OGH 8ObS17/05s

OGH8ObS17/05s6.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni und Dr. Christoph Kainz als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Detlef T*****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller, Dr. Markus Orgler, Mag. Norbert Huber, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei IAF Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 1.000,-- Insolvenz-Ausfallgeld, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. April 2005, GZ 23 Rs 9/05b-11, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Oktober 2004, GZ 47 Cgs 159/04t-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 266,69 (darin enthalten EUR 44,45 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 3. Juni bis 8. Juli 2003 beim späteren „Gemeinschuldner" als Arbeiter beschäftigt und verwendete vereinbarungsgemäß sein eigenes Werkzeug, insbesondere Bohrmaschinen, Akkuschrauber, Winkelschleifer, Stichsägen, Handkreissägen, Handelektroschleifer und diverses Kleinwerkzeug. Nach einer fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger keinen Zugang zum Baucontainer, wodurch ihm das genannte Werkzeug verloren ging, das unstrittig einen Wert von jedenfalls EUR 1.000,-- hat.

Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld wurde auch insoweit abgewiesen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger EUR 1.000,-- an Insolvenz-Ausfallgeld und stützt sich im Wesentlichen darauf, dass er sein Werkzeug nicht mehr erlange und ihm daher der Arbeitgeber den Schaden zu ersetzen habe. Dieser sei auch zum Schutz der eingebrachten Gegenstände verpflichtet.

Die Beklagte bestritt, beantragte die Klageabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass nur die in einem äußeren und inneren sachlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Ansprüche gesichert sein könnten, nicht aber das Einbringen von Betriebsmitteln, die typischerweise vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen seien. Insoweit sei der Kläger schon als Mitarbeiter anzusehen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich zusammengefasst, dass die geltend gemachten Ansprüche nur als „sonstige Ansprüche im Sinne des § 1 Abs 2 Z 3 IESG gesichert sein könnten, dies aber erfordere, dass der Entstehungsgrund im Arbeitsverhältnis liege. Dies könne aber nicht für Aufwendungen gelten, die regelmäßig dem Arbeitnehmer nicht im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung entstehen, weil Betriebsmittel typischerweise vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil im klagsstattgebenden Sinne ab. Es ging dabei rechtlich davon aus, dass das Klagebegehren als gesicherter Schadenersatzanspruch berechtigt sei. Habe doch der Arbeitgeber für das zur Verfügung gestellte Werkzeug ein eigenes Werkzeugpauschale bezahlt, woraus sich der sachliche Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis ableiten lasse. Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers resultiere auch die Verpflichtung, die vom Arbeitnehmer eingebrachten Gegenstände sicher zu verwahren und bei der Beendigung auszufolgen. Dieser Verpflichtung sei aber der Arbeitgeber nicht nachgekommen. Der daraus resultierende Schadenersatzanspruch sei entsprechend § 1 Abs 2 Z 2 IESG gesichert.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als nicht zulässig.

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt die Beklagte auf, dass eine Rechtsprechung zum Fall des Ersatzes von vom Arbeitgeber nicht ausgefolgten Werkzeugen des Arbeitnehmers nicht vorliegt.

Nach stRsp sind unter „Schadenersatzansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis" im Sinne des § 1 Abs 2 Z 2 IESG nur solche Ansprüche zu verstehen, die mit dem Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Hauptpflichten und Nebenpflichten in einem solchen Sachzusammenhang stehen, dass davon ausgegangen werden kann, die Ansprüche hätten ihren Entstehungsgrund letztlich im Arbeitsverhältnis (vgl RIS-Justiz RS0076382 mwN zuletzt 8 ObS 4/03a). Geht es doch nach den Regelungen des IESG auch darum, eine sozialversicherungsrechtliche Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen vom Arbeitnehmer im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers vorzunehmen, die typischerweise vom Arbeitnehmer nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahren im Zusammenhang mit dem teilweisen Verlust der Entgeltansprüche umfasst (vgl RIS-Justiz RS0076409 muwN zuletzt 8 ObS 3/04f). Hinzuweisen ist nun zwar darauf, dass dann, wenn im IESG eine „speziellere" Regelung besteht, nicht auf die „allgemeinere" Regelung betreffend allfällige Schadenersatzansprüche nach § 2 Abs 2 Z 2 IESG zurückgegriffen werden kann (vgl OGH 30. 5. 2005 8 ObS 21/05f). Hier lag zwar vorweg der Anspruch des klagenden Arbeitnehmers in der Herausgabe seines Arbeitsgerätes. Aufgrund der Feststellungen ist aber davon auszugehen, dass dieses Arbeitsgerät verloren gegangen ist. Damit liegt aber ein Schadenersatzanspruch vor. Dieser steht in einem Konnex zum Arbeitsverhältnis, weil er aus der Verletzung der aus der Fürsorgepflicht abgeleiteten Verpflichtung des Arbeitgebers zur sorgfältigen Verwahrung von vom Arbeitnehmer in den Betrieb eingebrachten Eigentum (vgl dazu Schrammel Arbeitsrecht 25, 192; Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht I4,335) ableitbar ist. Dass der Gesetzgeber einen ausreichenden Konnex zum Arbeitsverhältnis annimmt, ist im Übrigen auch aus der Bestimmung des § 61 Abs 2 Z 3 ASGG, die ausdrücklich dem Arbeitnehmer herauszugebende „Gegenstände" umfasst, ableitbar. Dass Arbeitnehmer am Bau fallweise in geringfügigem Umfang auch eigenes Arbeitsgerät verwenden, kann dementsprechend nicht als völlig atypisch angesehen werden. Dies unterscheidet die vorliegende Konstellation von dem vom Obersten Gerichtshof ein seiner Entscheidung vom 12. 4. 2001 zu 8 ObS 77/01h behandelten Fall der mangelnden Absicherung von Büromieten, weil damit Aufwendungen erfasst sind, die grundsätzlich nicht von Arbeitnehmern getragen werden.

Insgesamt war daher der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG.

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