedeutsamen Umstände der Notwendigkeitsprüfung der Inanspruchnahme von Fremdleistungen und deren Ausmaß und Zeitdauer und über die Kostenaufgliederung zu äußern sowie (weitere), über die vorgelegte Aufstellung der MUW hinausgehende, Bescheinigungen (§ 38 Abs 2 GebAG) - deren Art die Wahrungsbeschwerde offen lässt - über das Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme von Personal- und Sachressourcen darzutun, nicht beigetreten werden. Es ist dem Sachverständigen nicht zuzumuten, eine aufklärende Stellungnahme der MUW über deren Personalkosten bzw der Kalkulation im Einzelnen und - wie von der Beschwerde angesprochen - allenfalls dazu einzuholen, aus welchen Gründen der Kostenersatz für den Prosekturgehilfen (90 Euro Lohn inklusive Lohnnebenkosten) höher sei, als das GebAG dem gerichtlichen Sachverständigen für eine Leichenöffnung samt Befund und Gutachten zugestehe (§ 43 Abs 1 Z 2 GebAG).
Aber auch die Forderung nach einer Bescheinigung - auch deren Art lässt die Wahrungsbeschwerde offen - dahin, ob der Sachverständige allenfalls andere Räumlichkeiten zur Durchführung einer Obduktion, zu einer solchen geeignetes Hilfspersonal und das benötigte Material preisgünstiger (unter Berücksichtigung der Leichentransporte) heranziehen hätte können, überschreitet die Grenze der Zumutbarkeit. Zutreffend hat daher das Oberlandesgericht Wien, ausgehend von den belegten Erläuterungen des Sachverständigen, gegen deren Richtigkeit keine Bedenken ersichtlich waren, dessen Gebühren ohne weiteres Aufklärungsverfahren bestimmt. In diesem Vorgehen können daher die behaupteten Gesetzesverletzungen nicht gefunden werden.
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