Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 300,10 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 50,02 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war seit 15. 6. 1992 als Vertragsbedienstete bei der Beklagten beschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde mit Ablauf des 12. 3. 2004 nach einer seit 12. 3. 2003 andauernden krankheitsbedingten Dienstverhinderung der Klägerin gemäß § 51 Abs 8 des Tiroler L-VBG gelöst. Den Urlaub für das Jahr 2002 im Ausmaß von 134 Stunden verbrauchte die Klägerin bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses nicht.
Die Klägerin begehrt 1.652 EUR brutto an Urlaubsersatzleistung für 2002. Ein Verbrauch des Urlaubs sei ihr bis zum Beginn ihrer Erkrankung aus dienstlichen Gründen und danach bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses krankheitsbedingt nicht möglich gewesen.
Die beklagte Partei wendet ein, der Klägerin gebühre für 2002 gemäß § 62 L-VBG keine Urlaubsersatzleistung. Ihr Anspruch auf Erholungsurlaub für das Jahr 2002 sei mit Ablauf des 31. 12. 2003 verfallen. Dienstliche Gründe seien einem Urlaubsverbrauch nicht entgegengestanden.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von brutto 1.602,20 EUR und wies ein Mehrbegehren von 49,80 EUR brutto unbekämpft ab. Es erachtete rechtlich, dass sich § 60 L-VBG zwar von § 4 Abs 5 UrlG unterscheide, dass aber die Bestimmungen des ABGB hinsichtlich der Hemmung von Fristen anzuwenden seien. Da die Klägerin seit Beginn ihres Krankenstandes (12. 3. 2003) bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses keinen Urlaub habe in Anspruch nehmen können, sei Hemmung der Verjährung eingetreten.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung des § 60 des Tiroler L-VBG fehle. Gemäß § 60 erster Satz des Tiroler L-VBG verfalle der Anspruch auf Erholungsurlaub, wenn der Vertragsbedienstete den Erholungsurlaub nicht bis zum 31. Dezember des dem Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verbraucht habe. Der Fall einer krankheitsbedingten Unmöglichkeit eines Urlaubsverbrauches sei weder in § 4 Abs 5 UrlG noch in § 60 Tiroler L-VBG geregelt. Diese Regelungslücke sei in der Rechtsprechung im Fall des § 4 Abs 5 UrlG durch die Annahme einer aus den Bestimmungen der §§ 1494 ff ABGB ableitbaren Hemmung der Verjährungsfrist geschlossen worden. Die Bestimmungen der §§ 1494 ff ABGB über die Hemmung der Verjährung seien - unter Berücksichtigung der jeweiligen Gesetzeszwecke - weitgehend analog auch auf Präklusivfristen anzuwenden.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der beklagten Partei erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
§ 60 des Tiroler L-VBG LGBl Nr 2/2001 regelt - dem § 27h des VBG 1948 nahezu wortgleich - den Verfall des Anspruchs auf Erholungsurlaub wie folgt: „Der Anspruch auf Erholungsurlaub verfällt, wenn der Vertragsbedienstete den Erholungsurlaub nicht bis zum 31. Dezember des dem Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verbraucht hat. Ist der Verbrauch bis zu diesem Zeitpunkt aus dienstlichen Gründen nicht möglich, so verfällt der Anspruch auf Erholungsurlaub erst mit dem Ablauf des diesem Zeitpunkt folgenden Kalenderjahres. Hat der Vertragsbedienstete einen Karenzurlaub nach dem Tiroler Mutterschutzgesetz 1998 bzw dem Mutterschutzgesetz 1979 oder dem Tiroler Eltern-Karenzurlaubsgesetz 1998 in Anspruch genommen, so wird der Verfallstermin um jenen Zeitraum hinausgeschoben, um den dieser Karenzurlaub das Ausmaß von 10 Monaten übersteigt". § 62 Tiroler L-VBG bestimmt in seinem Abs 1, dass dem Vertragsbediensteten bei Beendigung des Dienstverhältnisses für das laufende Kalenderjahr eine Ersatzleistung als Abgeltung für den Erholungsurlaub, der der Dauer der Dienstzeit in diesem Kalenderjahr im Verhältnis zum gesamten Kalenderjahr entspricht, gebührt. Bereits verbrauchter Erholungsurlaub ist auf das aliquote Urlaubsausmaß anzurechnen. Abs 2 leg cit legt die Bemessungsgrundlage der Ersatzleistung fest. Gemäß § 62 Abs 5 Tiroler L-VBG gebührt für nicht verbrauchten Erholungsurlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren eine Ersatzleistung in der Höhe des Monatsentgelts und der Kinderzulage, die dem Vertragsbediensteten während des Erholungsurlaubs zugekommen wären, wenn er den Erholungsurlaub in dem Kalenderjahr verbraucht hätte, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Für bereits verfallenen Erholungsurlaub gebührt keine Ersatzleistung.
Zu § 4 Abs 5 UrlG, der die Verjährung des Urlaubsanspruches nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist, anordnet, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die Verjährung nach dieser Gesetzesstelle die objektive Möglichkeit des Urlaubsverbrauchs voraussetzt. Kann ein Arbeitnehmer infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Urlaub nicht verbrauchen, dann ist die Verjährung des Urlaubsanspruches nach den allgemeinen Grundsätzen des ABGB (§§ 1494 ff) seit Beginn des Krankenstandes gehemmt. Die Verjährungsfrist kann bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ablaufen. Dabei wurde betont, dass der Erholungszweck des Urlaubs durch diese Interpretation nicht gefährdet, sondern gesichert ist: Zwar soll im Allgemeinen wegen der Gefährdung des Erholungszwecks bei Nichtinanspruchnahme des Urlaubs durch längere Zeit das „Horten von Urlaubsansprüchen" durch die Verjährungsbestimmung des § 4 Abs 5 UrlG verhindert werden. Doch ist zu bedenken, dass ein Kranker eben wegen seiner Krankheit keinen Urlaub antreten kann und Krankheit den Urlaub unterbricht. Ein allfälliger Urlaub im Krankenstand hätte keinen Erholungswert. Dem kranken Arbeitnehmer muss trotz Krankheit die notwendige Erholung durch Urlaub gesichert werden. Wegen dieses vorrangigen Erholungszwecks muss in Kauf genommen werden, dass es bei besonders langen Krankenständen ausnahmsweise zu einer Anhäufung von Urlaubsansprüchen kommt; von einem „Horten von Urlaubsansprüchen" kann im Fall der krankheitsbedingten Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauches nicht gesprochen werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass bei Beendigung des Dienstverhältnisses im Krankenstand der Urlaub nicht mehr in Natur genommen werden kann, und dem Arbeitnehmer nur noch die Urlaubsentschädigung zusteht (DRdA 2001/1 [Kuderna] = SZ 73/23; s. auch Reissner in Glosse zu DRdA 2003/4, der im genannten Fall für eine Ablaufshemmung der Verjährung eintritt; ferner Köck, Zur Verjährung nicht verbrauchten Urlaubs, RdW 1988, 96, der die von ihm behandelten Einwände gegen eine Fortlaufshemmung der Verjährung durch Zeiten, in denen Urlaub nicht verbraucht werden kann, ausdrücklich als nicht den Fall der Ablaufshemmung betreffend bezeichnet; ferner Rath, Nichtverbrauch von Urlaub und arbeitsrechtliche Folgen, ASoK 2003, 182).
Die Vorinstanzen haben diese Grundsätze auf die im vorliegenden Fall begehrte Urlaubsersatzleistung, die gemäß § 62 Abs 5 zweiter Satz Tiroler L-VBG derselben Verfallsbestimmung wie der Urlaubsanspruch selbst unterliegt, angewendet.
Die Revision hält dieser Auffassung zum einen entgegen, dass ein Rückgriff auf die bundesrechtlichen Verjährungsvorschriften unstatthaft sei, weil gemäß Art 21 Abs 1 B-VG die Gesetzgebung und Vollziehung in den Angelegenheiten des Dienstrechtes den Ländern obliege. Eine Lückenfüllung des Landesgesetzes durch bundesrechtliche Vorschriften sei nicht zulässig. Zum anderen sei der landesgesetzlich angeordnete Verfall des Urlaubsanspruches und der Urlaubsersatzleistung schon grundsätzlich anders zu beurteilen als die Verjährung; gerade der Sinn einer Präklusivfrist gebiete, lediglich die Unterbrechungsvorschriften für die Verjährung, nicht aber die Hemmungsvorschriften analog anzuwenden.
Beide Argumente sind jedenfalls im Ergebnis nicht stichhältig:
Gemäß Art 21 B-VG obliegt den Ländern die Gesetzgebung und Vollziehung in den Angelegenheiten des Dienstrechtes einschließlich des Dienstvertragsrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Bediensteten der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände, soweit für alle diese Angelegenheiten in näher genannten Artikeln des B-VG nichts anderes bestimmt ist. Gemäß Art 21 Abs 2 B-VG obliegt den Ländern die Gesetzgebung und Vollziehung in den Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes der Bediensteten (Abs 1) und der Personalvertretung der Bediensteten der Länder, soweit die Bediensteten nicht in Betrieben tätig sind.
Den Ländern wurde diese weitgehende, wenn auch zunächst punktuell noch eingeschränkte Zuständigkeit zur Regelung des Dienstrechtes ihres „eigenen" Personals durch die B-VG Nov 1974 übertragen. Um ein Auseinanderklaffen zwischen Bundes- und Landesdienstrecht im Interesse der Mobilität von Beamten zu verhindern, wurde als Ersatz für die mit dieser Novelle beseitigte Grundsatzkompetenz des Bundes das sogenannte „Homogenitätsgebot" geschaffen (Art 21 Abs 1 zweiter Satz B-VG idF der Nov 1974).
Mit der B-VG Nov BGBl I 1999/8 wurde die Länderzuständigkeit gegenüber der durch die B-VG Nov 1974 geschaffenen Rechtslage noch maßgeblich erweitert: So wurde die Kompetenzbeschränkung auf dem Gebiet des Dienstvertragsrechts (nur Begründung und Auflösung des Dienstverhältnisses, Rechte und Pflichten) abgeschafft. Darüber hinaus sollte insbesondere das „Homogenitätsgebot" entfallen. Zur Koordinierung von Bundes- und Landesdienstrecht wurde stattdessen ein Diskriminierungsverbot bei der wechselseitigen Anrechnung von Vordienstzeiten sowie eine Informationspflicht betreffend legislative Vorhaben geschaffen (siehe Art 21 Abs 4 B-VG).
Nach der nunmehr geltenden Rechtslage, die den Ländern erstmals auf dem Gebiet des Dienstvertragsrechts die volle Gesetzgebungskompetenz einräumt, ist es fraglich, ob es dem Landesgesetzgeber noch offensteht, als eine Art „Zwischenlösung" bestimmte Dienstverhältnisse nur teilweise zu regeln und im Übrigen den arbeitsrechtlichen Regeln des Bundes zu unterstellen (s. dazu Kucsko-Stadlmayer in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht Band II/1. Halbband Art 21 Rz 12 mwH insbesondere auf Thienel, Arbeitsvertragsrecht und Vertragsbedienstetenrecht in der Kompetenzverteilung, DRdA 1994, 222 und Spielbüchler, Vertragsrecht, Arbeitsvertragsrecht und Vertragsbedienstetenrecht in FS-Strasser (1993) 341, der - jedenfalls für die Rechtslage vor der B-VG Nov 1999- die Möglichkeit der subsidiären Geltung von Bundeszivilrecht und allgemeinem Arbeitsvertragsrecht für grundsätzlich zulässig erachtet).
Hier erübrigt sich allerdings eine nähere Auseinandersetzung mit diesen Fragen aus folgenden Überlegungen: § 50 des Tiroler L-VBG legt in seinem Abs 1 eine dreijährige Verjährungsfrist fest, die gemäß Abs 2 auch für Rückforderungsansprüche auf zu Unrecht erbrachte Leistungen erstreckt wird. Abs 3 schließt die Rückforderung von Beträgen aus, die trotz Verjährung geleistet wurden. Abs 4 schließlich lautet wörtlich wie folgt: „Für die Hemmung und die Unterbrechung der Verjährung gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts mit der Maßgabe, dass die schriftliche Geltendmachung eines noch nicht verjährten Anspruches durch den Vertragsbediensteten gegenüber dem Dienstgeber die Verjährung unterbricht".
Der Tiroler Landesgesetzgeber bestimmt daher im Rahmen der ihm zukommenden Gesetzgebungskompetenz in Dienstrechtsangelegenheiten, die auch die Verjährung dienstrechtlicher Ansprüche umfasst, ausdrücklich die Geltung jener Bestimmungen des ABGB, die sich auf die Hemmung und Verjährung der Unterbrechung beziehen, wobei er zusätzlich einen eigenen Unterbrechungsgrund (schriftliche Geltendmachung gegenüber dem Dienstgeber) normiert. Diese auch im Geltungsbereich der B-VG Nov 1999 jedenfalls zulässige statische Verweisung auf bundesrechtliche Vorschriften (Kucsko-Stadlmayr aaO Rz 12) hat aber zur Beurteilung zu führen, dass die von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, unter welchen Voraussetzungen eine analoge Anwendung der Regeln über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung auf Präklusivfristen geboten ist, ebenfalls heranzuziehen sind: Eine eigenständige Regelung darüber, ob, gegebenenfalls welche Hemmungs- und Unterbrechungsgründe auf die im Tiroler L-VBG geregelten Verfallsbestimmungen anzuwenden sind, findet sich im L-VBG nicht. Die vom Tiroler Landesgesetzgeber ausdrücklich als beachtlich angesehenen Bestimmungen der §§ 1494 ff ABGB können daher zur Lückenfüllung für die Frage herangezogen werden, ob und welche Hemmungs- bzw Unterbrechungsgründe für Präklusivfristen gelten.
Lehre und Rechtsprechung bejahen eine analoge Anwendung der Regeln über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung auf Präklusivfristen, soweit dies nicht mit deren Zweck unvereinbar ist; das gilt insbesondere für die Präklusivfristen des Arbeitsrechts (RIS-Justiz RS0029716; 9 ObA 22/04g; M.Bydlinski in Rummel³ § 1497 ABGB Rz 1). Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung wurde nicht nur eine analoge Anwendung der Unterbrechungsvorschrift des § 1497 ABGB auf Präklusivfristen bejaht, sondern auch eine analoge Anwendung der Hemmungsvorschriften des ABGB (so ausdrücklich wbl 1987, 130; siehe auch 8 ObA 250/95).
Bejaht man nun mit der Entscheidung DRdA 2001/1 = SZ 73/23 die Hemmung der Verjährung des Urlaubsanspruches, wenn ein Arbeitnehmer infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Urlaub nicht verbrauchen kann, steht einer analogen Anwendung der nach der Absicht des Landesgesetzgebers als Landesrecht in Geltung stehenden Hemmungsvorschriften des ABGB auf die im Tiroler L-VBG normierte Verfallsfrist der Zweck der Verfallsbestimmung nicht entgegen: Auch dieser Zweck kann - von der Revision sogar betont - nur darin liegen, der Gefahr des „Hortens von Urlaubsansprüchen" zu begegnen. Von einem solchen „Horten von Urlaubsansprüchen", dem § 60 ebenso wie § 62 Abs 5 zweiter Satz Tiroler L-VBG entgegenwirken will, kann aber im Falle der krankheitsbedingten Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauches aus den bereits dargelegten Gründen gerade nicht gesprochen werden.
Die Vorinstanzen haben daher zutreffend erkannt, dass die von der Klägerin bereits unmittelbar nach Beendigung des Dienstverhältnisses begehrte Urlaubsersatzleistung nicht verfallen ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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