Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidungen über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten B***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil, das auch eine unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Verurteilung der Ursula G***** wegen der in der Folge unter I 1 bis I 5 genannten Verbrechen und Vergehen als Täterin durch sonstigen Beitrag gemäß § 12 dritter Fall StGB enthält, wurde Helmut B***** der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 60/1974 (I 1), der Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 60/1974, teilweise iVm § 15 StGB (I 2), der Vergehen der versuchten Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 1 StGB (I 3), der Vergehen des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (I 4), der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (I 5), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 242/1989 (I 6) und des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er in Linz
I 1) vom Herbst 1988 bis Herbst 1993 in zahlreichen Fällen mit seiner am 31. Dezember 1983 geborenen, sohin damals unmündigen Tochter Melanie G***** den außerehelichen Beischlaf unternommen, indem er sich auf sie legte und mit dem auf Penetration gerichteten Vorsatz versuchte, seinen Penis in deren Scheide einzuführen;
2) zwischen Herbst 1988 und Herbst 1993 in zahlreichen Fällen, teilweise fast täglich, die am 31. Dezember 1983 geborene, sohin damals unmündige Melanie G***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht bzw zu missbrauchen versucht bzw zu einer unzüchtigen Handlung mit einer anderen Person missbraucht, und zwar:
a) indem sie im angeführten Zeitraum in zahlreichen Fällen einen Oral- und Handverkehr an ihm durchführen musste;
- b) er 1989 oder 1990 einen Analverkehr an ihr durchführte;
- c) er 1990 oder 1991 in mehreren Fällen einen Finger in deren Scheide einzuführen versuchte;
- d) er 1990 oder 1991 einen Finger in deren Scheide einführte;
- e) indem er im Jahr 1988 deren Hand zum Schambereich deren Mutter Ursula G***** führte und Melanie G***** aufforderte, diese zu befriedigen;
f) sie im Frühjahr 1988 wiederholt aufforderte, seinen Penis während des Geschlechtsverkehrs mit Ursula G***** zu berühren, wobei Melanie G***** diesen Aufforderungen nachkam,
wobei die Tathandlungen zu I 1 und 2 eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Melanie G*****, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung mit schwerwiegenden seelischen Störungen und einer andauernden Persönlichkeitsänderung zur Folge hatten;
3) in Tateinheit zu I 1 versucht, mit seiner leiblichen Tochter Melanie G***** den Beischlaf zu vollziehen;
4) in Tateinheit zu I 1 und 2 sein minderjähriges Kind Melanie G***** zur Unzucht missbraucht;
5) im Jahr 1988 wiederholt vor der am 31. Dezember 1983 geborenen Melanie G***** mit Ursula G***** den Beischlaf vollzogen, sohin eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen;
6) in Tateinheit zu I 2 a zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt etwa im Jahr 1990 außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB bei einer der unter Punkt I 2 a angeführten Tathandlungen Melanie G***** mit Gewalt, indem er sie am Hinterkopf festhielt und trotz deren Gegenwehr deren Mund gegen seinen Penis drückte, zur Vornahme eines Oralverkehrs, somit einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, genötigt;
II) im Juni 2003 Melanie und Thomas G***** durch eine gegenüber seiner Tochter Claudia G***** telephonisch geäußerte Mitteilung, dass er Melanie und Thomas G***** ins Grab bringen werde, wenn es zu einer Verhandlung komme, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tode, zu einer Handlung, nämlich zu einer Änderung deren bisherigen Aussageverhaltens im gegen ihn anhängigen Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs an Melanie G*****, zu nötigen versucht. Die Geschworenen hatten sämtliche anklagekonformen Hauptfragen bejaht; Zusatz- oder Eventualfragen waren ihnen nicht vorgelegt werden.
Rechtliche Beurteilung
Die aus Z 5, Z 6 und Z 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.
Der Erledigung der Verfahrensrüge (Z 5) ist voranzustellen, dass über die Sachverhaltsgrundlage einer prozessualen Verfügung das dafür zuständige richterliche Organ in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) entscheidet und dies nur nach den Kriterien der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO überprüft werden kann (12 Os 104/03, 11 Os 20/05h ua, jüngst 12 Os 64/05m - jeweils mwN).
Der Schwurgerichtshof hatte den Antrag des Beschwerdeführers (S 89, 91/II), ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Beweise dafür einzuholen, dass er sich im Tatzeitraum aufgrund Alkoholeinflusses in einem die Schuld ausschließenden Zustand befunden habe (sei dem Beweisverfahren doch zu entnehmen, dass er „ein massives Alkoholproblem" hatte), unter anderem mit der Begründung abgewiesen, es lägen keine Indizien für eine volle Berauschung („iSd § 11 StGB") durch Alkohol vor (S 91/II).
Zwar zählt der Nichtigkeitswerber - im Sinne einer Tatsachenrüge - zutreffend Verfahrensergebnisse auf, die auf seinen massiven Alkoholmissbrauch im Tatzeitraum hinweisen (Zeugen Claudia G***** S 49, 61, 63/II, Thomas G***** S 71/II). Diese vermögen indes - berücksichtigt man überdies die von seiner Gattin (S 31, 43/II) bestätigten abschwächenden Angaben des Angeklagten selbst (S 153/I, 11/II) sowie die keinerlei Hinweise auf eine volle Berauschung erkennen lassenden Tatschilderungen des mutmaßlichen Opfers (ON 5) - keine erheblichen Bedenken gegen die der Abweisung des Beweisantrages zugrundegelegte Tatsachenbasis des Mangels an Anhaltspunkten für eine die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit (§ 11 StGB) ausschließenden Rausch zu erwecken. Letztlich zielte dieser Antrag - wie sich aus seiner Untermauerung mit einer Leberoperation (die selbst der Rechtsmittelwerber als mit seinem Alkoholabusus nicht in direktem Zusammenhang stehend ansieht) und der Wendung, „es sei abzuklären, inwieweit der Alkohol bei den vorgeworfenen Taten eine Rolle gespielt hatte" (S 91/II), ergibt - auf eine in der Hauptverhandlung unzulässige Erkundungsbeweisführung ab und konnte daher ohne Verletzung von Verteidigungsrechten (Art 6 EMRK) abgewiesen werden.
Der Antrag des Angeklagten (S 83/II), die Ergebnisse der gemäß § 162a StPO durchgeführten Vernehmung der Zeugin Melanie G***** nicht in die Hauptverhandlung einzuführen, „weil der Angeklagte bei der kontradiktorischen Vernehmung intellektuell und aufgrund seiner Schwerhörigkeit nicht in der Lage gewesen sei, seine Verteidigungsrechte effektiv ausüben zu können, und daher die Voraussetzungen für eine Verlesung nicht vorlägen", hatte der Schwurgerichtshof mit der Begründung abgewiesen, dass der Angeklagte die Möglichkeit hatte, Fragen zu stellen, auch tatsächlich fragte und auf weitere Fragen verzichtete; eine Schwerhörigkeit zum Zeitpunkt der Beweistagsatzung ergäbe sich nicht einmal aus den eigenen Angaben (S 93/II).
Wieder ist das - über weite Strecken rechtstheoretische - Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet, erhebliche Bedenken am Tatsachensubstrat zu erwecken, von dem der Schwurgerichtshof bei seiner Entscheidung gemäß § 252a Abs 1 Z 2a StPO ausging: Denn der Angeklagte legte während der Vernehmung nicht nur eine Urkunde mit aktuellem Bezug vor (S 134/I), sondern stellte auch eine am Vernehmungsthema orientierte sehr zielgerichtete Frage und verzichtete in weiterer Folge ausdrücklich auf weitere Interrogation seiner ihn massiv belastenden Tochter (S 138/I). Zusätzlich ist im gegebenen Kontext von Relevanz, dass der Angeklagte erst im Oktober 2004 ein Hörgerät anschaffte, es aber nur gelegentlich benützte (S 19/II) und auch ohne dessen Verwendung der Hauptverhandlung am 6. und 7. April 2005 zu folgen vermochte (ON 46), wofür schon der Mangel einer in die gegenteilige Richtung weisenden (pflichtgemäßen) Prozesserklärung seines Verteidigers spricht, für den ein derartiges Defizit unschwer erkennbar gewesen wäre. Die Beurteilung des Schwurgerichtshofes hinsichtlich der uneingeschränkten Fähigkeit des Angeklagten, seine essentiellen Parteienrechte - vor allem Fragen zu stellen (Art 6 Abs 3 lit d EMRK; 11 Os 95/01) - bei der Vernehmung am 22. Mai 2003 wahrnehmen zu können, erweist sich somit - dem rein spekulativen Beschwerdestandpunkt entgegen - als frei von Verstößen gegen die grundrechtlich abgesicherten Verfahrensrechte (Art 6 EMRK). Die Vorführung des von der kontradiktorischen Vernehmung ON 5 (bei der sich die Zeugin ausdrücklich - und somit rechtswirksam [11 Os 39/04 ua] - der Aussage in der Hauptverhandlung entschlug, S 138/I) aufgenommen Videofilmes (S 95, 99/II) ist daher zu Recht erfolgt (§§ 162a Abs 4, 252 Abs 1 Z 2a StPO).
Wie weit der Angeklagte gesondert und ausdrücklich „bezüglich Zweck und Konsequenzen einer gemäß § 162a StPO erfolgten kontradiktorischen Vernehmung" belehrt wurde, kann auf sich beruhen. Denn die in diesem Sinne zweifache Information der Zeugin zu § 162a Abs 4 StPO ist ebenso in seiner Gegenwart erfolgt wie deren Erklärung, in der Hauptverhandlung nicht mehr aussagen zu wollen (S 92, 138/I).
Die Fragenrüge (Z 6, inhaltlich teilweise Z 11 lit a) lässt mit der
Forderung, „die Hauptfrage [1] hätte ... eventuelle Probleme mit der
ausführungsnahen Handlung behandeln müssen", außer Acht, dass
keineswegs nach einem versuchten Delikt gefragt wurde, sondern die
Wendung „indem er ... versuchte, seinen Penis in ihre Scheide
einzuführen" (S 127/II) sinnfällig der Konkretisierung (Schindler, WK-StPO § 312 Rz 24) des Tatbestandsmerkmales „(den Beischlaf) unternehmen" diente. Die Behauptung des Nichtigkeitswerbers, „Unternehmen" iSd § 206 StGB liege nur bei „Vollziehen" (des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung) vor, steht im diametralen Widerspruch zum Gesetz und lässt daher schon vom Ansatz her eine juristische Ableitung des Beschwerdestandpunktes vermissen, der sich daher auch einer meritorischen Erwiderung entzieht. Bloß der Vollständigkeit halber (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz, 344 StPO) sei an die seit Jahrzehnten gefestigte Auslegung von § 206 Abs 1 StGB erinnert, wonach für das Unternehmen des Beischlafes das Ansetzen dazu, also ein versuchtes Eindringen genügt (Schick in WK² § 206 Rz 10 mwN).
Diese Argumentation erledigt auch den ersten Einwand der Tatsachenrüge (Z 10a, der Sache nach Z 12), die in der Hauptfrage 1 angeführten Umstände verwirklichten - dem Schuldspruch I 1 entgegen - bloß die Merkmale des versuchten Verbrechens nach § 206 StGB. Wie oft genau die dem Schuldspruch I 1 a zugrundeliegenden Tathandlungen (auf die die Hauptfrage 2 gerichtet war) vorfielen, betrifft bei deren unstrittiger, zahlenmäßig weder in der Anklage noch im Urteil präzisierter sowie nur pauschal individualisierter Vielzahl - der Behauptung des Rechtsmittelwerbers in seinem weiteren Vorbringen aus Z 10a entgegen - keine entscheidende Tatsache (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33; RIS-Justiz RS0116736; 13 Os 142/04, EvBl 2005/99, 435).
Zu den Schuldspruchfakten I 2 c - Hauptfrage 4, I 3 - Hauptfrage 8 (inhaltlich daher auch zu I 1 - Hauptfrage 1) und I 5 - Hauptfrage 10 moniert der Beschwerdeführer in Bezug auf konkrete Stellen in den Akten jeweils bloß einmalige Delinquenz. Erhebliche Bedenken gegen die darin zusammengefassten mehrfache Tatmehrheiten in echter Konkurrenz vermag er damit beim Obersten Gerichtshof nicht hervorzurufen: Denn die ins Treffen geführten Belegstellen stützten nur bei völlig isolierter Betrachtung den Rechtsmittelstandpunkt, nicht aber bei der gebotenen Gesamtschau der Verfahrensergebnisse. Den Angaben der Zeugin Melanie G***** ist nämlich sehr wohl zu entnehmen, der Angeklagte habe mehrmals versucht, sie digital in vaginam zu penetrieren (S 45, 77, 79/I), was ihm aber nur einmal gelungen sei (S 113 f, 127/I). Dies gilt ebenso für die wiederholten Versuche der immissio penis in vaginam (S 77, 105/I; mehrdeutig S 130/I) und schließlich für die erzwungene Anwesenheit beim Geschlechtsverkehr der Eltern (S 45/I; andere Vorfälle offenlassend S 95/I).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit bereits nach nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen (§§ 280, 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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